der weiter auf sie zuraste, dann feuerte sie Salve um Salve aus kurzer Entfernung ab. Der Schütze fiel stöhnend zurück in die Fahrgastzelle und seine Waffe schepperte über die Straße.
Das Fahrzeug wurde langsamer, lenkte dann von ihr weg, holperte auf den Gehsteig und krachte schließlich in einen geparkten Mitsubishi. Maya entleerte den Rest des zweiten Magazins in den Wagen und lud das dritte sogleich nach.
Im Haus hinter dem Wagen ging das Licht an.
In dem durchsiebten SUV waren keine Lebenszeichen zu erkennen.
Sie lauschte aufmerksam, ob noch mehr Autos folgten, konnte aber nichts hören, da die Hupe der zerstörten Limousine noch immer sehr laut plärrte.
Beim Haus nebenan ging das Licht auf der Veranda an. Maya blickte sich rasch um, und rannte dann weg von ihrer Wohnung, so schnell sie konnte.
Am Ende der Häuserzeile blieb sie stehen, schraubte den Schalldämpfer ab und steckte die Waffe zurück in den Rucksack. Sie wollte unterwegs ja niemanden erschrecken.
Sie ging weiter, bis sie zwei Blocks vom Ort der Schießerei entfernt einen einzelnen Scheinwerfer auf sich zukommen sah. Ein Motorroller knatterte die kleine Straße mit kaum mehr als dreißig Stundenkilometern entlang. Maya blieb stehen und winkte, bis er langsamer wurde und schließlich anhielt. Ein junger Mann musterte sie im fahlen Licht von oben bis unten.
Maya schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Hey. Fährst du zur Party am Meer? Mir tut der Knöchel weh …«
Er lächelte zurück. »Klar. Spring auf. Ich heiße Kyle.«
»Nett, dich kennenzulernen, Kyle. Veronique.«
Sie legte die Arme um ihn und sie bretterten davon. Sowohl ihre Verfolger als auch die Polizei, sofern diese inzwischen ebenfalls zu ihren Problemen gehören sollte, würden beide nach einer einzelnen Frau Ausschau halten, aber nicht nach einem Paar auf einem Moped.
Maya nahm ihren linken Arm von seiner Hüfte und tastete nach dem Streifschuss an ihrer Schulter. Ihre Hand war voller Blut, aber sie erkannte, dass es nur eine Fleischwunde war. Sie musste sich noch etwas einfallen lassen, die Wunde zu kaschieren – sie hatte gehofft, dass sie mittlerweile zu bluten aufgehört hätte.
Einen Block vor dem Strand kam Kyle langsam zum Stehen, um nicht mit einem Schwarm betrunkener Fußgänger zu kollidieren. Maya nutzte den Moment, um abrupt abzuspringen.
»Danke, Kyle. Wir sehen uns«, sagte sie und verschwand in der Menge, während er noch verarbeitete, was gerade geschehen war.
Maya tauchte im erstbesten Souvenirladen unter und kaufte ein schwarzes T-Shirt mit dem Logo der Tauchlehrervereinigung PADI, warf dem gelangweilten Ladenbesitzer das Geld hin und flitze wieder hinaus. Sie schlüpfte in den schmutzigen Spalt zwischen zwei Gebäuden, zog ihr blutverschmiertes Langarmshirt aus und entsorgte es in der Gosse. Dann zog sie das neue Kleidungsstück an. Die Blutung an ihrer Schulter hatte endlich nachgelassen und die dunkle Farbe des T-Shirts würde den Rest überdecken, der noch hindurchsickerte. Sie holte eine Kompresse, die ihr Roberto mitgegeben hatte, aus der Handtasche und drückte sie unter dem Ärmel auf die Wunde.
Mehr konnte sie im Moment nicht tun. Sie sah auf die Uhr und bemerkte, dass es schon halb elf war. Der Fährverkehr war bereits eingestellt worden für die Nacht und der Flughafen war keine gute Idee. Die Polizei würde wegen der Leichen überall in höchster Alarmbereitschaft herumschnüffeln und selbst das kontrollierte Chaos dieses Karnevalswochenendes würde nicht genug Möglichkeiten zum Untertauchen bieten. Somit blieben nur zwei Optionen – entweder, ein entlegenes Versteck für ein bis zwei Tage finden, oder ein Boot klauen und die Überfahrt zum Festland von Venezuela wagen.
Sie konnte sich mit dem Gedanken, sich zu verstecken, nicht anfreunden. Die Schießereien würden für die größten Schlagzeilen auf der Insel seit Jahren sorgen, und sogar die üblicherweise entspannten Einheimischen würden verängstigt, schockiert und extrem wachsam sein. Und wenn erst ihre Identität mit den Toten im Café in Verbindung gebracht wurde …
Überall würde ihr Bild veröffentlicht werden. Alles, was die Behörden jedoch hatten, war ein Passbild, dem sie längst nicht mehr ähnlich sah. Auf dem Foto besaß sie kürzere, kastanienbraune Haare mit Scheitel und blonden Strähnchen vorn, inzwischen jedoch hatte sie ihre natürlichen schwarzen Haare wieder, die seit drei Jahren gewachsen waren. Noch mehr konnte sie ihr Aussehen aber nicht verändern.
Sie musste ein Boot auftreiben.
Zahlreiche Jachthäfen erstreckten sich entlang der Küste, die Venezuela am nächsten war, westlich von Port of Spain. Die gute Nachricht war, dass die ganze Stadt während des Karnevals auf den Kopf gestellt war und Sicherheit daher nicht so groß geschrieben wurde. Jeder, der arbeiten musste, wünschte sich, in dieser Nacht frei zu haben, um an der Party teilnehmen zu können, statt nach Bootsdieben Ausschau zu halten.
Sie holte die gefiederte Maske aus ihrer Handtasche und setzte sie auf, dann kehrte sie zurück in die feiernde Menge, dieses Mal als ein weiterer anonymer Partylöwe, der sich prächtig amüsierte. Die Musik und die Trommeln waren noch lauter und intensiver geworden und unterstrichen damit die wachsende Stimmung des unberechenbaren Chaos, das die Straßen füllte. Eine Frau im Perlenkostüm mit üppigem Kopfschmuck kam herangetanzt, ihre Hüften vollführten dabei unglaubliche Wellenbewegungen im Takt der Inselrhythmen, während eine Gruppe jüngerer Mädchen kicherte, als sie ein Trio Jugendlicher beobachtete, die auf harte Burschen machten und von der anderen Straßenseite zu ihnen herüberstarrten.
Eine Hand zupfte an ihrer Handtasche, worauf sie sie fest umklammerte, sich herumdrehte und dabei das Butterflymesser aufspringen ließ. Im Nu hatte der Insulaner mit den weit aufgerissenen Augen die rasiermesserscharfe Klinge an der Kehle; der schwere Geruch von Schweiß und Kokosnussrum belästigte sie mit jedem seiner panikerfüllten Atemzüge. Er wich zurück und stammelte mit erhobenen Händen, es sei alles ein Irrtum gewesen.
Maya nahm das Messer herunter und klappte es blitzschnell wieder zu. Kleine Diebe waren bei Straßenfesten wie diesem allgegenwärtig. Sie musste aufmerksamer sein. Sie war so damit beschäftigt, ihren Plan auszuarbeiten und nach möglichen Killern Ausschau zu halten, dass sie den Faktor der Gefahren durch einheimische Langfinger außen vor gelassen hatte. Das sollte kein zweites Mal passieren.
Ein paar Straßen von der Hauptroute des Festzuges entfernt winkte sie ein Taxi herbei und bat den griesgrämigen Fahrer, sie zum Anlegeplatz des Jachtclubs zu bringen. Er grunzte zustimmend und legte krachend den Gang ein, dabei knurrte er einen Fahrpreis, der doppelt so hoch war, wie er eigentlich hätte sein sollen. Sie beschwerte sich nicht. Der Jachthafen befand sich in einem der nobleren Viertel und er dachte daher wahrscheinlich, das verdiene einen Aufpreis.
Als er sie kurz vor dem leeren Parkplatz absetzte, wehte eine warme Brise von Venezuela herüber, das weniger als dreißig Kilometer entfernt war. Es roch nach Meer und dichtem Dschungel, die Vegetation vermischte sich mit der salzigen Luft auf eine Weise, wie sie nur für diesen Teil der Küste typisch war. Unten am Wasser schaukelten die Rennboote sanft an den Docks und zogen gemächlich an ihren knirschenden Leinen. Der Jachtclub selbst war dunkel, da er nachts geschlossen war.
Ein Wachmann saß entspannt in einem Klappstuhl neben dem Haupteingang und schäkerte mit einer Frau, die ihm eine Geschichte im inseltypischen, unverwechselbar melodischen Slang erzählte. Aus einem tragbaren Radio beim Wachhäuschen erklang blechern ein Kalypso-Rhythmus und die leichte Brise vermischte sich mit dem kräftigen Aroma von Marihuana.
Die Frau nahm einen Schluck aus einer Flasche und reichte sie dem uniformierten Mann, der mit einem unverständlichen Kommentar antwortete, lachte, und ebenfalls einen tiefen Schluck nahm. Diese Begegnung hatte ein bestimmtes Ziel, das noch vor Ende des Abends erreicht werden würde und Maya schätzte, dass sich das Paar entweder ins Wachhäuschen oder in eines der vorübergehend verlassenen Boote zurückziehen würde, um etwas Privatsphäre zu haben. Wenn der Passatwind wehte, kam so etwas häufig vor.
Ungeduldig sah Maya auf die Uhr, akzeptierte, dass sie noch warten musste, und zog sich deshalb in ein dunkles Versteck zurück, von wo aus sie die beiden im Auge behalten konnte.
Eine missmutige