Claudia Rossbacher

Steirerland


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      »Dann sind also sowohl die beiden Morde als auch die Amputationen woanders erfolgt. Wäre noch zu klären, wie die Leichen an die Fundorte gelangt sind.«

      »Im ersten Fall mit dem Auto des Opfers. Ansonsten konnten auf dem Parkplatz keine relevanten Spuren sichergestellt werden.«

      »Hm … Und wie ist die Leiche in den Laderaum gekommen? Wie schwer war der Mann ohne seine Beine? Und kaum noch Blut im Körper?«, fragte Sandra.

      »Restlos ausgeblutet war seine Leiche nicht. Ein wenig Blut verbleibt immer im Körper«, bestätigte Bergmann. »Ein Unterschenkel samt Fuß wiegt an die sechs bis sieben Kilogramm. Ohne diese und ohne die etwa fünf Liter Blut, die der Leiche gefehlt haben, hat er noch immer stolze 75 Kilogramm auf die Waage gebracht. Haselbacher war ursprünglich 1,90 Meter groß«, wusste er von der letzten Autopsie, der er beigewohnt hatte.

      »Zu schwer für eine Frau. Es sei denn, sie hätte einen Komplizen gehabt. Oder eine Komplizin. Was ist mit Josefine Haselbacher? Sie hatte es jedenfalls nicht weit zu den beiden Fundorten.«

      »Das ist doch nicht dein Ernst.«

      Dass es das nicht war, behielt Sandra vorerst für sich. Erst einmal wollte sie Bergmann eine Lektion erteilen. Sein allzu offensichtliches Interesse an der jungen Landwirtin war alles andere als professionell gewesen. Das wollte sie ihn nun spüren lassen. »Ich spiele zwar kein Lotto, aber wie heißt es so schön …?«, meinte sie mit ernster Miene.

      »Alles ist möglich«, vervollständigte Bergmann spontan den Werbeslogan der Österreichischen Lotterien. »Aber das? Josefine Haselbacher? Warum denn? Welches Motiv sollte sie gehabt haben? Oder meinst du etwa, sie hätte die abgetrennten Körperteile zu Sugo, Chutney und Pastete verarbeitet?« Bergmann schüttelte ungläubig den Kopf.

      »Ja, genau … Das ist es! Du bist ein Genie, Sascha! Der Fall ist so gut wie gelöst«, zeigte sich Sandra begeistert.

      »Du verarschst mich doch, oder?«

      »Aber warum denn? Nein«, meinte sie aufgeregt. »Wir sollten die angeblichen Mangalitza-Spezialitäten ins Labor schicken und auf menschliche DNS überprüfen lassen. Mein Instinkt sagt mir, dass du recht hast, Sascha.«

      »Dein Instinkt war auch schon mal besser«, murmelte Bergmann und kam aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus. Sandra starrte auf die Fahrbahn. Ein Blick in sein verdutztes Gesicht hätte sie bestimmt die Beherrschung verlieren lassen. Sie biss sich auf die Lippen.

      »Du spinnst doch, Sandra. Was ist denn bloß los mit dir? Haben sie dir Drogen verabreicht?« Bergmann schien ernsthaft an ihrem Verstand zu zweifeln.

      Bei so viel Besorgnis in seiner Stimme konnte sich Sandra nicht länger beherrschen.

      »Das ist doch …« Im nächsten Moment stimmte Bergmann in ihr Gelächter ein.

      »Der Punkt geht an mich«, sagte Sandra, nachdem sie sich wieder einigermaßen gefangen und die Tränen aus dem Gesicht gewischt hatte. »Was musst du auch immer so unverschämt flirten. Noch dazu mit einer Zeugin?«

      »Ich hab nicht mit ihr geflirtet«, protestierte Bergmann.

      »Doch, hast du … Sie ist aber auch ziemlich hübsch, diese Josefine.« Sandra kicherte noch immer.

      Bergmann seufzte. »Jaaa«, hauchte er. »Das ist sie …«

      »Bist du etwa verknallt in sie?« Sandra grinste in sich hinein, den Blick auf die Fahrbahn gerichtet.

      »Ich befürchte es«, bestätigte Bergmann mit einem weiteren Seufzen.

      Das hatte er jetzt aber nicht ernst gemeint. Oder doch? »Lass bloß die Finger von ihr, Sascha«, warnte Sandra ihn.

      »Aber sie ist doch so schön …« Wieder folgte ein sehnsüchtiges Seufzen.

      »Sascha, bitte! Seit wann stehst du überhaupt auf so junges Gemüse?«

      »Wieso denn Gemüse? Frischfleisch …«

      »Du bist unmöglich.«

      »Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich …?«

      »O ja. Dir traue ich alles zu«, sagte Sandra.

      Bergmann lachte auf. »Schön, dass du wieder da bist, Sandra.«

      »Danke. Ich freue mich auch wahnsinnig.« Sandra zog die Mundwinkel nach oben, um sie gleich wieder fallen zu lassen. »Sind die Beine des Jungwinzers eigentlich aufgefunden worden?« Sie setzte den Blinker.

      »Nein. Sie müssen aber recht muskulös gewesen sein. Haselbacher war Stürmer beim SV Karla.«

      »Ein Fußballer …«

      Bergmann nickte. »Unterliga Süd. Deshalb haben wir die Ermittlungen im Dunstkreis seines Vereins begonnen, für den er am Nachmittag vor seinem Tod gegen Gleisdorf II im Einsatz war.«

      »Haselbacher hat nach dem Brunch in Neusetz Fußball gespielt?«

      »Ja, warum denn nicht?«

      »Leistungssport nach dem Essen?«

      Bergmann zuckte mit den Schultern. »Er hat dort kaum etwas zu sich genommen, erst später. Jutta hat seinen Mageninhalt untersuchen lassen. Er hat wohl erst abends Schinken, Brot und ein wenig Weißwein zu sich genommen. Aber nochmal zurück zu dem Match: Seine Mannschaft hat verloren, weil Haselbacher einen Elfmeter vergeben und danach auch noch ein Eigentor geschossen hat. War wohl nicht sein Tag.«

      »Das kann man so sagen«, spielte Sandra auf seine Ermordung wenige Stunden später an.

      »Ursprünglich haben wir erwogen, dass ihm sein sportliches Versagen jemand übel genommen hat und er deshalb sterben musste«, spekulierte Bergmann über das Tatmotiv.

      »Ziemlich drastische Maßnahme«, fand Sandra.

      »Ist aber schon vorgekommen. Ein kolumbianischer Fußballer wurde in seiner Heimat auf einem Parkplatz regelrecht hingerichtet, weil er Tage zuvor mit seinem Eigentor beim WM-Spiel in den USA eine 2:1-Niederlage eingeleitet hatte. Sein Mörder soll ihn mit einem ›Gooool!‹-Ruf im typischen Stil der südamerikanischen TV-Reporter verhöhnt haben, während er sechs Kugeln abfeuerte.« Offenbar hatte Bergmann gründlich recherchiert. Dass er inzwischen Fußball-Fan geworden war, schloss Sandra aus. Soweit sie sich erinnern konnte, hatte er noch nie über diesen Sport gesprochen.

      »Erschießen ist eine Sache. Aber ein so blutrünstiger Mord? Und die Amputation? Andererseits, warum eigentlich nicht?«, gab sie sich gleich selbst die Antwort. Leider hatte sie schon in zu vielen Mordfällen ermittelt, als dass sie irgendeine Tat oder ein Motiv von vornherein ausschließen wollte. Manche Menschen waren zu allem fähig. Oftmals wegen nichts und wieder nichts. »Gibt es denn einen Verdächtigen?«, fragte sie weiter.

      Bergmann schüttelte den Kopf. »Nein. Und nachdem es nun ein weiteres verstümmeltes Mordopfer gibt, dem die Hände fehlen, können wir dieses Tatmotiv wohl getrost ad acta legen. Es sei denn, der Mann war Handballer und hat ebenfalls in einem Match versagt.«

      Sandra warf einen kurzen Seitenblick auf den Chefinspektor. Nichts an seiner Mimik verriet ihr, ob die letzte Bemerkung Ernst oder als schlechter Scherz gemeint war. Also erzählte sie ihm, was ihr angesichts der zweiten Leiche im Wald spontan in den Sinn gekommen war.

      Bergmann überlegte eine Weile, ehe er antwortete. »Dass Dieben in manchen Kulturkreisen die Hände amputiert werden, ist mir schon bekannt. Aber die Beine?«

      Sandra setzte erneut den Blinker und verließ den Kreisverkehr. »Von Fußamputationen habe ich in diesem Zusammenhang schon gehört. Ich werde mich morgen mal schlaumachen. Vielleicht weiß Paul ja mehr über Amputationen in Zusammenhang mit Bestrafungsritualen.«

      »Paul? Welcher Paul?« Bergmann beäugte Sandra von der Seite.

      »Paul Stadler vom Raubdezernat.«

      »Ach, der Stadler … Ich wusste nicht, dass ihr euch so nahe steht.«

      »Tun wir ja gar nicht«, widersprach