Claudia Rossbacher

Steirerland


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wandte sich Bergmann an Josefine.

      »Ich nicht. Ich hab leider wenig Zeit zum Lesen. Wenn, dann bestell ich meine Bücher im Internet. Das ist praktischer.«

      »Ich meinte eigentlich, ob Sie einen Herrn Maric kennen«, sagte Bergmann, ungewohnt geduldig.

      Josefine lachte auf. »Ach so, entschuldigen Sie bitte … Nein, ich kenn keinen Maric. Weder einen Christian noch einen Thomas«, antwortete sie.

      »Ist Maric der Name von dem Toten im Wald?«, erkundigte sich Waltraud Krenn, noch immer kauend.

      »Das müssen wir erst überprüfen«, blieb Bergmann vage. »Wann haben Sie Markus Haselbacher denn zum letzten Mal lebend gesehen?«

      »Beim Erntedank-Brunch in Neusetz. Am 20. Oktober«, war sich Waltraud Krenn sicher. »Das hab ich aber schon letztens Ihren Kollegen gesagt.«

      »Es wurden über 80 Leute befragt, an deren Aussagen ich mich beim besten Willen nicht lückenlos bis ins kleinste Detail erinnere«, meinte Bergmann. »Und wann haben Sie Ihren Cousin zuletzt gesehen, Frau Haselbacher?«

      »Auch bei diesem Sonntagsbrunch«, sagte Josefine. »Zwei Tage später hätte er uns Wein liefern sollen. Da war er aber schon tot.«

      »Und verraten Sie mir bitte noch einmal, wo Sie beide am Abend des 20. Oktober waren? Zwischen 19 und 22 Uhr?«

      »Daheim«, meinte Waltraud Krenn.

      »Kann das jemand bezeugen?«

      »Nein. Ich bin Witwe und leb allein mit dem Lumpi.« Der letzte Bissen vom Germgebäck verschwand in ihrem Mund.

      »Und Sie?«

      »Ich war auch daheim.«

      »Wann sind Sie nach Hause gekommen?«

      »Zwischen 15 und 16 Uhr«, antwortete Waltraud Krenn und wischte ihre Finger mit der Serviette ab.

      »Auch so um diese Zeit herum. Leider taugt mein Opa als Zeuge nix«, sagte Josefine.

      »Der Sepp ist dement«, fügte die ältere Frau hinzu.

      »Verstehe. Und wo waren Sie von Dienstag auf Mittwoch dieser Woche?«

      »Zu Hause«, wiederholte Frau Krenn.

      »Da war doch dieses Jazzkonzert …«, überlegte Josefine laut.

      »Genau. Waren Sie dort?«

      »Ja.«

      »Allein?«

      »Ich bin allein ins Kulturhaus und allein wieder nach Hause gefahren. Vor dem Konzert hab ich ein paar Leute dort getroffen und mit ihnen geplaudert.«

      Sandra notierte sich die Namen. »Und nach dem Konzert?«

      »Bin ich gleich gegangen, weil ich nochmal nach dem Opa schauen wollt.«

      »Wer arbeitet denn sonst noch bei Ihnen auf dem Hof?«, fragte Bergmann weiter. »Sie können das alles doch unmöglich allein schaffen. Die Schweinezucht, das Obst, der Laden …«

      »Nicht zu vergessen meine eigenen Produkte«, sagte Josefine nicht ohne Stolz. »Die meisten Ideen sind auf meinem Mist gewachsen. Wie das Sugo vom Wollschwein oder die Wollschweintrüffeln. Der Vater hilft mir bei den Rezepten. Er ist Fleischhauer in Straden und für die Veredelung zuständig.«

      »Sie züchten Mangalitza-Schweine«, meldete sich Miriam erstmals zu Wort.

      »Ja. Ich hab auf Mangalitza-Haltung umgestellt, nachdem ich den Hof vom Onkel übernommen hab. Das ist eine alte, robuste Fettschweinerasse, die wegen der früher beliebteren Fleischschweinerassen hierzulande beinahe ausgestorben wär. Mit dem dichten Haarkleid und der dicken Speckschicht können sich die Wollschweine, wie sie auch genannt werden, das ganze Jahr über im Freien aufhalten. Anders als die üblichen Schweinerassen, die im Winter draußen erfrieren und im Sommer einen Sonnenbrand nach dem andern kriegen täten. Langsam ist diese Rasse wieder im Kommen. In der Region sind es inzwischen vier Landwirte, die Wollschweine züchten. Ab und zu werden auch Turok-Schweine mit höherem Muskelanteil eingekreuzt, um die Fleischqualität zu verbessern.«

      »Deine Qualität hat aber auch ihren Preis«, warf Waltraud Krenn ein.

      »Billigfleisch und artgerechte Tierhaltung sind halt schwer vereinbar. Man muss ja auch nicht jeden Tag Fleisch essen, Traudl. Bevor ich billiges Fleisch aus dem Supermarkt kauf, verzicht ich lieber ganz drauf. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden. Wenn ich mich an die armen Viecher vom Onkel erinner … Auf den Vollspaltenböden haben s’ nicht wühlen können, sich aber umso leichter verletzt. Die Muttersäue sind wochenlang in den Kästen eingepfercht gewesen, angeblich, damit s’ die Wuggerln beim Säugen nicht zerquetschen. Die haben sich nicht einmal umdrehen können.

      Natürlich hat sich die Landwirtschaft stark verändert. Immer mehr Leute müssen ernährt werden, die immer weniger für Lebensmittel bezahlen wollen. Gleichzeitig werden die Bauern immer weniger, weil sie bei den niedrigen Schweinepreisen nicht überleben können. Wir sind gezwungen, uns zusätzliche Standbeine zu suchen und auf Konsumenten zu hoffen, die den Wert unserer Lebensmittel zu schätzen wissen und dafür auch angemessen bezahlen. Andernfalls geht’s eben nur mit Massenproduktion. Wobei es nicht nur die schwarzen Schafe gibt, die in der Zeitung stehen, wenn zum Beispiel die Lüftung im Großstall ausfällt und 1.800 Tiere elendiglich verrecken. Aber solange die Masse der Konsumenten nicht bereit ist, mehr Geld fürs Fleisch auszugeben, wird’s Missstände in der Tierhaltung geben. Wer die Bauern zwingt, möglichst günstig zu produzieren, braucht sich dann auch nicht über Tierquälerei aufregen.«

      »Wie viele Schweine leben denn auf Ihrem Hof?«, fragte Miriam.

      »Maximal 120. Für mehr ist nicht genug Platz. Die können sich drinnen im Stall, aber auch draußen im Freigehege aufhalten. Ganz wie sie mögen. Aber mit dem sprechenden Ferkel, das frech über die Wiese hüpft, hat das kaum was zu tun. Solche Werbungen gaukeln den Leuten ein völlig falsches idyllisches Landwirtschaftsbild vor, das mit der Realität überhaupt nix zu tun hat.«

      »Wollschweine leben doch auch länger, bis sie geschlachtet werden. Nicht wahr?«, kehrte Miriam zur Mangalitza-Rasse zurück.

      »Genau. Geschlachtet werden die Tiere erst im Alter von 18 Monaten bis zwei Jahre. Wir füttern nur Weizen, Gerste, angereichert mit Proteinen und Spurenelementen. Keinen Mais. Von dem her legen sie nicht so rasch zu wie die üblichen Mastschweine. Und das Fleisch ist auch gsünder, reich an Omega-3-Fettsäuren und cholesterinarm. Schmecken tut’s sowieso besser.«

      »Schlachten Sie auch selber?«, fragte Bergmann.

      »Hausschlachtungen gibt’s bei uns schon lang keine mehr. Unmöglich bei den heutigen Hygienevorschriften, außer für den Eigenbedarf am Hof. Wir haben einen Schlachter in der Nähe von Fehring. Ein kleiner Familienbetrieb. Die Schweindln werden dort zu Tode gestreichelt. Na ja, fast …« Josefine lächelte Bergmann an, was seine Wirkung nicht verfehlte. Wieder sah er sie einen Augenblick zu lange an, anstatt ihren Vortrag über Schweinehaltung zu unterbrechen, was er normalerweise längst getan hätte. Stattdessen trank er seinen Kaffee aus.

      »Wenn’s ans Schlachten geht, führe ich drei bis vier Tiere mit dem Anhänger zum Schlachter. Dort bleiben sie dann mindestens einen Tag lang auf der Weide«, erzählte Josefine weiter, »damit sie den Transportstress abbauen können. Obwohl der Schlachthof eh nur eine halbe Stunde von uns entfernt ist. Da hält sich die Aufregung in Grenzen. Und wenn’s gar nicht damit rechnen, werden’s mit der Elektrozange betäubt, bevor ihr artgerechtes Schweineleben endet.«

      Warum Bergmann Josefine an dieser Stelle anlächelte, war Sandra ein Rätsel. Augenscheinlich war hingegen, dass er sich mehr für die Landwirtin als für die Zeugin, die die Leiche gefunden hatte, interessierte. Was bestimmt nicht an den Wollschweinen oder irgendwelchen Delikatessen lag. »Kümmern Sie sich auch um den Verkauf der Produkte?«, fragte er weiter.

      »Ich hab den Hofladen erst im vergangenen Jahr ausgebaut, um meine Produkte noch besser direkt vermarkten zu können. Ich bau ja auch Holler und Marillen an, um mit der Landwirtschaft über