leider nicht. Im Kulturhaus spielen s’ meistens Jazz. Das ist nix für mich.«
»Über Geschmack lässt sich nun mal nicht streiten«, ätzte Bergmann.
Stöckler schien seinen sarkastischen Tonfall gar nicht wahrzunehmen. »Mir sind die Kabarettabende dort eh viel lieber. Wir ham ja in unserm Beruf eher wenig zum Lachen. Überhaupt in letzter Zeit«, meinte er.
»Humor ist, wenn man trotzdem lacht«, erwiderte Bergmann süffisant.
Auch dieser Kommentar prallte an Stöckler ab. Von dem Stoiker konnte sie sich noch einige Scheiben abschneiden, stellte Sandra voller Bewunderung fest.
»Habt ihr ein Foto von dem Vermissten? Und seine Daten?«, kam Bergmann zur Sache.
»Hier ist sein Steckbrief. Wir haben ihn im Einsatzwagen für euch ausgedruckt.«
Bergmann und Sandra studierten gemeinsam den Zettel. Die braunen lockigen Haare stimmten mit jenen der Leiche überein, wenngleich sie auf dem Foto etwas kürzer geschnitten waren. Das geschätzte Alter kam ebenfalls hin. Der abgängige Christian Maric hatte am 13. August dieses Jahres seinen 28. Geburtstag gefeiert, der leider auch sein letzter gewesen sein dürfte. Die Beschreibung der Kleidung, die der Tote zuletzt getragen hatte – eine schwarze Hose, ein schwarzes Hemd und ein ebenfalls schwarzes Samtjackett, dazu knöchelhohe graue Sneakers – passte ebenso.
»Gut. Wir kümmern uns dann um alles Weitere. Wo ist denn die Zeugin, die die Leiche gefunden hat?«, fragte Bergmann.
»Bei der Zeugin handelt es sich um die Krenn Waltraud«, erklärte Stöckler den Ermittlern nichts Neues. »Ich hab sie vor einer halben Stunde gehn lassen. Sie war ein bissl groggy und wollt lieber aufm Koglerhof auf ihre Einvernahme warten. Ist ja nimmer die Jüngste, die Traudl. Aber Arzt wollt sie partout keinen haben.«
»Und wo ist dieser Hof?«
Stöckler drehte sich um und deutete zur Anhöhe. »Gleich hinter dem Acker rechts die Kurve hinauf. Nach den Hollerbüschen ist der Koglerhof. Er g’hört der Josefine, die Traudl … die Frau Krenn ist ihre Taufgodl.«
»Ich nehme mal an, das soll Taufpatin heißen«, sagte Bergmann.
»Genau.«
»Von Josefine Kogler«, sagte Bergmann und war drauf und dran, sich den Namen zu notieren.
»Aber nein«, unterbrach Stöckler ihn. »Kogler ist der Vulgoname.«
Sandra und Miriam grinsten einander an.
»Ihr immer mit euren komischen Vulgonamen. Als ob man sich nicht so schon viel zu viele Namen merken müsste«, beschwerte sich der Chefinspektor aus Wien, der lange genug in der Steiermark ermittelte, um an diese ländliche Sitte gewöhnt zu sein.
»Die Josefine heißt Haselbacher mit Nachnamen. Sie ist Schweinebäuerin, baut aber auch Holler und Marillen an«, sagte Stöckler.
»Haselbacher? Wie der tote Winzer?«
Stöckler nickte. »Er war ihr Cousin.«
»Ach so, verstehe. Jeder mit jedem …« Einmal mehr war es Bergmann, der nun grinste, »… verwandt, meine ich.«
»Das macht das Namenmerken doch wiederum um einiges einfacher für dich«, stichelte Sandra.
Bergmann steckte Notizblock, Stift und Steckbrief in die Innentasche seiner Jacke. »Wo steht dein Wagen?«
»Den Feldweg hinunter, dann links. Wir können aber auch den Abstecher zurück durch den Wald nehmen«, meinte Sandra.
Bergmann schüttelte den Kopf und deutete zu einem zivilen Wagen in der Reihe. »Miriam fährt uns zu diesem Hof hinauf. Und nach der Einvernahme zu deinem Auto.«
Sandra starrte ungläubig den schwarzen Audi an. »Wir haben einen neuen Dienstwagen?« Kaum zu fassen, dass der alte VW-Passat in ihrer Abwesenheit gegen einen funkelnagelneuen A6 eingetauscht worden war.
»Da siehst du mal, was dir alles entgangen ist«, meinte Bergmann. »Servus, Stöckler«, verabschiedete er sich vom Inspektionskommandanten.
Der hob seine Hand gemächlich an den Kappenrand. »Pfiat eich«, grüßte der Landpolizist die drei Ermittler aus der Landeshauptstadt und ließ seinen Arm ebenso langsam wieder herabsinken.
4.
Schnüffelnd streckte Bergmann die Nase in die Luft, kaum, dass er aus dem Wagen ausgestiegen war. »Da stinkt’s ja gar nicht mal so arg.«
Sandra wusste, dass der Chefinspektor um Landwirtschaftsbetriebe, die Tiere hielten, nicht nur aus olfaktorischen Gründen einen möglichst großen Bogen machte. »Was ist mit deiner Katzenhaarallergie?«, erkundigte sie sich grinsend.
»Wie weggeblasen. Auch meine anderen Allergien. Seit unserem letzten Fall im Mürzer Oberland. Obwohl ich es ja selbst kaum glauben kann …«
Sandra erinnerte sich noch gut an die Tropfen, die Bergmann einer blinden Naturheilerin abgekauft hatte. Dass diese anscheinend nachhaltig gegen seine Allergien wirkten, überraschte auch sie.
»Die Schweine sind dort oben. Und der Wind kommt aus der anderen Richtung«, sagte Miriam, die wie Sandra auf dem Land aufgewachsen war. Wenngleich die Seiferts in der Oststeiermark keine Vieh-, sondern Apfelbauern waren, war Miriam mit der Natur und mit landwirtschaftlichen Betrieben aller Art bestens vertraut. Den neuen Holzbau mit den vergitterten Seitenwänden und dem Freigelände davor, der etwas abseits auf der anderen Straßenseite lag, hatte sie auf den ersten Blick als Schweinestall identifiziert, auch wenn sich die Tiere vermutlich drinnen in den schattigen Bereichen aufhielten und aus dieser Entfernung nicht zu erkennen waren. Dass die anderen Gebäude des bunt zusammengewürfelten Hofensembles aus früheren Jahrhunderten stammten, verrieten die verschiedenen Baustile. Der hintere Teil des alten gemauerten Schweinestalls war ziemlich verfallen. Der große Schuppen, in dem Sandra landwirtschaftliche Geräte und Fahrzeuge vermutete, war in einem etwas besseren Zustand. Dazwischen watschelte eine Gruppe schnatternder Gänse, die in wenigen Tagen ihren Lebenszweck erfüllt haben und als schmackhafte Martinigansln im Rohr landen würden.
Die drei LKA-Ermittler strebten auf den modernen Anbau aus Glas und Holz zu, der sich kontrastreich, aber durch die Edelrostfassade doch harmonisch, an das zweistöckige ältere Haupthaus anfügte. Dessen Dachgeschoss war anscheinend im Zuge der letzten Renovierung ausgebaut worden. Wie der neue Schweinestall trug auch der Zubau die Handschrift eines zeitgenössischen Architekten. Über dem Glasportal prangte der Schriftzug ›Kogler Hofladen‹, der in eine Blende aus Edelrostmetall gestanzt war.
»Das Geschäft ist geschlossen«, stellte Bergmann fest, nachdem er vergeblich versucht hatte, die Glastür zu öffnen.
»Ist ja auch Sonntag«, sagte Sandra und trat neben ihm an die Scheibe heran, die im gleißenden Sonnenlicht die Umgebung reflektierte. Um die Spiegelungen weitgehend abzuschirmen, legte sie beide Händen an ihre Wangen und ans Glas an und erhaschte so einen Blick ins Ladeninnere.
»Ganz schön stylish, die Hütte«, hörte sie Miriam hinter ihrem Rücken sagen.
Dasselbe galt auch für drinnen. In den Regalen und auf dem Verkaufstisch reihten sich größtenteils weiß etikettierte Schraubgläser und Flaschen fein säuberlich aneinander. Die lange Kühlvitrine unterhalb des Verkaufspultes war unbeleuchtet, weshalb ihr Inhalt nicht zu erkennen war.
»Hübscher Laden. Alles sehr ansprechend und appetitlich arrangiert«, stellte Sandra fest, ehe sie sich wieder den Kollegen zuwandte.
»Versuchen wir’s mal im Wohnhaus«, schlug Miriam vor.
5.
Die junge Frau, die den LKA-Ermittlern die Tür öffnete, warf auf den ersten Blick alle Klischees über den Haufen, die man landläufig mit einer Schweinebäuerin assoziierte. Ihre langen, schlanken Beine und die schmalen Hüften steckten in hautengen dunkelblauen Stretchjeans. Über dem hellgrauen T-Shirt trug Josefine Haselbacher eine grobmaschige graumelierte Strickweste, die gleichermaßen