Скачать книгу

seine Kokarde und erklärte mit ihn selbst erstaunender fester Stimme: »Herr Adler, Sie sind festgenommen!«

      Der zeigte keinerlei Absicht, sich zu wehren, und händigte Bronstein die Waffe aus. Einige Kellner kamen herbeigelaufen und wollten Adler fesseln. Bronstein hob die Hand und sah dabei Adler fest in die Augen: »Sie werden uns jetzt keine Schwierigkeiten machen, oder, Herr Adler?« Dieser stand nur stocksteif da und schüttelte den Kopf. »Gut, dann verzichte ich darauf, sie zu fesseln.« An die Kellner gewandt, meinte er: »Lasst ihn nicht aus den Augen! Wo kann ich hier telefonieren?« Ein Kellner deutete zur Schank, wo Bronstein tatsächlich einen Apparat stehen sah. Er ging hin und wählte die Vermittlung an.

      »Das Polizeipräsidium, bitte. Oberinspektor Nechyba.«

      Nach einigem Knacksen und Knacken in der Leitung hörte er den polternden Bass seines Vorgesetzten. »Was ist?«, knurrte der kurz angebunden.

      »Chef, Sie sollten ganz schnell ins ›Meissl & Schadn‹ kommen! Sie werden nicht glauben, was gerade passiert ist.«

Geständnis im Dom

      I.

      »Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, vergeben Sie mir, Vater, denn ich habe gesündigt.«

      Pater Gerhard stützte seinen Kopf in die rechte Hand. Seit zwei Stunden saß er nun schon im Beichtstuhl im hinteren Teil des Stephansdoms und er konnte nicht umhin, sich einzugestehen, dass ihn die Litaneien der Gläubigen langweilten. Zumeist, dies war seine zentrale Erkenntnis aus fast zwei Jahrzehnten als Geistlicher, beichteten just jene, die am wenigsten Grund dazu hatten. Vor allem die alten Frauen nervten ihn. In ihrer panischen Angst, demnächst abberufen zu werden und dann nicht ihrem Schöpfer gegenübertreten zu dürfen, weil auf ihnen ach so schreckliche Sünden lasteten – die Bandbreite reichte von einem furchtbaren Fluch á la »Fix Laudon« bis zu einem Stück Dürre an einem Freitag –, trieb sie fast jeden Tag in den Beichtstuhl. Wobei es auch durchaus möglich war, dass sie einfach nur eine Art Ansprache suchten, die sie in dieser neuen Zeit, da alles immer schneller zu werden drohte, nicht mehr finden konnten. Und als Gottesdiener hatte man ganz einfach Verantwortung für die Herde. Und wenn sie sich fürchtete, dann musste eben der gute Hirte dafür sorgen, dass der Herde kein Leid widerfuhr.

      Immerhin aber hatte da eben ein Mann seine Beichte eingeleitet. Das mochte für ein wenig Abwechslung sorgen. Männer trieb es in der Regel dann in den Beichtstuhl, wenn sie gegen das 7. Gebot verstoßen hatten, und mit etwas Glück würde er dem Mann dann ein paar Details entlocken, die ihm, aus rein sachlichen Gründen natürlich, ein klareres Bild geben könnten, wodurch die Zeit dann nicht gar so lang werden mochte.

      »Meine letzte Beichte war … ach, das weiß ich nicht mehr, Vater. Bitte vergebt mir.«

      Pater Gerhard wusste, nun musste er etwas sagen. »Sprich weiter, mein Sohn. Was bedrückt dich?«

      »Ich habe ein Menschenleben ausgelöscht.«

      Pater Gerhard fuhr hoch. Hatte er da eben richtig gehört?

      »Wie war das eben, mein Sohn?« Der Gottesmann wollte sich des gerade Gehörten versichern.

      »Ja, Vater, es ist wahr. Ich habe getötet. Und ich bereue zutiefst.« Der Mann im Beichtstuhl seufzte hörbar. »Ach, wenn ich es nur ungeschehen machen könnte. Aber die Tat ist getan, und ich, ach … ich weiß nicht weiter! Helfen Sie mir, Vater! Vergeben Sie mir.«

      Pater Gerhard rutschte nervös auf seiner Sitzgelegenheit hin und her. Mit einer solchen Äußerung war er noch nie in seinem ganzen Leben konfrontiert worden. Er musste sich eingestehen, nicht zu wissen, wie er nun reagieren sollte.

      »Aber mein Sohn«, stammelte er, »was ist geschehen?«

      »Ich habe mir nicht mehr zu helfen gewusst«, kam es von der anderen Seite des Beichtstuhls, »sie war … ein Teufel in Menschengestalt. Eigentlich war es … Notwehr.«

      »So erkläre dich doch, mein Sohn«, forderte der Pater den Beichtenden auf, »ich kann dir Gottes Vergebung nicht geben, wenn du mir nicht genau sagst, worum es eigentlich geht.«

      Wieder kam ein Seufzen. Es war offenkundig, dass der Mann sich zu sammeln versuchte, sich ein Korsett zurecht legte, das ihn in der Schilderung seiner Tat stützen sollte. Der Priester aber vermochte sich kaum noch zurückzuhalten. Um ein Haar hätte er den Sünder angebrüllt, er solle endlich reden. Doch das verbat die Situation, Pater Gerhard atmete tief durch und sandte ein Stoßgebet zum Himmel.

      »Ich war immer ein gottesfürchtiger Mann, das müssen Sie mir glauben, Vater. Das war ich wirklich.«

      »Schon recht«, replizierte der Pater eilig, »aber wer war nun der Teufel in Menschengestalt?«

      »Das … ist nicht … so einfach …«

      »Wer?«, beharrte der Priester, »deine Frau?«

      »Aber ich bin doch ledig«, entfuhr es dem Beichtenden.

      »Dann eine … Venuspriesterin?«

      »Wie meinen?«

      »Eine Dirne, eine Liebesdienerin, eine Bordsteinschwalbe …«

      »Aber Vater, wie reden Sie von meiner Schwester?«

      Immerhin, so dachte sich Pater Gerhard, wusste er nun, wen der Mann auf dem Gewissen hatte. Aber was nutzte ihm diese Information, hier in den hehren Hallen des Wiener Stephansdoms? Vor allem handelte es sich hier um eine Gewalttat! Konnte er die überhaupt den Behörden gegenüber verschweigen? Mein Gott, er befand sich in einem wahren Gewissenskonflikt, und das nur, weil dieser Mörder ausgerechnet jetzt den Weg zu seinem Beichtstuhl gefunden hatte.

      »Ihre Schwester also? Warum war sie der Teufel?«

      »Ausgenützt hat sie mich. Seit ich denken kann. Das hätte ich ja noch hingenommen, aber dann ist sie auch noch dazu übergegangen, mich absichtlich zu quälen. … Und, Vater, … krümmt sich nicht auch ein Wurm, wenn er getreten wird?«

      »Sie hat dich gequält? In welcher Weise, mein Sohn?«

      Nur wenige Augenblicke später sollte Pater Gerhard die Frage bereuen, denn was er zu hören bekam, ließ ihn sich mehrfach bekreuzigen. Jener Mensch, der da Erleichterung im Beichtstuhl gesucht hatte, erwies sich als weitaus üblerer Sünder, als er ursprünglich angenommen hatte. »Dass sie mich nie ernst genommen hat, damit konnte ich ja noch leben. Ebenso damit, dass sie mir jeden Heller sofort abgenommen hat. Und dass sie sich in meiner Wohnung aufführte, als gehörte sie ihr. Doch dann, die Geschichte mit Christoph, die konnte ich ihr einfach nicht nachsehen.«

      An dieser Stelle hatte Pater Gerhard naturgemäß gefragt, wer denn nun Christoph sei. Und da stellte sich heraus, dass es sich bei jenem Christoph um den Mann handelte, in den sich der Beichtende unsterblich verliebt hatte. In einer dunklen Stunde, so berichtete er weiter, habe er seiner Schwester von dieser Leidenschaft erzählt. »Und da hat sie sich den Christoph einfach geangelt. Sie kam mitten in der Nacht nach Hause, ihn im Schlepptau. Ich hab’ sie angefleht, das nicht zu tun, doch sie hat nur gelacht, ihn vor meinen Augen ausgezogen und sich ihm hingegeben.«

      Das war nun normalerweise die Stelle, an der Pater Gerhard gerne nach Details fragte, doch die Lust auf solche Erzählungen war ihm gründlich vergangen. »Die beiden haben fleischlich miteinander verkehrt. Vor meinen Augen. Angefleht hab’ ich sie, damit aufzuhören, doch sie hat nur gelacht. Nur gelacht.«

      Pater Gerhard wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er hätte sich nie träumen lassen, dass er in den Tiefen des gotischen Gemäuers jemals so etwas wie Hitze empfinden würde, doch angesichts der Offenbarungen, die ihm hier zuteil wurden, vermochte er keinesfalls, kühlen Kopf zu bewahren.

      »Und dann, Vater, … dann habe ich die Bratpfanne genommen und … und zugeschlagen!«

      Pater Gerhard schnellte nach vorn. Die Bratpfanne? Das konnte doch unmöglich des Mannes Ernst sein! Hatte man schon jemals davon gehört, dass jemand durch einen Schlag mit der Bratpfanne zu Tode gekommen war?

      »Du hast sie mit einer Bratpfanne erschlagen?«