Mediziner ringsum. Ein Patient mit einem Leistenbruch. Routinesache.
Dr. Ferrenc begann mit der Operation. Neben ihm, mit der Gesichtsmaske kaum erkenntlich, OP-Schwester Gillmore. Dennoch wirkte sie durch ihre schlanke Figur attraktiv genug. Und das Aufblitzen ihrer Augen machte auf Assistent Dr. Proud einen faszinierenden Eindruck. Es war das einzige Interessante für ihn während dieser scheinbar langweiligen Operation, dass er Schwester Gillmore beobachten konnte.
Am Fußende des OP-Tisches stand eine zweite Schwester, Gloria Mitchell, ein blutjunges Ding, die ihre Nervosität nur schlecht zu verbergen wusste. Es war ihre erste Operation, bei der sie selbständig als Hilfsschwester fungierte.
Wie gesagt, eine Routinesache, so schien es. Dr. Ferrenc arbeitete traumhaft sicher. Keine Schweißperlen auf der Stirn, kein unruhiger Blick. Präzisionsarbeit wurde von ihm geleistet. Der Patient atmete normal. Der Puls schlug so gleichmäßig, dass der Narkotiseur Hokinson ab und zu zum Fenster hinaus sah, wo er die Spitzen der blühenden Akazien sehen konnte. Frühling in Florida. Jetzt müsste man den Kittel ausziehen und hinaus auf die Promenade gehen können. Noch diese Sache, dann einen Blinddarm und danach noch eine Phimose. Vielleicht würde er in zwei Stunden draußen sein, früh genug, um Maud vom Büro abzuholen. Wenn dann … Er kam nicht dazu, weitere Gedanken in dieser Richtung auszuspinnen.
Puls und Atmung des Patienten wurden anormal. Von einer Sekunde zur anderen.
Hokinson warf einen Blick auf Dr. Ferrenc. Der schien es noch nicht bemerkt zu haben. Und Proud döste vor sich hin. Verständlich, wenn man sich auf den Meister so gut verlassen konnte.
Die Atmung gefiel Hokinson nicht. Er hatte den Mann doch untersuchen lassen; gesundes Herz, keine Lungenschäden, absolut funktionierender Kreislauf. Diese Offiziere von der Navy hatten ja von jeher so eine Natur wie ein Tigerhai. Der Puls begann aber auszusetzen. Völlig unerklärlich.
Bei Dr. Ferrenc schien alles normal zu laufen. Keine Blutungen über Gebühr, keine Stauung – völlig unverständlich diese Symptome.
„Anormal, Mr. Ferrenc“, sagte Hokinson. „Ist da was?“
Dr. Ferrenc sah auf. Er runzelte die Brauen. Seine Augen wurden schmal, als er den Plastikbeutel beobachtete.
„Sauerstoff!“
Hokinson hatte schon von sich aus daran gedacht und die Sauerstoffatmung eingeschaltet.
„Herztöne schlapp. Myokard schwach. Puls unterbrochen“, sagte Hokinson.
„Strophantin“, befahl Dr. Ferrenc.
Proud war inzwischen aus seiner Gleichgültigkeit erwacht. Auch Schwester Gillmore begann zu begreifen, dass aus einem Routinefall ein Kampf um Leben und Tod geworden war. Ein Kampf um das Leben des zweiunddreißig-jährigen Kapitänleutnants Howard Koog.
Proud injizierte Strophantin. Hokinson gab noch mehr Sauerstoff. Puls und Atmung wurden besser.
Dr. Ferrenc setzte die Operation fort.
„Kreislauf unterstützen, Mr. Proud“, sagte Dr. Ferrenc.
Proud gab noch eine Kreislaufspritze.
Dr. Ferrenc begann mit der Naht. Puls und Atmung wurden ein wenig besser, waren aber noch immer besorgniserregend.
Indessen war die Naht fertig, und Dr. Ferrenc blickte besorgt auf die Instrumente von Dr. Hokinson.
Plötzlich aber erschrak er. Die Atmung fiel völlig aus. Der Plastikbeutel war schlapp geworden.
„Sauerstoff!“, schrie er und begann die Brust an der Herzgegend beim Patienten zu massieren.
Im gleichen Augenblick machte Dr. Hokinson eine Feststellung, die für den Patienten entscheidend sein sollte.
Das Sauerstoffgerät – genauer gesagt der Mixer, der Sauerstoff und normale Luft vermischte – funktionierte mit einem Male nicht mehr richtig. Schnell zog Dr. Hokinson die Atemmaske des Patienten ab, setzte eine andere auf, die am Notgerät hing. Sofort strömte purer Sauerstoff in die Nase des Patienten.
Und nach zwei Sekunden setzte die Atmung wieder ein. Puls und Herztöne wurden allmählich kräftiger.
„Er kommt!“, sagte Dr. Ferrenc und massierte weiter.
Proud stand mit schweißnassem Gesicht, eine Kreislaufspritze in der Hand, daneben. Und die blutjunge Schwester Gloria zitterte vor Aufregung am ganzen Leibe.
Nur Schwester Lucy Gillmore verlor ihre Ruhe nicht. Sicher und überlegen handelte sie auch jetzt. Jeder Griff saß, kein Zittern der Hand, kein Zeichen von Nervosität.
Nach zehn Minuten atmete der Patient wieder normal. Der Kreislauf hatte den Kollaps ebenfalls überwunden, und das Herz schlug wieder so kräftig wie vorher.
Dr. Ferrenc riss sich den Mundschutz vom Gesicht, zog die Handschuhe herunter und wischte sich mit dem Unterarm über die Stirn. „Mein Gott“, stöhnte er, „das wäre um ein Haar danebengegangen.“
Proud nickte. Und Dr. Hokinson meinte gereizt: „Es muss etwas mit dem Atmungsgerät zu tun gehabt haben. Ich werde das herausfinden. Schwester Lucy, rufen Sie nachher gleich mal den Techniker! Ich will mit diesem Gerät so eine Panne nicht mehr riskieren.“
Dr. Ferrenc sah ihn erstaunt an. „Das Atmungsgerät? “
„Ja, als ich auf die Notflasche umgeschaltet habe, war es mit einem Male gut. Es muss damit zusammenhängen.“ Er warf einen Blick auf das Gesicht des Patienten. „Er wird wach! Schwester Lucy, veranlassen Sie das Weitere!“
2
Eine Stunde lang hatte Steve Ferguson das Atmungsgerät untersucht. Dann war er im Bilde. Der rotschopfige Steve war ein schweigsamer Mensch, nicht deshalb, weil das mit seinem Beruf als Techniker für medizinische Präzisionsgeräte zusammenhing, sondern weil er einen Sprachfehler hatte.
Während seiner Arbeit am Gerät befand er sich allein im OP-Saal. Dann schrieb er seinen Bericht an jenem kleinen Tisch, den sonst Dr. Ferrenc benutzte, um die Operationskladde auszufüllen. Das Formular dazu war vorgedruckt, Steve Ferguson benötigte lediglich eine Schreibunterlage. Er fand sie in Form einer Plastiktafel, die von den Operationsschwestern als Gedächtnisstütze gebraucht wurde. Hier schrieb man vor Operationen die zur Verwendung kommenden Injektionen und andere Dinge mit einem Kreidegriffel auf, ähnlich den Griffeln, die Kinder für ihre Schiefertafeln benutzen.
Diese Plastiktafel legte sich Steve Ferguson unter sein Formular, und dann schrieb er seinen Bericht. Als er damit fertig war, legte er die Tafel wieder aufs Bord, nahm den Bericht und ging zu Dr. Ferrenc in dessen Büro.
Dort empfing in Mary Keil, die Sekretärin des Chefarztes. Mary Keil lächelte spitzbübisch, als sie den schüchternen Steve Ferguson sah. Sie wusste, dass ihn ihr Anblick immer in leichte Verlegenheit versetzte. Auch diesmal schien es so zu sein. Und Mary Keil konnte einen Mann schon in eine gewisse Unruhe bringen. Ihre Gegenwart erinnerte immer ein bisschen an Hollywoods Flimmersternchen. Steve Ferguson fragte sich heute wieder, wie ein so anziehendes Mädchen in die sterile Atmosphäre eines Krankenhauses gelangte. Das einzige Merkmal, das sie in einen Zusammenhang mit einem Krankenhaus brachte, war ihr weißer Kittel. Doch sonst kam sie jedem wie ein Fotomodell vor.
„Na, Mr. Ferguson, ist Ihr Bericht fertig?“, fragte sie mit dunkler, schwingender Stimme. Sie streckte die Hand aus, um ihm den Zettel abzunehmen.
Ferguson zog den Bericht zurück und steckte ihn rasch ein. „Nein, Miss Keil, diesmal kann ich ihn nicht hierlassen. Ist Dr. Ferrenc zu sprechen?“
Sie machte ein erstauntes Gesicht, weil er ihr das Formular nicht geben wollte, und sie schien zu ahnen, dass diesmal etwas nicht in Ordnung war.
„Stimmt was nicht?“, erkundigte sie sich; ihr Lächeln wirkte etwas gezwungen.
„Hmm, das müsste ich Dr. Ferrenc selbst erzählen“, erwiderte Steve Ferguson, und er stolperte vor innerer Erregung ein