Alfred Bekker

Sammelband 7 Krimis: Tuch und Tod und sechs andere Thriller auf 1000 Seiten


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oder angehenden Künstlern gestaltet. Ziemlich verrücktes Zeug haben die draufgepinselt. Aber wenigstens ist es nicht langweilig.

      Ansonsten ist das ein Laden, der eher auf der Nostalgie-Linie liegt. Man verweigert sich dort konsequent jeglicher Modernisierung.“ Sie machte eine Pause und beobachtete Berringer dabei, wie er das Streichholzbriefchen wieder einsteckte. „Darf man erfahren, wozu du das wissen willst?“

      Berringers Antwort war klipp und klar. „Nein.“

      „Till!“

      Der Mann in Kargohose mit den mit Farbflecken und dem dunklen Rollkragenpullover tauchte einen Pinsel in einen Eimer mit roter Farbe und sprenkelte sie auf eine Leinwand im Format zwei Meter mal zwei Meter fünfzig.

      „Till!“, sagte die Frauenstimme zum zweiten Mal.

      Maja Gerath – wie immer ganz in Weiß – stakste wie ein Storch durch das Atelier, bemüht darum, ihre weiße Kleidung nicht zu beschmutzen, was bei der weiten, beinahe über den Boden wischenden Schlaghose gar nicht so einfach war.

      Das Gesicht ihres Bruders Till war zu einer Grimasse verzerrt. Er schien seine Schwester gar nicht zu bemerken. Immer wieder spritzte er rote Farbe auf die Leinwand, die dadurch immer mehr mit Sprenkeln versehen wurde. Den Pinsel benutzte er wie eine Waffe, mit der er gegen einen unsichtbaren Gegner kämpfte.

      „Till, jetzt hör doch mal! Wir müssen dringend reden!“ Till hielt auf einmal inne. Er steckte den Pinsel in den Farbeimer und stellte diesen ziemlich unsanft auf den Boden. Dabei spritzte etwas von der roten Farbe durch den Raum.

      Maja schrie ärgerlich auf. „Jetzt guck mal, was du gemacht hast!“, rief sie und deutete auf einen Spritzer an ihrer Schlaghose.

      Till grinste. „Meine unbefleckte Schwester hat was abgekriegt! Ein Drama!“ Er wies auf einen kleinen Kanister, der am Boden stand. „Da ist Terpentin drin – bitte!“

      „Terpentin! Ich glaub, du spinnst!“

      „Ich bin überzeugt, irgendwann wird ein dummer Esel Klamotten erfinden, an denen Farbe nicht haftet – und dieser dumme Esel wird dann von unserem ehrenwerten Herrn Vater angeheuert werden, sodass es dann neben Avlar Tex und Avlar Sport auch noch Avlar No Coulour gibt!“ Till kicherte. Er drehte sich um und ging zum Tisch, auf dem eine halbvolle Flasche Kognak stand, aus der er einen Schluck nahm.

      „Wir müssen etwas unternehmen, Till! Es ist jetzt fünf vor zwölf! Zu Hause fällt alles auseinander!“

      Till machte eine wegwerfende Geste. „Was sagt denn Andreas dazu?“

      „Ach, der. Du kennst ihn doch.“

      Till musterte sie einen Augenblick lang. „Dir geht’s doch nur ums Geld, Schwesterherz, auch wenn du immer alles Mögliche sonst noch behauptest. Aber das ist der Kern der Sache: Euros!“

      „Für mich brauche ich nichts!“

      „Nein – nur für die kranken Seelen, die sich in dem komischen Gotteskinder-Verein sammeln, die du dir als Ersatzfamilie gesucht hast.“

      „Nun tu mal nicht so scheinheilig, du Künstler - oder was immer du auch sein magst!

      Wenn Mutter dich nicht immer heimlich großzügig unterstützt hätte, würdest du nicht so große Töne spucken, sondern müsstest dir deinen Lebensunterhalt mit richtiger Arbeit verdienen!“

      „Immer gelassen bleiben, Schwesterherz – und nur kein Neid.“ Tills Blick galt wieder dem Gemälde, bei dem er sich wohl noch nicht so recht schlüssig darüber war, ob er es schon als abgeschlossen betrachten sollte oder nicht. „Weißt du, wie ich dieses Bild nenne?“

      „Keine Ahnung.“

      „ Familienbande – Familienschande. Passt doch, findest du nicht?“

      „Ein bisschen einfarbig.“

      „Ich bin in meiner roten Phase, Maja. Rot wie die Liebe, rot wie Blut ...“

      „Rot wie Marmelade.“

      Till verzog das Gesicht. „Sehr witzig. Ich weiß außerdem gar nicht, was du hast. Dich hat Papa doch immer unterstützt. Zumindest bis du dieser seltsamen Vereinigung beigetreten bist und von BWL und anderen weltlichen Dingen nichts mehr wissen wolltest.“

      „Hör auf. Mach dich über diese Dinge nicht lustig.“

      „Gilt in eurem Verein eigentlich auch das Zölibat, oder gehört ihr mehr zu der anderen Sektenfraktion, die ihre Spiritualität in hemmungslosen Orgien auslebt, wie früher dieser Bhagwan?“

      Sie rieb etwas an dem Fleck auf ihrer Hose herum und verschränkte dann die Arme vor der Brust. Wegen der warmen Steppjacke, die sie noch nicht ausgezogen hatte, begann sie zu schwitzen. Aber sie erspähte nirgends ein sauberes Plätzchen, wo sie das Kleidungsstück ohne Bedenken hätte ablegen können; überall lauerten Gefahren durch Farbreste. Wie konnte man so eine Rumpelkammer nur Atelier nennen, dachte Maja. Aber wahrscheinlich war das immer eine Frage des Standpunkts. Der eine nannte es Schrottplatz, für den anderen war es ein Skulpturenpark.

      „Ich soll dich übrigens schön von Mutter grüßen“, sagte Till.

      „Weißt du, wo sie hingezogen ist?“

      „Ja. Sie hat sich gleich bei mir gemeldet, als sie dort unterkam. Sie wohnt im Haus Oberkassel.“

      „Das Hotel?“

      „Ja.“

      „Das ist mal wieder typisch. Bei mir meldet sie sich nicht.“

      „Na, da liegt der Grund doch wohl auf der Hand.“

      „Wieso?“

      „Weil kein Mensch Bock darauf hat, sich erst mal von einem deiner sogenannten Glaubensbrüder die Welt erklären zu lassen, den man am Telefon hat, wenn man eigentlich nur mal kurz mit dir sprechen möchte. Du könntest dir ja auch ein Handy anschaffen, aber wahrscheinlich ist das genauso Sünde wie all die anderen Dinge, die Spaß machen und praktisch sind.“

      „Ich dachte, mit dir könnte man sich ernsthaft unterhalten. Aber das war wohl ein Irrtum.“ Ihr Gesicht war dunkelrot vor Ärger. „Werde ich eben doch mit Andreas reden müssen. Vielleicht ist der ja zugänglicher.“

      „Hörte sich eben aber noch so an, als würdest du auf den pfeifen.“ Till kicherte. „Pass auf, dass du dir von ihm nicht 'ne Versicherung andrehen lässt.“

      „Versteh ich nicht.“

      „Na, das macht er doch, seit Papa ihn rausgeschmissen hat und er seine Kokainsucht in den Griff bekam: Versicherungen verkaufen. Wusstest du das nicht? Irgendwie muss ja jeder überleben, und wenn man sonst keine Begabung hat, außer Zahlen zu addieren und Leute zu bescheißen – da bietet sich so 'n Job doch direkt an, würd ich mal sagen.“ Till machte ein paar Schritte auf Maja zu. „Du hast das wirklich nicht gewusst?“

      „Als wir uns das letzte Mal sahen, hat er mir was von einer Anstellung als Einkäufer irgendeines Kaufhauses erzählt.“

      Till schüttelte grinsend den Kopf. „Wer würde diesem Wrack denn einen Posten mit derart viel Verantwortung geben? Du etwa? Wenn er den Job überhaupt je hatte, dann ist er ihn ganz schnell wieder losgeworden. Übrigens habe ich den Typ mal ein bisschen genauer unter die Lupe genommen, den Papa angeheuert hat, um den Mörder seiner ach so geliebten Pferde zu entlarven.“ Till ging zurück zum Tisch, griff wieder zur Flasche, nahm einen Schluck und behielt sie nun in der Hand.

      Maja war plötzlich wieder sehr viel interessierter, nachdem sie zunächst schon gehen wollte. Eigentlich hatte sie nämlich keine Lust mehr, sich das überhebliche, von gnadenloser Eitelkeit und Selbstüberschätzung geprägte Geschwätz ihres Bruders anzuhören. „Was hast du rausgefunden?“

      „Er heißt Berringer ...“

      „Mir gegenüber hat er sich mit diesen Namen vorgestellt“, sagte sie schnippisch.