die SIG in der Faust.
Schlagartig wurde mir alles klar.
Der zweite Mann!
Er hatte dort unten im Schacht gekauert und abgewartet, was geschehen würde.
Sein Komplize war nicht so schnell wie er gewesen.
Der Mann im Schacht hatte unbedingt verhindern müssen, dass sein Partner lebend in unsere Hände fiel und dann womöglich ausplauderte, was er wusste.
Darum hatte der Kerl mit der Baseball-Kappe sterben müssen.
Ich erreichte den Kellerfensterschacht, sprang hinab.
Das Fenster selbst war eingeschlagen. Ein nahezu lichtloser Raum gähnte dahinter.
Ein NYPD-Officer war mir auf den Fersen.
An seinem verschwitzen Uniform-Hemd waren Name und Rang aufgestickt. Er hieß Brenders.
Ich stieg durch das Fenster, sprang und federte auf dem Boden ab. Ich befand mich in einem Heizungskeller. Die Tür stand einen Spalt offen. Vom Flur her drang etwas Neonlicht herein. Innerhalb einer Sekunde war ich dort, riss die Tür vollends auf und stürzte in den Flur. Kahle Betonwände, an denen die Leitungen offen verlegt worden waren. In regelmäßigen Abständen hingen Neonröhren an der Decke. Eine davon war wohl nicht mehr ganz in Ordnung, sie flackerte.
Zur Linken war eine feuerfeste Stahltür zu sehen. Zur Rechten ging der Flur etwa zehn Meter weiter, bevor eine Biegung kam.
Brenders erreichte mich.
Ich machte ihm ein Zeichen. Er verstand und ging auf die Stahltür zu. Er verursachte so gut wie kein Geräusch, dann drückte er die Türklinke herunter.
Abgeschlossen.
Der Komplize musste in die andere Richtung davongerannt sein.
Ich hoffte, das die NYPD-Kollegen inzwischen den Block abgeriegelt hatten, so dass er nicht ins Freie flüchten konnte.
Der Klang der Sirenen war bis hier unten zu hören.
Ich pirschte mich an die Stelle heran, wo der Kellerflur eine Biegung machte. Brenders war hinter mir, um mir Feuerschutz zu geben.
Ich machte Brenders ein Zeichen. Er nickte. Dann stürzte ich vor, duckte mich dabei und riss den Lauf meiner SIG
empor.
Brenders folgte.
Ein Schuss zischte dicht an meinem Kopf vorbei.
Ich hörte Brenders' Aufschrei.
Mein Zeigefinger krallte sich um den Stecher der SIG, aber ich konnte unmöglich abdrücken.
Vor mir stand ein Mann Mitte fünzig in grauem Kittel und vor Angst weit aufgerissenen Augen. Der Angstschweiß perlte von seiner hohen Stirn. Er musste so eine Art Hausmeister sein. Ein unglaublich kräftiger Bodybuilder-Arm hatte ihn im Schwitzkasten.
Der Kerl, der den Hausmeister wie einen lebenden Schild vor sich hielt, war gut anderthalb Köpfe größer als sein Opfer. Seine Linke hielt einen 45er Magnum. Der Lauf zielte auf mich.
Der Bodybuilder bleckte die Zähne.
Sein blondes Haar war kurz wie englischer Rasen.
"Bleib ja stehen, du Ratte!", zischte er zwischen seinen makellosen Zahnreihen hindurch.
Mir blieb tatsächlich nichts anderes übrig.
Wenn ich eine falsche Bewegung machte, dann brach der Riese seiner Geisel mit bloßen Händen das Genick.
"Sie kommen hier nicht raus!", meinte ich.
Ich wandte den Kopf dabei. Aus den Augenwinkeln heraus sah ich Brenders reglos am Boden liegen.
Kalte Wut stieg in mir auf.
Aber ich konnte nichts tun.
Alle Trümpfe lagen in der Hand meines Gegners.
"Die Waffe auf den Boden!", zischte der Blonde. Er setzte den Lauf des Magnum-Revolvers an den Kopf seiner Geisel, verzog das Gesicht dabei zu einem zynischen Grinsen.
"Mach schon, G-man, oder ich blas dem Kerl hier den Kopf weg!"
Ich beugte mich langsam nieder, um meine SIG vorsichtig auf den Boden zu legen.
"Gut so!", knurrte mein Gegner. Er machte eine ruckartige Bewegung mit dem Lauf des Magnum-Revolvers "Kick das Eisen zu mir rüber!"
Ich gehorchte, gab der SIG einen Stoß mit der Fußspitze, so dass sie über den etwas unebenen Estrich rutschte.
Der Blonde drückte seine Geisel brutal gegen die Wand. Der Lauf des Magnum-Revolvers presste er dem Mann in den Rücken.
Der Blonde beugte sich nieder und hob meine SIG auf. Er steckte sie in den Hosenbund, lachte heiser.
Einen Augenblick lang erwog ich, mich auf ihn zu stürzen. Aber das Risiko für die Geisel war einfach zu groß.
Der Blonde zerrte den Hausmeister wieder wie einen Schutzschild vor sich.
Er grinste mich an.
Sadistische Freude glänzte in seinen Augen.
"Bye, G-man!", höhnte er. Mit provozierender Langsamkeit hob er den Magnum-Revolver.
Ich sah in den blanken Lauf.
Eine Sekunde später leckte das Mündungsfeuer wie eine rote Zunge heraus, als die Waffe loswummerte.
9
Alana Batistuta lag nackt auf einem großen Wasserbett.
Spärliches Licht herrschte in dieser Penthouse-Wohnung, Ecke Cedar Street/Broadway.
Der Schein von Leuchtreklamen auf der gegenüberliegenden Straßenseite drang durch Jalousien und warf Streifenmuster auf Alanas makellose Haut. Die Muster aus Licht zeichneten die aufregenden Formen ihres Körpers wie bei einer Nachtclub-Tänzerin nach.
Alana war noch immer etwas außer Atem von dem wilden Liebesspiel mit Mike Gillinger. Der schlanke Mann mit dem scharf gezeichneten Profil saß in Shorts und T-Shirt am anderen Ende des für New Yorker Verhältnisse geräumigen Ein-Zimmer-Appartments. Das bläuliche Licht eines Computerschirms strahlte ihn an.
Gillingers Augen waren starr.
Er war hoch konzentriert.
Alana lächelte.
So war Gillinger nun einmal und da es im Wesentlichen nur guter Sex und ein paar gemeinsame Interessen waren, die sie beide miteinander verbanden, ärgerte sie sich auch nicht darüber.
Gillinger war Börsenmakler in Wall Street. Seine Wohnung befand sich genau an der Grenze zwischen Lower Manhattan und dem Financial District. Ein eigenes Auto brauchte er nicht.
Alana war sich noch nicht einmal sicher, ob Gillinger überhaupt einen Führerschein hatte.
Der Aktienhandel lief rund um die Uhr, unabhängig davon, ob das Parkett von Wall Street, London oder Tokio gerade geöffnet hatte oder nicht. Kein Wunder also, dass Gillinger ständig online war. Schließlich wollte er keine wichtige Entwicklung verpassen.
Alana erhob sich jetzt vom Bett, streckte sich und ging dann mit katzenhaften Bewegungen auf Gillinger zu.
Seitlich von ihm blieb sie stehen.
Aber im Moment hatte Gillinger kaum einen Blick für die aufregenden Rundungen ihres unverhüllten Körpers.
"Ich will nicht hoffen, dass du in der letzten Stunde irgend etwas Weltbewegendes verpasst hast!", meinte sie spöttisch.
Er wandte den Kopf, sah kurz an ihr hinab und grinste dann.
"Manchmal muss man eben etwas riskieren!", fand er.
"Wem sagst du das!", schnurrte sie, trat näher