zeigte ihm ein Hausmädchen den Weg zu seinem Zimmer. Dieser Flügel des Schlosses war umgebaut worden, es gab überall Strom, und auch Heizkörper waren in die Zimmer eingebaut worden. Das war auch notwendig, denn die Nächte wurden doch empfindlich kalt zwischen den dicken Mauern.
Das Zimmer für Damian war üppig eingerichtet mit alten Möbeln, einem teuren Teppich und einem riesigen Bett. Er hatte von hier aus dem ersten Stock eine prachtvolle Aussicht auf die Parkanlagen, die vermutlich von einer ganzen Heerschar an Gärtnern instand gehalten wurden. Alles hier in und um Castle Ferristeen atmete Wohlstand.
Damian stammte zwar auch aus wohlhabenden Verhältnissen, doch das hier sprengte auch seine Vorstellungen. Er war froh darüber, dass Vivian offensichtlich keinen großen Wert auf Pomp und Luxus legte.
Es klopfte, Vivian kam herein.
„Ihr Vater ist beeindruckend“, stellte er fest.
„Und meine Schwester ist ein Biest“, fügte sie hinzu. „Danke, dass Sie das nicht auch in Worte gefasst haben.“
„Sie ist zumindest – anders.“
„Damian, das ist eine sehr höfliche Umschreibung.“ Vivian lächelte traurig. „Wollen Sie sich noch etwas frisch machen? Hier wird pünktlich gegessen.“
„Und – wieviel Zeit haben wir bis dahin noch?“, erkundigte er sich harmlos.
„Etwa eine halbe Stunde. Warum?“
Wortlos zog Damian sie an sich, und sie wehrte ihn nicht ab.
„Weil ich mir vor dem Essen etwas Appetit holen möchte“, flüsterte er rauh. Sein Kopf näherte sich dem ihren, und wie von selbst fanden sich ihre Lippen zu einem Kuss.
„Das wollte ich vom ersten Augenblick an tun“, murmelte Damian und vergrub sein Gesicht in ihrem duftenden Haar.
„Ich auch.“
Die beiden standen noch eine Weile eng umschlungen, bis ein laut hallender Gong zur Mahlzeit rief.
4
Die beiden Männer mochten sich vom ersten Augenblick an nicht. Jeffrey Carpenter, der Freund von Candarel, war ein aufgeblasener Snob in viel zu teurer, geschmackloser Kleidung, einem mehr als lässigen Benehmen und schlechten Manieren. Candarel himmelte ihn auf der einen Seite an, schien sich aber auch gleichzeitig etwas für ihn zu schämen. Jeffrey behandelte das Personal, das beim Essen auftrug, als handelte es sich um Sklaven, wusste die ausgesuchten Speisen und den guten Wein absolut nicht zu würdigen – und hatte im Übrigen kein anderes Gesprächsthema als sich selbst und seine hochfliegenden Pläne.
Damian fand es schon nach weniger als fünf Minuten ermüdend, ihm zuzuhören und schaltete geistig ab. Er war höflich genug, um nicht mit scharfen oder deutlichen Worten sein Missfallen über das ungehörige Benehmen des Mannes auszudrücken. Doch wahrscheinlich hätte selbst das Jeffrey Carpenter nicht gebremst.
Mit Vergnügen sah Damian, dass Vivian ebenfalls zu diesem kleinen Trick Zuflucht ergriffen hatte, sie schaute mit einem etwas leeren Blick in die Runde und ließ das Gerede des Mannes an sich vorüberziehen.
Lord Kenneth stocherte ein wenig lustlos auf seinem Teller herum und schien mit seinen Gedanken ebenfalls sehr weit entfernt zu sein.
„Dad, redest du nicht mit uns?“, fragte Candarel scharf.
Der Kopf Seiner Lordschaft ruckte hoch. „Doch, natürlich, mein Kind. Entschuldige, ich war mit meinen Gedanken etwas abgelenkt. Was hattest du gesagt?“ In der Stimme des älteren Mannes klang eine unnatürliche Ruhe mit, und Vivian hob alarmiert den Kopf. Da stimmte doch etwas nicht mit ihrem Vater. Doch sie schwieg hier bei Tisch, sie würde ihn später darauf ansprechen.
„Jeffrey wollte wissen, ob du dich nicht auch an seinem großen Geschäft beteiligen möchtest. Es geht um eine Filmproduktion, stell dir nur vor, wie aufregend das ist. Weißt du, Jeffrey hat da eine alte Geschichte ausgegraben – na ja, nicht Jeffrey selbst. Es geht da jedenfalls um einen wahnsinnig teuren, unglaublichen Diamanten von angeblich hundert Karat, der spurlos verschwunden ist, nachdem er mit einem Fluch belegt wurde.“ Sie sprach weiter, ohne zu bemerken, dass ihr Vater plötzlich leichenblass geworden war. Seine Stimme klang schroff, als er seine Tochter jetzt unterbrach.
„Ich werde ganz sicher kein gutes Geld in eine solch waghalsige Produktion stecken. Tut mir leid, dieses Thema sehe ich als abgeschlossen an.“ Das klang endgültig und sehr abweisend, der Lord machte nicht einmal Anstalten höflich weiter zuzuhören.
„Aber Dad ...“ Candarel verstummte unter dem Blick ihres Vaters. Doch sie würde so schnell nicht aufgeben, die junge Frau wollte eine weitere Gelegenheit suchen, um das Thema erneut anzuschneiden.
Lord Kenneth betrachtete jetzt Vivian und Damian, die nebeneinander saßen und sich von Zeit zu Zeit Blicke zuwarfen, die er in dieser Form bei ihrer Ankunft noch nicht bemerkt hatte. Sollte sich seine Lieblingstochter, die sonst vor lauter Vernunft keine Gefühle zulassen wollte, doch endlich für einen Mann entschieden haben? Nun, mit Damian Amberwood als Schwiegersohn würde er leben können, der junge Mann machte einen sehr vernünftigen Eindruck. Und der Lord konnte sich auf seine Menschenkenntnis verlassen, sie hatte ihn noch nie getrogen. Vielleicht besaß auch Vivian etwas davon, so dass sie eben so lange darauf gewartet hatte, bis ihr der richtige Mann begegnete. Seine Menschenkenntnis sagte ihm jetzt jedenfalls, dass er Jeffrey Carpenter besser misstrauen sollte, während Damian unbedingt vertrauenswürdig war.
Das war der springende Punkt. Seine Lordschaft brauchte dringend jemanden, mit dem er ein vertrauliches Gespräch führen konnte – und es war besser, wenn es nicht eine seiner Töchter war. Denn dieser Mensch musste vielleicht sogar in der Lage sein, ihm einen Rat zu geben.
Jetzt berührte Vivian verstohlen die Hand von Damian. Na, das ging ja schnell. Aber Lord Kenneth war glücklich darüber, dass es bei seiner Tochter doch endlich eingeschlagen hatte. Das würde es ihm vielleicht etwas einfacher machen.
Damian erkundigte sich bei Jeffrey, wie denn die Produktion des Filmes überhaupt geplant war. Es war eigentlich nicht mehr als eine höfliche Frage, um auch etwas zum Gespräch bei Tisch beizutragen.
„Nun, wir haben die Geschichte und jemanden, der entsprechend dazu ein Drehbuch schreiben will. Nun werden wir die Schauspieler aussuchen ...“
„Entschuldigen Sie, aber dieses Vorgehen scheint mir doch etwas dilettantisch, finden Sie nicht?“, unterbrach der Psychologe kühl und spöttisch. „Haben Sie denn keine Produktionsfirma damit beauftragt, schon im Vorfeld Drehort, voraussichtliche Kosten und auch eine Marktanalyse zu erstellen? Vielleicht ist es gerade der falsche Zeitpunkt ...“
„Woher wollen Sie eigentlich wissen, wie ein Film gedreht wird?“, fuhr Carpenter jetzt Damian an.
Der blieb ruhig und sachlich. „Ich war bereits als Berater dafür tätig“, versetzte er trocken.
„Ach, komm, Jeffrey, ich glaube, dieses Gespräch wird zu dumm. Du musst dich nicht mit Leuten abgeben, die glauben, alles besser zu wissen“, mischte sich Candarel ein. „Vivian, es ist bedauerlich, dass du jemanden mitbringen musstest, der anderen Leuten ihre Arbeit erklären will. Du solltest dir deine Bekannten vielleicht doch sorgfältiger aussuchen.“
Diese spitze Bemerkung veranlasste Vivian zu einem spöttischen