Die Höhle war äußerst niedrig, und auf den Steinen befand sich Feuchtigkeit.
Sie kramte in ihren Taschen. Auch Maggie hatte noch Streichhölzer und eine Kerze, und mit zitternden, klammen Fingern steckte sie das Licht an. Mit klappernden Zähnen erkundete sie ihre Umgebung und musste gleich darauf feststellen, dass es keinen Ausgang gab. Sinclair hatte sie auf irgendeine Art in diese Höhle gebracht. Wahrscheinlich befand sich der einzige Ein- oder Ausgang unterhalb der Meereshöhe. Jetzt jedoch herrschte Flut, und das Wasser stieg immer noch weiter. Das war vermutlich auch der Grund, warum die Steine hier drin feucht waren. Entweder spritzte das Wasser bis hierher oder überflutete sie sogar. Das wäre dann allerdings fatal. Wie sollte sie dann überhaupt noch hier herauskommen? So lange konnte sie nicht schwimmen wie die Flut dauerte.
Ihre letzte Hoffnung richtete sich auf die Öffnung über ihr, wodurch das Licht hereinschien. Doch dorthin würde sie es nicht schaffen. Es war zu weit weg, und außerdem war die Öffnung zu klein.
Maggie fror nun immer mehr. Ihre Zähne klapperten ein wildes Stakkato, und ihre Hände zitterten so sehr, dass sie die Kerze nicht mehr halten konnte. Das kleine Bisschen Wärme, das von der Flamme ausging, brachte keine Erleichterung.
Maggie pustete die Kerze auf, hockte sich auf eine einigermaßen trockene Stelle und begann zu warten.
30
Als Felton erfuhr, was der Brand alles angerichtet hatte, zeigte sich echter Schmerz auf seinem Gesicht.
In Kurzfassung erzählte er dann von seinem Streit mit Sinclair und berichtete auch die Ursache.
„Dies alles hier“, er machte ein umfassende Handbewegung, „ist im Moment nebensächlich.“
Kevin grinste plötzlich.
„Habe ich irgendetwas übersehen, das lächerlich sein könnte?“, fragte George irritiert.
Der Tierarzt legte ihm die Hand auf die Schulter. „Wir alle haben etwas übersehen“, erklärte er geheimnisvoll. Dann führt er den Gutsherrn zu dem offenen Regal.
„Alle dieser Regale, oder vielleicht auch nur einige, bestehen aus Gold, George, dem Gold, welches wir gesucht haben. Die Schachfiguren waren nichts weiter als ein wunderbares Ablenkungsmanöver. Und wir sind auch gehörig darauf hereingefallen.“
Auch George Felton griff sich an den Kopf. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Doch dann wurde seine Miene wieder grimmig.
„Und wenn das ganze Haus aus Gold bestünde, wäre es mir im Augenblick egal. Wir müssen Maggie finden.“
„Und Sinclair“, ergänzte Kevin.
„Und Sinclair“, bestätigte Felton grimmig.
„Ich denke, meine Herren, das sollten Sie doch besser der Polizei überlassen“, mischte sich Inspektor Glenbright ein.
Die beiden Männer starrten hin an, als habe er vorgeschlagen, jetzt eine Kaffeepause zu machen.
„Sie schlagen doch nicht allen Ernstes vor, jetzt abzuwarten, bis Sie Verstärkung geholt haben?“, erkundigte sich Kevin wütend.
„Sie dürfen sich allerdings gerne an der Suche beteiligen“, bot George großzügig an.
Er hatte nach seiner Rückkehr wie ein Verdurstender getrunken und ein Stück Brot in den Mund geschoben, während Kevin seine blutigen Hände notdürftig verarztete.
„Ich werde auf jeden Fall Verstärkung anfordern“, erklärte der Inspektor und verließ den Raum.
Kevin und George starrten sich einen Augenblick an. Die Sorge um die Frau vereinte die beiden Männer. Felton lächelte plötzlich schmerzlich.
„Sie lieben Maggie, ja?“, fragte er leise.
Kevin nickte.
„Und sie...?“
Die Frage hing in der Luft, und Kevin nickte wieder.
Felton fasste sich überraschend schnell, er war ein guter Verlierer. „Möchten Sie hier auf Clarion Manors heiraten, wenn alles wieder aufgebaut ist?“, bot er an und war fast erstaunt über die eigene Großzügigkeit.
Kevin drückte ihm stumm die Hand. Zwischen diesen beiden Männern schien es keine Rivalitäten und Missverständnisse mehr zu geben. Der Inspektor kam wieder herein und spürte, dass irgendetwas geschehen war. Doch es schien nicht so, als habe das etwas mit seinem Fall zu tun, und so stellte er weiter keine Fragen.
Da die drei Männer keinen Anhaltspunkt hatten, wo sie überhaupt suchen sollten, nahem sie Taschenlampen und gingen den Weg entlang, den Felton gekommen war. Es schien nur logisch, dass Sinclair sich unten im Labyrinth etwas auskannte, sonst hätte er seinen Halbbruder nicht dorthin gebracht. Vielleicht war auch Maggie hier unten.
Kevin, der vorneweg ging, hielt plötzlich inne. Von irgendwoher hörte er Schritte. Dann setzte er sich wieder in Bewegung, schritt aber diesmal rascher aus und fing plötzlich an zu rennen, so dass die anderen beiden gar nicht mehr nachkamen.
„Sinclair!“, brüllte er und lief weiter auf die Schritte zu, die unversehens auch ein schnelleres Tempo anschlugen. „Bleiben Sie stehen. Sagen Sie mir, wo Maggie ist!“
Doch Sinclair machte keine Anstalten anzuhalten, er lief weiter.
Kevin erkannte im Licht der Taschenlampe, dass der Weg sie hinaus zur Bucht führte. Dort würde er den Mann kriegen, da war er sicher. Der Tierarzt war rund zehn Jahre jünger als der Stallmeister, aber der mochte um einiges kräftiger sein. Doch die Wut und Sorge um Maggie verliehen dem Tierarzt ungeahnte Kräfte.
Als Sinclair das Tageslicht erreichte, war Kevin schon dicht hinter ihm. Doch noch gab der Stallmeister nicht auf.
„Sie werden sie nicht finden“, kicherte er und begann auf die Felsen hinaufzuklettern.
Nun erst kamen Felton und der Inspektor.
„Halten Sie ihn fest!“, brüllte der Polizeibeamte.
Doch Kevin hatte mehr vor als den Mann nur festzuhalten. Er erwischte Sinclair am Hemdsärmel, und beide kamen gleichzeitig oben an, und der Arzt holte zu einem wuchtigen Kinnhaken aus, der Sinclair jedoch nicht voll traf. Gleich darauf waren beide Männer in eine wüste Prügelei verwickelt. Kevin war vor Angst und Wut kaum noch zu bremsen. Aber der andere hielt tapfer mit, er schien mittlerweile dem Wahnsinn nahe.
Schließlich fasste Kevin den Mann mit beiden Händen beim Kragen und hielt ihn vor sich.
„Sagen Sie mir endlich, wo Maggie ist“, brüllte er ihn an.
Aber Sinclair antwortete nicht. Er schlug die Hände des Tierarztes beiseite und ging einen Schritt zurück. Einen Schritt zu viel, denn direkt hinter ihm war der Abgrund. Mit einem entsetzlichen Schrei stürzte er hinab und prallte schwer unten auf den Sandboden auf.
Felton war mit wenigen Schritten bei ihm. Sein Stallmeister lebte noch, aber der Gutsherr sah mit einem Blick, dass es nicht mehr lange so bleiben würde.
„Michael! - Michael“, sagte er sanft.
Sinclair schlug die Augen auf. Zwischen den beiden Männern herrschte plötzlich Verstehen.
„Wo ist die Frau?“,