A. F. Morland

Wahre Wunder geschehen manchmal: Arztroman Sammelband 4 Romane


Скачать книгу

ich mit meinem schwersten Geschütz aufgefahren war“, knurrte ihr Mann.

      „Wir sollten in seiner Gegenwart um des Familienfriedens willen kein weiteres Wort mehr darüber verlieren.“

      Der Fabrikant betrachtete seine schmalen Hände. „Ob aus Matthias noch mal ein wertvoller Mensch wird? Ich kann es mir kaum vorstellen.“

      „Er ist ein Wylander.“

      „Er benimmt sich aber nicht so. Was haben wir falsch gemacht, Bibiane? Wo haben wir mit unserer Erziehung versagt?“

      „Wir haben nicht versagt, Jan. Matthias ist noch jung. Wenn wir ihm weiterhin mit gutem Beispiel vorangehen, wird er eines Tages so sein wie du.“

      „Das bezweifle ich.“

      „Lass ihm Zeit, Jan. Sei nicht ungeduldig.“

      „Zeit.“ Er senkte den Blick. „Ich bin neunundvierzig.“

      „Du bist ein Mann in den besten Jahren.“

      „Wieviel Zeit bleibt einem Mann in den besten Jahren noch nach seinem ersten Herzinfarkt?“, fragte Jan Wylander nüchtern.

      „Du hast diese Krankheit überwunden.“

      „Machen wir uns doch nichts vor, Bibiane. Mein Herz kann jederzeit wieder streiken.“

      „Wenn du dich einer Herzgruppe anschließt ...“

      Er nahm ihre Hände und sah ihr in die Augen. „Du darfst dir davon um Himmels willen keine Wunder erwarten.“

      „Wenn du regelmäßig dein Ausdauertraining absolvierst ...“

      „Hast du Angst davor, der Realität ins Auge zu sehen, Liebes? Ich nicht. Wir müssen unser Schicksal nehmen, wie es kommt, ohne Wenn und Aber.“

      Sie umarmte und küsste ihn. „Wir werden zusammen alt, Jan, sehr alt. Ich weiß es.“

      13

      Am Abend dieses Tages kam Dana Härtling mit heißen Ohren, leuchtenden Augen und glühenden Wangen nach Hause.

      „He“, grinste ihr Zwillingsbruder Ben, „was ist dir denn Wunderbares widerfahren?“

      Dana küsste ihre Mutter und ihren Vater, sagte zu Josee und Tom „Hi!“, und ließ sich schwungvoll aufs Sofa fallen. Sören Härtling ließ seine Zeitung sinken. Alle schauten Dana erwartungsvoll an. Niemand konnte sich erklären, weshalb sie so strahlte. Es war schließlich ein ganz gewöhnlicher Wochentag.

      Dana fuhr sich mit gespreizten Fingern von unten nach oben durchs Haar. „Ich bin ein Glückspilz!“, verkündete sie.

      „Ach“, sagte Ben neugierig. „Und wieso?“

      „Ich war bei Carmen Walewski.“

      „Was für ein Glück“, spottete Ben. Er kannte Carmen. Sie war eine Schulfreundin von Dana, und Ben konnte sie nicht leiden. Sie hatte etwas an sich, das ihn ständig zum Widerspruch reizte.

      Dana blickte mit funkelnden Augen in die Runde. „Wisst ihr, wer Carmens Onkel ist?“

      „Nein“, antwortete Ben für die ganze Familie. „Aber du wirst es uns gleich sagen.“

      „Perry Walewski“, verriet Dana den Namen des Onkels.

      „Ist ja hochinteressant“, sagte Ben ätzend.

      „Wer ist Perry Walewski?“, fragte Tom unbekümmert.

      Dana sah ihn entgeistert an. „Du weißt nicht, wer Perry Walewski ist?“

      „Ich nicht, und Josee nicht, und Ben nicht, und Mutti nicht, und Vati nicht“, grinste Tom. Er warf seinen Eltern einen fragenden Blick zu. „Oder kennt ihr den Mann?“

      „Perry Walewski“, sagte Sören Härtling. „Ist das nicht der berühmte russische Geigenspieler?“

      „Oder der berühmte polnische Dompteur?“, fragte Tom neckend.

      „Fotograf ist er“, klärte Dana die Familie auf. „Ein ganz berühmter Fotograf.“

      „Nun, gar so berühmt kann er nicht sein, wenn wir ihn nicht kennen“, schmunzelte Jana Härtling.

      „Hat schon mal ein größerer Kreis seine Bilder zu sehen bekommen?“, fragte Sören Härtling skeptisch.

      „Klar“, nickte Dana.

      Ben schnippte mit den Fingern. „Er macht Fotos von nackten jungen Mädchen, was?“ Er tippte sich an die Stirn. „Jetzt weiß ich auch, wieso du dich für einen Glückspilz hältst: Er hat gesagt, dass er dich fotografieren möchte. Wie alt ist der Lustmolch, he?“ Er ballte die Hände zu Fäusten. „Ich werde zu ihm gehen und ihm die Vorderzähne lockern. Niemand macht meiner Zwillingsschwester ungestraft so ein unseriöses Angebot.“

      Dana sah ihn ärgerlich an. „Bist du fertig?“

      „Hier schon“, antwortete Ben. „Aber mit diesem Schmutzfink noch nicht.“

      „Dieser ‘Schmutzfink’ hat schon ein paar Auszeichnungen bekommen“, erklärte Dana leidenschaftlich.

      „Wofür denn?“, fragte ihr Zwillingsbruder verächtlich.

      „Für seine Bilder.“

      Ben machte ein angewidertes Gesicht. „Schöne Bilder.“

      „Jawohl, schöne Bilder.“

      „Von nackten Mädchen.“ Ben spuckte es förmlich heraus.

      „Ja, auch von nackten Mädchen“, gab Dana unumwunden zu.

      „Na also.“

      „Von nackten Indio-Mädchen“, sagte Dana.

      „Ach, so einer ist das“, sagte Ben. „Perry Walewski, Carmens Onkel, bereist seit Jahren den südamerikanischen Urwald und fotografiert die Menschen, die dort leben“, erklärte Dana spitz. „Er

      hat bereits drei hochinteressante Bildbände herausgebracht und wird demnächst zu einer weiteren Fotoexpedition nach Südamerika aufbrechen.“

      „Und wieso bist du da ein Glückspilz?“, wollte Sören Härtling wissen.

      „Herr Walewski sucht eine Assistentin“, sagte Dana.

      „Und?“, fragte Dr. Härtling alarmiert. „Ich habe ihm meine Dienste angeboten.“

      „Und?“

      „Er wäre bereit, mich mitzunehmen.“

      „Das ist nicht dein Ernst“, murmelte Jana Härtling mit belegter Stimme.

      „Doch“, erwiderte Dana enthusiastisch. „Das ist eine einmalige Gelegenheit. So eine Chance bekommt man nie wieder.“

      „Wie lange möchte Herr Walewski im Dschungel bleiben?“, erkundigte sich Jana Härtling, sich mühsam zur Ruhe zwingend.

      „Ein Jahr.“

      „Du gehst noch zur Schule“, wandte die Mutter ein.

      „Das