... sie hat mir befohlen, den Wagen zu waschen ... In meinem Zustand!“ Er wischte sich wieder verzweifelt über die Augen. „Ich war verrückt vor Hass, Mr. Calder. Ich wusste nicht mehr, was ich tat. Ich wollte endlich Ruhe haben, ich wollte das nicht mehr länger mitmachen, wollte nicht vor die Hunde gehen. Ich nahm den Wagenheber ...“ James hob den Wagenheber und zeigte ihn mir, als ob ich ihn bis jetzt noch nicht gesehen hätte. „Ich nahm den Wagenheber und wollte sie erschlagen, Mr. Calder.“ Er nickte gedankenverloren. „Ich glaube, ich hätte es getan. Ich hatte den Verstand verloren. Sie behandelte mich wie einen Sklaven. Immer! Ich war mit meinen Nerven am Ende. Ich wollte es tun. Aber ich habe es nicht getan. Gott ist mein Zeuge, Mr. Calder! Ich habe es wirklich nicht getan. Ich wollte sie erschlagen. Sie ist aber nicht erschlagen worden. Sie ist ... sie ist ... Sie ...“
Ich zerrte ihn hoch, nahm ihm den Wagenheber aus der Faust und ließ das schwere Ding zu Boden klappern.
„James! Reißen Sie sich zusammen! Was ist nun wirklich passiert?“, schrie ich.
„Sie wollte ein Bad nehmen“, sagte James. Kalter Schweiß brach aus seinen Poren. „Ich sollte inzwischen den Wagen waschen. Ich nahm den Wagenheber ... Ich ging nach oben, betrat das Schlafzimmer, sie war nicht mehr da ... War nicht mehr da, Mr. Calder! Ich lief ins Bad. Da war sie auch nicht — dachte ich zuerst ... Dann sah ich das Radio ...!“ James blickte starr auf den Boden während er sprach. Vor ihm lief ein grauenvoller Film ab. Ich konnte ihn nicht sehen, deshalb erzählte er mir, was passierte. „Das Radio lag in der Wanne. Ich riss das Kabel aus der Steckdose, fegte den Badeschaum zur Seite ... Da lag sie in der Wanne! Sie ... sie sieht schrecklich aus, Mr. Calder. Ihre Augen sind weit aufgerissen. Sie hat keine Zähne im Mund. Ihr runzeliges Gesicht drückt panisches Entsetzen aus.“
„Sie kann das Opfer eines bedauerlichen Unfalls geworden sein“, sagte ich.
James schüttelte den Kopf.
„Unmöglich. Von da, wo das Radio normalerweise stand, konnte es auf keinen Fall in die Wanne fallen. Ich sage Ihnen, jemand hat das Radio in die Wanne geworfen!“
„Haben Sie auf Ihrem Weg nach oben jemand gesehen?“, fragte ich.
Er verneinte.
„Trotzdem weiß ich, dass sie ermordet wurde. Ich hab’s aber nicht getan, Mr. Calder.“
„Schon gut“, sagte ich beschwichtigend und klopfte ihm auf die Schulter. „Beruhigen Sie sich wieder! — Bringen Sie mich zu ihr!“
Er sträubte sich und stellte die Haare auf. Mit geweiteten Augen stöhnte er: „Aber ins Bad gehe ich nicht ’rein, Mr. Calder.“
„Okay.“
„Ich könnte diesen grauenvollen Anblick kein zweites Mal vertragen.“
„Als Sie hinaufgingen, um sie zu erschlagen, waren Sie aber nicht so zimperlich“, scherzte ich ihn ärgerlich an. Sein Entsetzen ging mir allmählich auf den Hammer.
„Ich war verrückt. Ich war vollkommen verrückt.“
„Kein Mensch ist vollkommen“, stutzte ich ihn zurecht.
Dann betraten wir das Haus. Die Halle war hoch. Die Bilder an den Wänden waren ehrwürdig — wie es sich geziemte, stellten sie irgendwelche Ahnen dar.
Wir trabten über die teppichbelegten Stufen nach oben. Er führte mich zum Schlafzimmer der Toten, ging sogar noch mit ins Schlafgemach, bockte aber dann wie ein störrischer Esel und machte keinen einzigen Schritt weiter.
Ich gebe zu, nach dem, was mir James erzählt hatte, war mir auch nicht ganz richtig in der Magengegend.
Ich betrat das Bad. Der Schaum in der Wanne hatte sich inzwischen gesetzt, war nicht mehr vorhanden. Ich näherte mich mit Herzklopfen der Wanne und tat einen scheuen Blick hinein. Mrs. Mary Scott starrte mich furchterregend an.
Es war wirklich so, wie James erzählt hatte. Ihre Augen waren weit aufgerissen, das bläuliche Haar lag um das runzelige Gesicht, der zahnlose Mund war wie zum letzten Schrei geöffnet.
Ich wandte mich um und verließ das Bad.
James stand im Schlafzimmer und weinte leise. Die Tränen rollten über seine fahlen Wangen. Er blickte mich verzweifelt an. Vielleicht hatte er es wirklich nicht getan. Auf jeden Fall aber fühlte er sich am Tod dieser alten Frau mitschuldig. Er hatte ihren Tod gewollt. Sie war nun tot. Für ihn war es fast so, als hätte er sie wirklich umgebracht.
Ich fragte ihn, wo ich mal telefonieren könnte. Er führte mich in einen anderen Raum, blieb bei mir, als ich die Polizei anrief — schien damit völlig einverstanden zu sein ...
14
Während der beiden nächsten Tage rumorte es in Chicago gewaltig.
Ich meine nicht das Gewitter, das auf unsere Stadt niederging. Es war gut, dass es wieder einmal so richtig regnete. Wir wären ohnedies fast schon im Staub erstickt. Ich meine ein anderes Gewitter.
Inzwischen wussten wir von zwanzig Leuten, die die gleichen Erpresserbriefe erhalten hatten wie Akim Kelly und Mary Scott.
Selbstverständlich hatte der Tod dieser beiden Menschen nicht geheimgehalten werden können. Es war auch durchgesickert, weshalb sie gestorben waren. Ein cleverer Presseheini findet immer eine Stelle, die er anzapfen kann.
Susan und ich vermuteten, dass es noch einige Erpresserbriefe mehr gab als bloß diese zwanzig. Wir waren fast sicher, dass es Leute gab, die einen solchen Brief zwar erhalten hatten, dies aber aus Angst vor einem Schicksal, wie es Mary Scott und Akim Kelly erleiden mussten, geheimhielten.
Wie immer machten die Zeitungen aus dem ohnehin schon beängstigend großen Floh einen schrecklichen Elefanten. Sie bauschten die beiden Morde fürchterlich auf. Die reichen Leute von Chicago schliefen nachts nur noch mit einem geschlossenen Auge.
Rundfunk und Fernsehen heizten den Fall ebenfalls mächtig an. Das Feuer loderte an allen Ecken und Enden. Wohin man griff, verbrannte man sich gehörig die Finger.
Die City Police arbeitete fieberhaft.
Der Chauffeur James wurde immer wieder unter die Lampen geholt. Sie röntgten ihn, nahmen ihn buchstäblich auseinander, um zu sehen, wie er innen aussah. Sie quälten ihn mit ihren Fragen. Er erlitt abermals einen Herzanfall, musste ins Spital gebracht werden. Da lag er nun, und die Polizisten warteten darauf, bis der Arzt ihnen mit einem Kopfnicken anzeigte, dass sie sich wieder auf ihn stürzen durften.
Auch der FBI hatte sich eingeschaltet. Ganz Chicago war ein Bienenstock, an den ein unbekannter Pyromane Feuer gelegt hatte. Aufrufe ergingen an die Bevölkerung. Razzien wurden durchgeführt, Leute wurden pausenlos verhört, vorwiegend natürlich jene Passagiere, die sich in dem Flugzeug befunden hatten, in dem Akim Kelly das Zeitliche gesegnet hatte.
Nun erfuhr auch Susan, um was für ein Flugzeug es sich hierbei gehandelt hatte.
Mehr brauchte ich gar nicht zu meinem Glück. Ich bekam Sachen von meiner Partnerin zu hören, die vom Sittenstrolch abwärts gingen.
Doch das ganze irre Treiben brachte nichts ein. Kein Aufruf nützte, kein Verhör brachte etwas ans Tageslicht. Vorläufig blieb es bei diesen beiden Morden. Der Erpresser meldete sich nicht wieder. Er verhielt sich aus begreiflichen Gründen ruhig.
Wenn