Mann in der DC3, der Arzt ist: Dr. Wendell Mann! Wenn der nun auch noch in Boston beim Ärztekongress war ...?“
Susans Augen begannen Feuer zu fangen. Wenige Augenblicke später glühten sie vor Eifer.
„Ich glaube, das ist immerhin ein Gedanke, den man nicht unbeachtet lassen darf, Biff.“
Der Meinung war ich selbstverständlich auch. Mein Kopfnicken war dementsprechend heftig.
„Ich schlage vor, wir suchen unseren Freund jetzt gleich auf und stellen ihm ein paar hochnotpeinliche Fragen.“
Da Susan nichts dagegen hatte, wurde mein Vorschlag in die Tat umgesetzt, sobald meine Partnerin ihren Hausanzug mit einem schicken Straßenkleid vertauscht hatte.
17
Die Unordnung war schon keine Unordnung mehr — sie war schon ein Chaos. Ein perfektes Chaos.
Pino Calva und seine Männer hatten ihre eigene Methode, eine Haussuchung durchzuführen. Gründlicher konnte kein Polizist sein. Sie hatten sämtliche Schränke und Kommoden durchwühlt und deren Inhalt auf den Boden geworfen. Sie hatten die Küche genauso durchstöbert wie das Schlafzimmer und die Toilette. Nun saßen sie inmitten von ihrem Chaos und waren stolz auf ihr Werk.
Dass dabei zwei teure Vasen zu Bruch gegangen waren, dass die Bilder schief hingen und die Vorhänge wohl kaum wieder in ihren Urzustand zu bringen waren, kümmerte sie nicht im Geringsten. Für Calva und seine beiden Kammerjäger zählte nur eines: der Erfolg.
Und den hatten sie mit ihrer Haussuchung gehabt. Deshalb auch das erschreckende Grinsen auf ihren furchteinflößenden Gesichtern.
Auf dem von ihnen verschont gebliebenen Couchtisch hatten sie eine Menge Briefe aufgestapelt. Genau solche Briefe, wie sie zumindest zwanzig Leute in Chicago erhalten hatten.
Erpresserbriefe!
Sie hatten sie bei Dr. Wendell Mann gefunden. In einem seiner Schränke. Das hatte ihren Eifer selbstverständlich beflügelt. Sie hatten weitergesucht, und nun stand neben dem Briefstapel der zum Stempel gehörige Stempelkasten, der Stempel selbst sowie das Stempelkissen. Außerdem lag noch eine Liste der Namen auf dem Tisch, die alle einen solchen Brief erhalten hatten.
Das Beweismaterial war erdrückend. Dr. Wendell Mann war hiermit überführt.
Pino Calva kniff die Augen zu kleinen Sehschlitzen zusammen. Sein Gesicht war mit einem Schlage verbittert.
„Du Schwein hast meinen Bruder umgebracht!“, knurrte der Gangsterboss ganz hinten in der Kehle.
Mit demselben Schlage war das Grinsen aus Eddie Harveys und Ernie Walkers Gesicht verschwunden. Sie versuchten nun die Miene ihres Chefs zu kopieren. Es gelang ihnen verblüffend gut. Dr. Mann musste das Gefühl haben, dass sein Tod nun unmittelbar bevorstand.
„Das wirst du mir büßen“, fauchte Pino Calva wütend. Er dachte an die Leute, die er mit seinen beiden Buhmännern zuvor besucht hatte. Er hatte ihnen alle Saures gegeben, doch dies war so gut wie gar nichts gegen das, was Dr. Wendell Mann von ihm zu erwarten hatte. Mann hatte seinen Bruder ermordet. Wie sehr hatte Calva diesen Augenblick herbeigesehnt. Nun war er da.
„Fasst ihn!“, sagte er zu seinen Männern wie zu zwei scharfen Hunden.
Eddie und Ernie spritzten gleichzeitig hoch. Sie hatten bereits auf dieses Kommando gewartet. Nun stürmten sie wirbelwindartig durch den Raum und auf Dr. Mann zu.
Doch der Arzt vermochte blitzschnell zu reagieren. Noch bevor die Gangster ihn erfassen konnten, schnellte er zurück und donnerte die Tür zu. Dann wirbelte er herum und hetzte aus der Wohnung. Die Killer keuchten mit einem nicht ungefährlichen Abstand hinter ihm her.
Dr. Mann sauste wie ein Blitz aus dem Haus. Er rannte zu seinem Wagen, beeilte sich fiebernd, das Schloss an der Tür aufzusperren, fegte den Wagenschlag zur Seite und jumpte in das Fahrzeug.
Nun hatten Pino Calvas Sensenmänner ebenfalls die Straße erreicht. Sie sahen Dr. Mann in seinen Wagen springen und rissen augenblicklich ihre Kanonen heraus. Ohne zu zögern, feuerten sie hinter dem losbrausenden Wagen her. Doch keine der Kugeln vermochte den Fliehenden zu stoppen. Sie zerschlugen zwar das Heckfenster und klatschten mehrfach in das Blech des Kofferraumdeckels, doch Dr. Mann war damit nicht zu bremsen.
Inzwischen kam auch Pino Calva schnaubend aus dem Haus gesaust. Er glaubte nicht recht zu sehen, als er Dr. Mann ungehindert die Straße entlangfegen sah.
„Ihr verdammten Idioten!“, schrie er seine beiden Gorillas an. Dann jagte er zu seinem Wagen und sprang hinein. „Los! Hinterher. Er darf uns unter keinen Umständen entkommen!“
Sekunden später jagte der Gangsterwagen wie ein Torpedo durch die nächtliche Straße.
Wir bekamen alles aus der Ferne mit.
Mein Mustang rollte eben durch die Straße, in der Dr. Mann wohnte.
Plötzlich schrie Susan aufgeregt: „Biff! Sieh mal!“
Ich sah Dr. Mann aus dem Haus fegen. Ich sah ihn in seinen Wagen jumpen. Ich sah die Gorillas und sah sie losballern. Dann kam Pino Calva. Das ließ meinen Puls hochschnellen.
Der Gangsterwagen flitzte los.
„Calva war vor uns da!“, knurrte ich ärgerlich. Wenn er uns nun Dr. Mann verscheuchte, fanden wir ihn womöglich nie mehr wieder.
„Wenn wir nicht einschreiten, bringt Calva den Doc um“, sagte meine'Partnerin hastig.
Immerhin war ich zu mir ehrlich genug, um bei mir festzustellen, dass Dr. Mann ein solches Ende durchaus verdient hätte. Ich dachte an Akim Kelly und an Mary Scott. Vor allem Mary Scott wich nicht mehr von mir. Ihr Anblick war entsetzlich gewesen.
Dr. Mann hatte das getan.
Trotzdem konnten wir diese Lynchjustiz nicht zulassen. Pino Calva hatte einfach nicht das Recht, jemanden umzubringen — ob es sich nun um den Mörder seines Bruders handelte oder um sonst jemand. Unsere Aufgabe war es, diesen gewissenlosen Mörder, der die ganze Stadt in Atem hielt, vor ein ordentliches Gericht zu bringen.
Mit hart gespannten Backenmuskeln trat ich das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Der Mustang machte einen wilden Satz vorwärts. Im Höllentempo ging es hinter Pino Calva her.
18
Dr. Mann hatte für alle Eventualitäten vorgesorgt.
Vor einigen Wochen hatte er ein kleines, abseits gelegenes Wochenendhaus im Norden der Stadt gemietet, mit der Zusicherung des Vermieters, es zu einem späteren