genauso auf sein Konto, wie die verheerenden Bombenattacken gegen die US-Botschaften in Kenia und Tansania 1998.
257 Tote und mehr als fünftausend Verletzte hatten diese beiden Angriffe gekostet. Unsere Army hatte mit Cruise Missiles zurückgeschlagen und eine Giftgasfabrik des Bankiers des Terrors im Sudan vernichtet. Sogar sein Hauptquartier in Afghanistan war angegriffen worden. Doch der Super-Terrorist hatte fliehen können.
Niemand hatte eine Ahnung, von wo aus er derzeit seine Kämpfer in den blutigen Terrorkrieg kommandierte. Obwohl CIA und Mossad fieberhaft nach ihm suchten. Auch auf unserer Fahndungsliste stand er ganz oben.
„Wir glauben nicht, dass es sich bei Ihrem Mandanten um einen einsamen Fanatiker handelt, Mr. Nabul‟, sagte Milo. „Er muss Hintermänner haben. Wir sind fest davon überzeugt, dass diese Hintermänner über eine gut organisierte Logistik in New York City verfügen.‟ Der Rechtsanwalt nickte. Er wirkte sehr ernst.
„Ich frage Sie direkt, Mr. Nabul‟, sagte ich. „Haben Sie in Ihren Gesprächen mit Sadr irgendetwas in Erfahrung gebracht, was unsere Theorie bestätigt, oder was uns in unseren Ermittlungen weiterhelfen könnte?‟
„Ich bin kein Staatsanwalt‟, erwiderte er. „Sie müssen mich verstehen – ich bin Rechtsanwalt. Mein Klient muss sich auf meine Verschwiegenheit verlassen können. Aber ... - und das bleibt unter uns, Gentlemen – ich bin auch amerikanischer Staatsbürger. Und wenn ich aus irgendeiner Quelle erfahren würde, dass amerikanische Staatsbürger in unmittelbarer Gefahr sind, würde ich Sie selbstverständlich informieren.‟
„Danke, Mr. Nabul.‟ Wir verabschiedeten uns und fuhren zurück in die Federal Plaza.
„Was hast du für einen Eindruck von dem Mann?‟, wollte ich von Milo wissen.
„Scheint sehr vernünftig zu sein – trotzdem sollten wir dem Ermittlungsrichter eine Abhörerlaubnis abschwatzen.‟
„Seh′ ich genauso.‟ Die Sache war einfach zu brisant. Wenn Sadr tatsächlich im Auftrag Bin Ladens versucht hatte, die Bühne mit Handgranaten anzugreifen, mussten wir mit weiteren Anschlägen rechnen. Nach allen Erfahrungen gab es nichts Hartnäckigeres als den islamistischen Terrorismus. Das rechtfertigte es hoffentlich auch in den Augen des zuständigen Richters Nabuls Gespräche mit dem Attentäter zu belauschen.
„Was machst du übrigens heute Abend, Partner‟, wollte ich wissen.
„Etwas sehr Schönes, Jesse.‟ Milo strahlte, und ich wusste, dass meine Frage ins Schwarze getroffen hatte. „Ich werde die interessante und erfolgreiche Comic-Autorin Sharon Lewis zum Essen ausführen.‟
Der Name verursachte mir ein heißes Brennen hinter dem Brustbein. Seit Tagen wollte Sharons Bild mir nicht mehr aus dem Kopf gehen.
„Schämst du dich gar nicht, deine Dienstpflichten dazu auszunutzen, arglose Frauen an Land zu ziehen?‟ Wahrscheinlich wirkte mein Grinsen etwas verkrampft. Milo merkte es nicht.
„Überhaupt nicht, Partner‟, lachte er. „Wenn das Schicksal einem eine attraktive und kluge Frau über den Weg führt, muss man zugreifen. Außerdem habe ich eine Schonfrist von über einer Woche verstreichen lassen.‟
„Das Schicksal also‟, murmelte ich. Für ein paar Minuten verfiel ich in brütendes Schweigen. Milo steuerte unseren Dienstwagen in die Tiefgarage der Federal Plaza.
„Wo trefft ihr euch denn?‟, fragte ich ihn, als die Aufzugtür sich hinter uns schloss.
„In McSorley′s Old Ale House.‟ Am Zucken seiner linken Braue merkte ich, dass meine Neugierde ihn irritierte.
„Weißt du was, Partner?‟ Die Lifttüren schoben sich auseinander, und wir traten aus dem Aufzug. „Ich hab noch nichts vor heute Abend. Und mit einem Menschen plaudern, der abgefahrene Comics macht – das war schon als kleiner Junge mein sehnlichster Wunsch. Ich komme mit.‟
Milos Unbehagen war jetzt offensichtlich. Er runzelte die Stirn und beäugte mich skeptisch.
„Nicht nötig, Jesse – ich werde ihr genaustens auf den Zahn fühlen und dir alles erzählen. Versprochen.‟
„Lieb von dir, Milo.‟ Ich hielt ihm die Tür in unser Büro auf. „Aber ich will es aus ihrem Mund hören, wie sie auf die Ideen kommt, wie ihre Karriere zustande kam, und so weiter, du verstehst.‟
„Natürlich verstehe ich das, Jesse‟, versicherte Milo. „Ich kann ja einen Minirekorder mitlaufen lassen.‟
„Was bist du für ein treuer Freund.‟ Ich hängte mein Jackett über die Lehne des Bürosessels. „Aber ich will dir nicht zu viel Mühe machen. Außerdem möchte ich mir eines ihrer Comic-Hefte signieren lassen.‟
Milo ließ sich in seinen Stuhl fallen und legte die Beine auf den Schreibtisch. „Sein wann, zum Teufel, interessierst du dich für Comics?!‟ Unverhohlen misstrauisch musterte er mich.
„Ich? Seit tausend Jahren, glaub ich. Meine Mutter hat mir schon Donald Ducks Abenteuer vorgelesen, als ich noch Windeln trug.‟
„Davon hast du nie erzählt‟, knurrte Milo. „Hör zu, Jesse – ganz ehrlich: Ich will mit der Frau allein sein.‟
„Ach so!‟ Ich mimte den Überraschten. „Sag das doch gleich! Kein Problem, Partner. Ich werde mir mein Heft signieren lassen, ein halbes Stündchen Sharons holden Worten lauschen, und euch dann allein lassen ...‟
15
Sie reisten über den John F. Kennedy International Airport in die Vereinigten Staaten ein. Genau acht Tage nach dem Treffen mit Al Turabi. An den Schaltern der Einreisebehörde legten sie ihre gefälschten Papiere und ihre Presseausweise vor.
Die Al-Qaida hatte Beziehungen zu der größten ägyptischen Zeitung. Offiziell reisten Raphael und Ismael Mussa als Journalisten der Zeitung Al Ahram ein. Ein gefälschtes Schreiben der Chefredaktion bestätigte ihren frei erfundenen Auftrag: Eine Reportage über das Leben islamischer Enklaven in New York City. Anstandslos schmückte der Angestellte der Einreisebehörde ihre Pässe mit dem Einreisestempel für die USA.
Am Zoll musste Ismael seinen Koffer öffnen. Akribisch zählten die Zollbeamten die Zigaretten, die er mitgebracht hatte: Neun Schachteln Nil à zwanzig Zigaretten. Zweihundert waren erlaubt. Also auch hier keine Probleme.
Fünfzehn Minuten später saßen sie in einem Cabby, das sie durch Brooklyn hindurch nach Manhattan brachte. Über die 7.Avenue fuhr der Taxifahrer sie in die 32. Straße. Von London aus hatten sie zwei Zimmer im Best Western Manhattan-Hotel gebucht.
Zwei Tage nahmen sich die Brüder Zeit, um den Jetlag zu verdauen und sich zu akklimatisieren. Dann suchten sie Mittelsmänner aus dem Umfeld der Al-Qaida auf und besorgten sich Waffen, Munition und Sprengstoff ...