aber sie dürfte kaum zum Tode geführt haben. Allerdings wurde sie dem Mann zweifellos zum Verhängnis.“
Er schätzte, dass der Tod vor mindestens einer Stunde eingetreten war.
„Da sind Sie ja fein heraus, Monsieur Reiniger“, stellte der Commissaire mit mühsamem Grinsen fest. „Wäre der arme Kerl erschossen oder erschlagen worden, hätte ich Sie nicht nach New York weiterfliegen lassen können.“
„Na, Sie sind vielleicht ein Herzchen“, wehrte sich Bount, obwohl er wusste, dass der Polizist seinen Einwand nur theoretisch gemeint hatte. „Giraques Tod bringt mich doch selbst in Schwierigkeiten. Wo finde ich so schnell einen anderen Experten?“
„Ich fürchte, diese Frage müssen Sie vorläufig zurückstellen. Meine Kollegen von der Mordkommission, die gerade eintreffen, haben bestimmt eine Menge Fragen an Sie. Immerhin haben Sie den Toten gefunden. Außerdem sind Sie extra aus Bangkok hergekommen, um ihn zu sprechen.“
„Nun, ganz so ist es nicht“, widersprach Bount energisch. „Sehen Sie etwa einen Zusammenhang zwischen meinem Besuch und dem Ableben Giraques?“
„Zumindest ist es ein eigenartiges Zusammentreffen.“
Bount wies diesen Verdacht von sich. Er sah keinen Sinn darin.
Oder doch? Waren die Killer, vor denen Myang sich gefürchtet hatte, hergekommen, um ihm aufzulauern und ihm die Elefanten abzunehmen?
Dann hätten sie sich bestimmt einer anderen Tötungsart bedient. Vor allem aber, woher sollten sie wissen, dass er ausgerechnet zu Adolphe Giraque fahren würde? In Paris gab es auch noch andere Sachverständige. Außer Phra Kwan Ho hatte er keinem Menschen davon erzählt.
Phra Kwan Ho?
Das Bild des schmächtigen Notars erschien vor Bounts geistigem Auge. Er konnte sich nicht gut vorstellen, dass dieser Mann, dem Shao Ch’eng vertraut hatte, ein falsches Spiel trieb.
Tatsache war, dass kein Killer versucht hatte, ihm die Elefanten abzunehmen. Die Möglichkeit hätte zum Beispiel in dem düsteren Hausflur oder in der Wohnung des Händlers bestanden.
Wenn es sich um ein Verbrechen handelte, dann galt es ohne Frage den Kunstschätzen, die Giraque in seinen Räumen gehortet hatte. Vielleicht auch der Ladenkasse. Die Polizei würde das herausfinden.
12
Blitzlichter flammten auf. Polizisten krochen auf dem Boden herum und suchten nach verräterischen Spuren. Andere stellten beharrlich immer dieselben Fragen.
Bount kannte dieses Spielchen zur Genüge. Er wusste, dass es bei einem Todesfall, dessen nähere Umstände noch nicht geklärt waren, erforderlich war. Diesmal aber lief ihm dadurch die Zeit davon.
„Wir schaffen es nicht mehr“, sagte er zu Myang. „Aber ich denke auch, dass uns in Paris nicht mehr viel passieren kann. Der Commissaire hält sein waches Auge über uns und die Elefanten, bis wir wieder in der Maschine sitzen. Eine Versicherung wird sich erübrigen.“
Myang teilte seine Ansicht. Sie hatte nur noch einen Wunsch: Sie wollte so schnell wie möglich zum Flughafen zurück.
Die Fahrt nach Orly klappte problemlos. Bount hatte zwar den Eindruck, dass ihnen die ganze Zeit ein protziger Citroen folgte, doch falls es sich bei dessen Insassen tatsächlich um Gangster handelte, die hinter den antiken Porzellanelefanten her waren, wagten sie es nicht, einen Polizeiwagen anzugreifen.
Und das war gut so.
Der Commissaire blieb mit zweien seiner Leute in der Nähe, bis Bount und die Chinesin den Jet bestiegen hatten, der sie über den Atlantik bringen sollte. Erst dann betrachtete er seine Aufgabe als erledigt.
Myang atmete erleichtert auf. Sie hatte einen Fensterplatz und starrte nach draußen. Schreckliche Erlebnisse lagen hinter ihr. Bount ahnte ihre Empfindungen.
Seine Wachsamkeit ließ auch während des Fluges nicht nach. Einer der Mitreisenden konnte ein Schurke sein. Erst, wenn die Elefanten im Safe in seinem Büro lagen, würde nichts mehr passieren können.
Aus diesem Grunde folgte er auch nicht Myangs Beispiel, die schon nach kurzer Zeit einschlief und zufrieden lächelte. So nahe dem Ziel, wollte er sich nicht mehr austricksen lassen.
Das versuchte niemand, und so landeten sie am späten Abend auf dem John F. Kennedy International Airport.
Bount hatte seinen silbergrauen Mercedes 450 SL im Parkhaus abgestellt. Bevor er ihn abholte, rief er June an, um sich nach der Adresse des Apartments zu erkundigen, das seine attraktive Mitarbeiterin für seinen asiatischen Schützling besorgt hatte.
Es handelte sich um einen zwölfstöckigen Neubau in der 106. Straße Ost, also in günstiger Lage zur Columbia Universität, was Myang dankbar zur Kenntnis nahm.
Das Apartment besaß zwei Räume mit einer schmalen Küche und einem vergleichsweise geräumigen Bad.
Die Chinesin war zufrieden.
„Ich werde mich bei Ihrer Sekretärin dafür bedanken, Bount. Sie hat eine ausgezeichnete Wahl getroffen. Wir sehen uns doch morgen?“ Diese Frage klang etwas ängstlich.
„Selbstverständlich“, beruhigte sie der Detektiv. „Ich werde Sie doch nicht sich selbst überlassen. Wenn ich auch überzeugt bin, dass Sie hier schon bald neue Freunde finden werden, so halte ich es doch für meine Pflicht, Ihnen wenigstens die ersten Wochen zu erleichtern. Das dürfte auch im Sinne Ihres Vaters sein.“
„Und in meinem eigenen, Bount. Was geschieht jetzt mit den Elefanten?“
„In meinem Safe sind sie sicher. Ich hole Sie morgen zum Essen ab, wenn Sie einverstanden sind.“
Myang nickte eifrig. „Was täte ich nur ohne Sie?“
Zum Abschied hauchte sie Bount einen zarten Kuss auf die Wange und lächelte scheu und geheimnisvoll.
Bount fand, dass er noch nie achtzigtausend Dollar auf so angenehme Weise verdient hatte.
13
Am nächsten Morgen konnte sich June einiger anzüglicher Bemerkungen über die Chinesin nicht enthalten.
„Ich hoffe, du vergisst nicht, dass sie beinahe deine Tochter sein könnte, Großer“, meinte sie spitz.
„Du hast schon immer zu Übertreibungen geneigt, meine Liebe“, konterte Bount gelassen. „Im Übrigen ist deine Eifersucht absolut unbegründet. Mein Interesse an Myang ist ausschließlich testamentarischer Natur.“
„Eifersucht?