Franjo Grotenhermen

Cannabis und Cannabinoide


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1 Cannabinoide bei Kindern

       Sven Gottschling

       2 Hilft Cannabis gegen Krebs?

       Burkhard Hinz und Robert Ramer

       3 Wie können Cannabisblüten oral eingenommen werden?

       Franjo Grotenhermen

       4 Pharmakologische Unterschiede von Cannabissorten jenseits von CBD und THC

       Franjo Grotenhermen

       5 Mitnahme von cannabisbasierten Medikamenten ins Ausland

       Franjo Grotenhermen

       6 Wie groß ist das Abhängigkeitsrisiko bei der ärztlich überwachten Therapie mit cannabisbasierten Medikamenten?

       Franjo Grotenhermen

       VIII Kurzleitfaden: Die Verschreibung cannabisbasierter Medikamente für Ihre ersten Patient/-innen

       Franjo Grotenhermen und Kirsten R. Müller-Vahl

       1 Besteht eine Indikation für eine Behandlung mit einem Betäubungsmittel?

       2 Besteht eine Indikation für eine Behandlung mit einem cannabisbasierten Medikament?

       3 Wann übernimmt die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) die Kosten und wie beantrage ich die Kostenübernahme?

       4 Welches cannabisbasierte Medikament soll in welcher Darreichungsform eingesetzt werden?

       5 Wie führe ich die Behandlung konkret durch?

       6 Worüber muss ich den Patienten informieren?

       IX Fachlich-medizinischer Ausblick

       1 Cannabinoid-Modulatoren und zukünftige Entwicklungen

       Christoph Schindler

       X Fazit

       Kirsten R. Müller-Vahl und Franjo Grotenhermen

       Sachwortregister

       I

       Historie

       1Kulturgeschichte des Hanfes

      Michael Carus

      Die Menschen haben eine sehr lange und komplexe Beziehung zu Hanf. Archäobotanische Beweise für den Anbau von Hanf, die Nutzung der Hanfnüsse als Lebensmittel und der Fasern für technische Zwecke gehen 5.000 bis 10.000 Jahre zurück und sind vor allem in Asien, Japan und China, zu finden (Clarke u. Merlin 2013). Cannabis spielte als vielseitige antike Ressource eine wichtige, manchmal entscheidende Rolle bei grundlegenden kulturellen Veränderungen, die sich nach dem Eiszeitalter des Pleistozäns ereigneten. Darüber hinaus war der Mensch im Laufe der Zeit wahrscheinlich für einen großen Teil der Verbreitung und der großen geografischen Reichweite von Hanf maßgeblich verantwortlich.

       1.1 Erste Verwendung von Hanf

      Hat der Mensch Hanf zuerst als Faserquelle zur Herstellung von Tauwerk und Kleidung oder als Samenquelle zur Nahrungsversorgung verwendet? Oder könnte Hanf ursprünglich als Heilpflanze verwendet worden sein? Es besteht auch die Möglichkeit, dass Hanf ursprünglich als psychoaktive Substanz für spirituelle Zwecke genutzt wurde. Es besteht die faszinierende Möglichkeit, dass der frühe Anbau von Hanf durch religiöse oder zeremonielle Motive inspiriert wurde (Clarke u. Merlin 2013).

      In ihrer unaufhörlichen Suche nach Nahrung hätte der Mensch zuerst das psychoaktive Potenzial von Cannabis erkennen können und zwar durch das Essen seiner Samen. Die kleinen, mit Harz bedeckten Brakteen, die die Samen umgeben, sind potenziell psychoaktiv und könnten zusammen mit den Samen aufgenommen worden sein. Ebenso kann der starke Rauch, der eingeatmet wird, wenn Cannabispflanzen verbrannt wurden, bewusstseinsverändernde Erfahrungen ausgelöst haben (Clarke u. Merlin 2013).

      Wenn auch nur vorübergehend, hätte das bewusstseinsverändernde Harz den frühen Völkern neue „Türen der Wahrnehmung“ öffnen können. Der Gebrauch des psychoaktiven Harzes kann zu einer wichtigen psychischen und physischen Zuflucht vor häufig monotonen und anstrengenden Lebensmustern geworden sein (Clarke u. Merlin 2013).

      Frühe Jagd- und Sammelgruppen bewachten und überlieferten „Mysterien“ oder kosmologische Erklärungen, die als Interpretationen der Realität dienten, und diese spirituellen Erklärungen halfen ihnen, Leben und Tod in ihrem eigenen kulturellen Kontext zu verstehen. Die ekstatische, visionäre Wirkung der Cannabiseinnahme mag diese Mysterien in ein neues System von Überzeugungen und Symbolen verwandelt haben, die die Erfindung und Interpretation unsichtbarer Geister, sowohl bösartiger als auch wohlwollender Art, psychisch auslöst. Wenn ja, dann betrachteten diese frühen Menschen die Pflanze als ein Geschenk ihrer Vorfahren und ihrer Götter, um sie als Vehikel für den Übergang zu höheren Bewusstseinsebenen zu nutzen. Im Wesentlichen hätte Cannabis ein Mittel zur Verfügung gestellt, mit dem sie mit ihren Gottheiten kommunizieren konnten – eine frühe „Pflanze der Götter“ (Schultes und Hofmann 1992, Clarke u. Merlin 2013).

       1.2 Hanf als Schlüsselrohstoff

      Wenden wir uns nun aber vor allem den Fasern und Samen zu, die auch jenseits aller medizinischen, spirituellen und entspannenden Nutzungen der Cannabinoide eine wichtige Rolle in der Geschichte der Menschheit spielten.

       „In früheren Zeiten hatte der Hanf eine der heutigen Petrochemie vergleichbare Tragweite. Seinetwegen wurden Kriege geführt, weil die Kontrolle über den Rohstoff Hanf eine Voraussetzung zu wirtschaftlicher Machtentfaltung war. Bevor in Europa Kohle, Erdöl und Gas im industriellen Maßstab abgebaut werden konnten und man in der Lage war, Massengüter wie Baumwolle, Jute, Sisal und Ramie aus Übersee einzuführen, hatte die Hanfverarbeitung die Funktion einer Schlüsselindustrie.“ (Hingst u. Mackwitz 1996)

      Die Hanfpflanze (Cannabis sativa) ist eine der ältesten und vielseitigsten Kulturpflanzen der Menschheit. Über viele Jahrhunderte (oder gar Jahrtausende) hinweg wurde Hanf fast überall in Europa angebaut und stellte eine wichtige, zum Teil die wichtigste Rohstoffquelle für die Herstellung von Seilen, Segeltuch, Bekleidungstextilien,