Effekt hat diese Untersuchung nicht. Sie ist als alleiniger Messwert wenig aussagekräftig, sie hat keinen therapeutischen Nutzen (auch ein Kind zum Beispiel mit Downsyndrom kann ganz normal geboren werden), und sie kann Paare bei einem falsch positiven Ergebnis unter großen Stress setzen (der oft unnötig ist, weil das Kind trotzdem kerngesund auf die Welt kommen kann). Eltern sollten sich also gut überlegen, welche Vorsorgeuntersuchungen sie durchführen lassen und wie sie mit einem – eben möglicherweise falsch positiven – Befund umgehen würden.
Überhaupt müssen wir damit leben, dass die vermeintliche Sicherheit der modernen Medizin uns oft in trügerischer Gewissheit wiegt. Zum Beispiel ist die Schätzung, wie schwer das Baby bei der Geburt sein wird, nicht mehr als genau das: eine Schätzung. Diese oft aus Ultraschallbildern errechneten Werte sind in mehr als der Hälfte der Fälle falsch, weswegen Forscher in einem großen Review ausdrücklich davon abraten, bei einer unauffälligen Schwangerschaft wegen eines angeblich »zu großen« Babys eine Geburt einzuleiten oder sogar einen Kaiserschnitt zu planen.29 In den USA bekommt jede dritte Frau nach einem Ultraschall die Information, ihr Baby sei »zu groß«. In einer Studie mit fast 2000 Frauen hatten diese Mütter deutlich höhere Risiken, dass in die Geburt medizinisch eingegriffen wurde – und das, obwohl die Ärzte mit ihrer Schätzung in neun von zehn Fällen falsch lagen.30
Gleiche Verwirrung gibt es um den errechneten Entbindungstermin. Er kann aufgrund der unterschiedlichen Zykluslänge und Tragzeit des weiblichen Homo sapiens um bis zu vier Wochen danebenliegen.31 Auch genetische Effekte spielen dabei eine Rolle – wer selbst lange ausgetragen wurde, hat hohe Chancen, eine Schwangerschaft von 42 Wochen oder länger zu haben, zeigt eine schwedische Studie an über 400 000 Geburten.32 Wenn Ärzte bei Übertragung dringend zu einer Einleitung raten, sollten Eltern das also kritisch hinterfragen.
WARUM SCHWANGERE NICHT »WEITER FUNKTIONIEREN« MÜSSEN
Man hört ja oft den Satz »Ich bin schwanger, nicht krank!«, und so gibt es auch keinen prinzipiellen Grund, als Schwangere nichts mehr zu tun. Im Gegenteil kann sich »extensiv auf der Couch zu sitzen« negativ auf die Kindslage und damit negativ auf die Geburt auswirken. In dem Buch Die Optimierung der Kindslage zum Beispiel raten die Autorinnen Jean Sutton und Pauline Scott dringend davon ab, sich zu viel auf dem Sofa und im Auto aufzuhalten. Stattdessen sollten schwangere Frauen sich bewegen, schwimmen und körperlich aktiv sein, damit sich das Kind im Bauch in die richtige Lage für die Geburt bringen kann. Die Autorinnen vermuten, dass die inaktive Lebensführung moderner Frauen zu vermehrten Steißlagen und Sternenguckern führen kann.33 Dennoch kann es sich auf der anderen Seite negativ auf Mutter und Kind auswirken, wenn schwangere Frauen sich überfordern und meinen, um jeden Preis »funktionieren« zu müssen. Also: Schwangere Frauen müssen nicht »geschont« werden. Aber sie sind auch nicht unverwundbar.
Besonders die Auswirkungen von Stress auf die Gesundheit des Gehirns beginnen im Mutterleib. Studien sowohl an Tieren als auch an Menschen haben gezeigt, dass vorgeburtlicher mütterlicher Stress das Gehirn und das Verhalten der Nachkommen beeinflusst.
Wenn die Mutter unter Druck gerät, schüttet sie Stresshormone aus, die durch die Plazenta auch das Ungeborene erreichen. Normaler Stress gehört natürlich zum Leben dazu, und auch Ungeborene können damit umgehen. Aber für chronischen Stress sind Mutter und Kind (und übrigens auch alle anderen) nicht gemacht. Lang anhaltender Stress belastet den Körper der Mutter und auch den des Babys. Dennoch ist der menschliche Körper offenbar sehr, sehr belastbar. In entsprechenden Studien geht es oft um massive Stressoren – dort werden die Effekte besonders sichtbar.
Auch wenn man viele andere Störfaktoren in der Schwangerschaft herausstreicht – einer der größten ist Stress.
Zu massiven Stressoren gehören zum Beispiel externe Effekte wie Naturkatastrophen, aber auch interner Stress wie Angstzustände und Depressionen bei den Müttern. Sie alle erhöhen das Risiko des Kindes im späteren Leben für emotionale, Verhaltens- oder Lernprobleme. Dazu gehören bei den Kindern wiederum Depressionen, Angstzustände, eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und/oder Verhaltensstörungen.34 Die Daten weisen deutlich darauf hin, die Studien sind oft mit vielen Teilnehmern bestückt, und wenn die Forscher auch viele Störfaktoren herausstreichen, die ebenfalls die Entwicklung beeinflussen könnten, bleibt immer noch einer: der Stress.
STRESS UND SCHWANGERSCHAFTSDEPRESSION
Hat die Mutter eine Schwangerschaftsdepression, ist es gut belegt, dass sie – kurz gesagt – ein unruhigeres Kind zur Welt bringt. Eine Überblicksarbeit von 2017 kommt zu dem Ergebnis, dass sich unbehandelte Schwangerschaftsdepressionen und sogar »nur« depressive Symptome während der Schwangerschaft nachteilig auf das Baby auswirken. Schon der Fötus hat höhere Risiken für Hyperaktivität und eine unregelmäßige Herzfrequenz im Mutterleib. Das Neugeborene zeigt eher erhöhte Stresswerte (hier: Cortisol- und Noradrenalinspiegel) und schüttet weniger Belohnungs- und Zufriedenheitshormone aus (das heißt dann: verringerte Dopaminspiegel). Sogar ganz kleine Babys zeigten in den Studien ein stress- oder depressionsähnliches Verhalten. Wurden die gestressten Babys älter, war der Stresspegel später ebenfalls erhöht, wenn man ihren Speichel untersuchte, und sie neigten stärker zu Übergewicht.35 Gleichzeitig heilt eine Depression gut aus, wenn sie behandelt wird. Daher sollten wir gut darauf achten, wie es uns wirklich geht.
Wie genau der Mechanismus funktioniert, weiß man nicht. Eine Überblicksstudie versuchte herauszufinden, ob es schlicht an den ausgeschütteten Stresshormonen (hier im Fokus: Cortisol) liegt. Und der Stresspegel der Mutter während der Schwangerschaft beeinflusst tatsächlich einigen Studien zufolge die Cortisol-, also Stresshormon-Antwort des Babys auf einen Stressor – allerdings nicht in allen. Sie kam zu dem Schluss: 76 Prozent der Studien sagen, dass es nicht der Fall ist. Die anderen Studien behaupten: Doch, das ist so. Die Autoren mutmaßen: Vielleicht ist Cortisol nicht der einzige Faktor, aber wahrscheinlich ist es einer.36 Andere Forscher vermuten, es läge an der erhöhten Herzschlagrate der Mutter bei Stress oder ihrer flachen Atmung, die sich direkt auf das Ungeborene auswirkt.
Stress kann laut einer Studie unter 340 Frauen auch zu Frühgeburten führen, in diesem Fall galt als Stress »eine psychiatrische Diagnose wie Depression, Angst, Angst vor Geburt, Psychose, Phobie und/oder Essstörung«.37
Angst vor der Geburt dürfte etwas sein, was viele Frauen kennen. Es ist also wichtig, dass diese Frauen alle Unterstützung bekommen, die sie brauchen. Außerdem berichteten die Schwangeren über frühere traumatische Erfahrungen aus Schwangerschaft und Geburt, Angst vor angeborenen Defekten des ungeborenen Kindes, mangelnde soziale Unterstützung oder eine problematische Beziehung zwischen der Frau und ihrem Partner sowie wirtschaftliche und arbeitsbedingte Probleme. Das bedeutet: Schon eine falsch positive Nackenfaltenmessung mit dem Ergebnis, dass das Kind möglicherweise behindert sein könnte, kann solchen Stress auslösen. Ganz zu schweigen von dem Stress, in den Paare geraten können, wenn sich ein (ungeplantes) Kind ankündigt.
Hier gilt das Prinzip des Schutzes: Wir sollten als Gesellschaft ein großes Interesse daran haben, Schwangere vor allen vermeidbaren Stresssituationen zu schützen, wo immer es möglich ist.
WAS DAS UNGEBORENE PRÄGT
Mit welchen Erwartungen ein Mensch später in die Welt blickt, wie stark und selbstbewusst, wie vertrauensvoll und gesund er wird, ist möglicherweise schon weit vor und in der Schwangerschaft angelegt. Kinder kommen nicht als unbeschriebene Blätter auf die Welt, wie der Philosoph und Pädagoge Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) noch dachte, sie bringen Informationen von uns und unseren Großeltern mit, die ihnen hoffentlich einmal nützlich sein werden. Aber es ist auch nicht so, dass unser gesamtes Schicksal in den ersten neun Monaten bereits festgelegt wäre.
Wir alle werden im Wesentlichen geprägt von den drei folgenden Faktoren:
von dem, was unsere Vorfahren erlebt haben und was sich epigenetisch in ihren Codes eingeschrieben hat,
von dem, was wir in der Schwangerschaft erleben (ob wir beispielsweise starkem Stress ausgesetzt