Die (d.i. Mira Alfassa) Mutter

Der Sonnenweg des Yoga


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Wandlung des Bewusstseins, die spirituelle Wandlung. Diese Wandlung, die notwendig ist, um die beiden anderen Ziele zu erreichen, zumindest in gewissem Umfang, ist die Ursache der meisten Kämpfe und Schwierigkeiten; denn es ist nicht leicht, sie zu vollziehen: es wird eine Wandlung des Mentals, eine Wandlung des Herzens, eine Wandlung der Gewohnheiten des Willens gefordert, dem unsere unwissende Natur einen hartnäckigen Widerstand entgegensetzt. Dieser Yoga ist auf eine volle Umwandlung der Natur ausgerichtet, weil das für die vollständige Einung mit dem Göttlichen und für die Befreiung nicht nur der Seele und des Geistes sondern auch der menschlichen Natur notwendig ist. Es ist auch ein Yoga der Werke und des integralen göttlichen Lebens; es liegt auf der Hand, dass hierfür die integrale Umwandlung der Natur notwendig ist; die Einung mit dem Göttlichen muss den vollen Eintritt in das Göttliche Bewusstsein und die göttliche Natur mit sich bringen; es darf nicht nur sayujya [die absolute Einung des Göttlichen mit dem menschlichen Geist] oder salokya [das Verweilen der Seele im Göttlichen] sein, sondern sadrsya [die Ähnlichkeit mit dem Göttlichen] oder, wie es in der Gita genannt wird, sadharmya [die Einswerdung mit dem Göttlichen Gesetz des Seins und Handelns]. Der volle Yoga, Purna-Yoga, bedeutet einen vierfachen Pfad, einen Yoga des Wissens für das Mental, einen Yoga der Bhakti für das Herz, einen Yoga der Werke für den Willen und einen Yoga der Vervollkommnung für die ganze Natur. Wenn man aber mit ganzem Herzen einer dieser Richtungen zu folgen vermag, erreicht man im Allgemeinen das Ergebnis von allen vieren. So nähert man sich zum Beispiel durch Bhakti dem Göttlichen, wird sich Seiner intensiv bewusst und gelangt zu Wissen; denn das Göttliche ist die Wahrheit und die Wirklichkeit, und wenn man Es kennt, sagt die Upanishad, kennt man alles. Durch Bhakti wird der Wille auf den Pfad der Werke der Liebe, des Dienstes am Göttlichen gelenkt sowie der Kontrolle über die Natur und ihrem Tun durch das Göttliche – das ist der Karma-Yoga. Durch Bhakti erfolgt auch die spirituelle Wandlung des Bewusstseins und der Tätigkeit der menschlichen Natur, welches ein erster Schritt auf ihre Umwandlung hin ist. So ist es mit allen anderen Richtungen des vierfachen Pfades.

      Es ist aber auch möglich, dass viele Hemmnisse im Wesen die Herrschaft der Bhakti über das Mental, das Herz und den Willen sowie den sich daraus ergebenden Kontakt mit dem Göttlichen blockieren. Die zu große Aktivität des intellektuellen Mentals und sein Verhaftetsein mit der Überheblichkeit seiner eigenen Ideen, seinen Vorurteilen, festgefahrenen Vorstellungen und seinem unwissenden Verstand können die Türen zum inneren Licht verschließen und die volle Flut der Bhakti daran hindern, alles zu überströmen; das intellektuelle Mental kann sich auch an eine oberflächliche mentale Aktivität klammern, sich weigern, nach innen zu gehen und der seelischen Schau und den Gefühlen des inneren Herzens zu erlauben, es zu lenken; es sind aber diese Schau und dieses Gefühl, durch welche die Bhakti wächst und siegt. Auch die Leidenschaften und Begierden des vitalen Wesens und seines Egos können den Weg blockieren und die Hingabe des Mentals und Herzens an das Göttliche verhindern. Die Trägheit, Unwissenheit und Nichtbewusstheit des physischen Bewusstseins, sein Verhaftetsein mit festen Gewohnheiten des Denkens, Fühlens und Handelns, sein Beharren darauf, im alten Fahrwasser weiterzumachen, kann der geforderten Wandlung sehr im Wege stehen. Unter solchen Umständen wird das Göttliche auf seine Zeit zu warten haben; wenn aber das wirkliche Verlangen im Herzen herrscht, kann all das die endgültige Verwirklichung nicht verhindern; dennoch wird sie sich möglicherweise Zeit lassen müssen, bis die Behinderungen beseitigt oder zumindest so sehr ausgeräumt sind, dass die Göttliche Macht ungehindert auf die Oberflächennatur einwirken kann. Bis dahin mag es Perioden einer inneren Entspannung geben, ein gewisses Licht im Mental, auch Perioden, in denen man das Gefühl der Bhakti und des Friedens hat, Perioden voller Freude der Selbstweihung in den Werken und im Dienen; es wird aber lange Zeit benötigen, bis diese Dinge für immer verweilen können, und es wird viel Kampf, Unruhe und Leiden geben. Am Ende wird das Wirken des Göttlichen sichtbar werden, und man wird fähig sein, in seiner Gegenwart zu leben.

      Ich habe die Schwierigkeiten des Yoga in ihrer schlimmsten Form beschrieben, wie sie selbst jene, die für die Verwirklichung ausersehen sind, behindern und anfechten können; ebenso oft aber wechseln Licht und Finsternis einander ab oder vermischen sich; vielleicht eine anfängliche Erreichung und nachfolgend tiefgreifende Schwierigkeiten; Fortschritt und dann Attacken und Verzögerungen, kraftvolle Vorwärtsbewegungen und ein ratloses Umherirren im Morast der Unwissenheit. Selbst große Verwirklichungen können sich einstellen, ein heller Glanz an Licht und spiritueller Erfahrung, und dennoch ist das Ziel nicht erreicht; denn, wie es im Rig-Veda heißt, „indem man Gipfel um Gipfel erklimmt, wird es sichtbar, wie viel noch zu tun übrigbleibt“. Es gibt aber immer etwas, das uns weiterträgt oder vorwärtstreibt. Das kann die Form von etwas Bewusstem im Vordergrund annehmen, die Form einer beherrschenden spirituellen Idee, eines unanfechtbaren Strebens oder eines festen Glaubens, die manchmal gänzlich verhüllt oder in Zeiten der Finsternis oder schwerer Umwälzungen sogar vernichtet zu sein scheinen; stets aber treten sie wieder hervor, wenn der Sturm vorübergezogen ist oder die Dunkelheit des Himmels sich aufgehellt hat, und machen ihren Einfluss geltend. Es kann aber auch etwas in der eigentlichen Essenz des Wesens sein, tiefer als irgendeine Idee oder ein Wille im Mental, tiefer und dauerhafter als das Streben des Herzens, der eigenen Wahrnehmung jedoch verhüllt. Es kann sich jemand, der aus einer mentalen Neugierde oder selbst aus einem mentalen Bedürfnis nach Wissen heraus zum Yoga gedrängt wird, aus Enttäuschung oder irgendeiner anderen Ursache vom Pfad abwenden; viel mehr noch können sich jene von ihm abwenden, die ihn aus einem inneren Ehrgeiz oder vitalen Begehren heraus aufgenommen haben, aber dem Aufruhr, der Enttäuschung oder Mutlosigkeit über häufige Rückschläge und Versagen nicht standhalten konnten. Wenn aber diese tiefere Sache in dir ist, kannst du den Pfad des spirituellen Bestrebens nicht für immer verlassen: du magst zwar den Entschluss fassen, wirst aber innerlich daran gehindert, oder du verlässt ihn, wirst aber durch das geheime spirituelle Erfordernis im Inneren dazu gezwungen, zu ihm zurückzukehren.

      All diese Dinge sind jedem Yoga-Pfad gemein; es sind die normalen Schwierigkeiten, Schwankungen und Kämpfe, die sich auf dem Pfad des spirituellen Bemühens einstellen. In diesem Yoga aber gibt es eine Ordnung oder Folge des Wirkens der geheimen Kraft, die in ihren Einzelheiten in jedem Sadhak völlig anders sein kann, aber dennoch eine allgemeine Linie aufweist. Durch unsere Evolution wurde das Wesen emporgeführt aus der nichtbewussten Materie in die Unwissenheit von Mental, Leben und Körper, die durch ein unvollkommenes Wissen modifiziert wird; diese Evolution versucht nun, uns in das Licht des Geistes hinauszuführen, uns in dieses Licht zu heben und es für uns herabzubringen, sowohl in den Körper und das Leben als auch in das Mental und das Herz, und damit unser ganzes Sein zu erfüllen. Dies und seine Folgeerscheinungen, deren größte die Einung mit dem Göttlichen und das Leben im göttlichen Bewusstsein ist, sind der Sinn der integralen Umwandlung. Das Mental ist gegenwärtig unsere höchste geistige Kraft; mit Hilfe des denkenden Mentals und des Herzens, mit der Seele, dem seelischen Wesen dahinter, müssen wir in den Geist hineinwachsen; denn was die Kraft zuerst zu erreichen versucht, ist, das Mental festzulegen in der richtigen zentralen Idee, im Glauben oder in der mentalen Haltung und im rechten Streben und Gleichmut des Herzens, und diese Dinge hinreichend zu stärken und zu festigen, damit sie ausharren, trotz der anderen Dinge im Mental und Herzen, die von ihnen verschieden sind oder in Widerspruch zu ihnen stehen. Damit einhergehend übermittelt die Kraft alle Erfahrung, Verwirklichung, Herabkunft, alles wachsende Wissen, wofür das Mental des Einzelwesens zu dem entsprechenden Zeitpunkt bereit ist, oder soviel davon, wie unbedeutend es auch sei, wie für seinen weiteren Fortschritt notwendig ist; manchmal sind diese Verwirklichungen und Erfahrungen sehr groß und reich, manchmal geringfügig und klein oder unbedeutend; bei einigen Menschen scheint in diesem ersten Stadium nicht viel davon oder nichts Entscheidendes zu geschehen – die Kraft scheint sich allein auf die Vorbereitung des Mentals zu konzentrieren. In vielen Fällen scheint die Sadhana mit Erfahrungen im Vital zu beginnen und fortzuschreiten; aber ohne eine gewisse mentale Vorbereitung sollte dies nicht geschehen, selbst wenn es nichts weiter ist als eine Wende des Mentals oder eine Art Öffnung, welche die vitalen Erfahrungen möglich macht. Mit dem Vital zu beginnen ist in jedem Fall eine gewagte Sache; die Schwierigkeiten dort sind zahlreich und heftiger als auf der mentalen Ebene, und die Gefahren sind unzählbar. Der Zugang zur Seele, dem seelischen Wesen, ist weniger einfach, weil es von einer dicken Schicht aus Ego, Leidenschaft und Begehren überdeckt