Die (d.i. Mira Alfassa) Mutter

Der Sonnenweg des Yoga


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anderen zu vermitteln.

      Dies ist Sri Aurobindos Lehre und dessen praktische Methode. Sein Ziel besteht nicht darin, irgendeine Religion weiterzuentwickeln oder die älteren Religionen zu verschmelzen, oder gar eine neue Religion zu gründen –, denn all dies würde nur von seinem zentralen Anliegen wegführen. Das eine Ziel seines Yoga ist eine innere Selbstentfaltung, durch die jeder, der ihm nachgeht, mit der Zeit das Eine Selbst in allem entdecken und ein über das Mental hinausgehendes Bewusstsein entwickeln kann –, ein spirituelles und supramentales Bewusstsein, das die menschliche Natur umwandeln und vergöttlichen wird.

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      Worte Sri Aurobindos

      [Der Integrale Yoga] ist, verglichen mit alten Yogasystemen, deshalb neu:

      1. Weil er nicht auf eine Abkehr von der Welt und vom Leben um des Himmels und Nirvana willens abzielt, sondern auf einen Wandel des Lebens und Daseins, und zwar nicht als etwas Untergeordnetes und Zufälliges, sondern als ein deutliches und zentrales Ziel. Wenn es ein Herabkommen in anderen Yogasystemen gibt, dann ist es lediglich ein Zufall auf dem Weg oder das Ergebnis des Aufstieges – der Aufstieg ist in den traditionellen Yogasystemen die einzig wahre Sache. Hier, im Integralen Yoga, ist der Aufstieg der erste Schritt, er ist ein Mittel für die Herabkunft. Die Herabkunft eines neuen Bewusstseins, das durch den Aufstieg erreicht wird, ist der Stempel und das Siegel der Sadhana. Selbst Tantra und Vishnuismus enden in der Befreiung vom Leben. Hier ist das Ziel die göttliche Erfüllung im Leben.

      2. Weil das Ziel, nach dem gesucht wird, nicht eine individuelle Verwirklichung zum Heile des Einzelnen ist, sondern etwas, das für das Erdbewusstsein hier gewonnen werden muss, eine kosmische, nicht allein eine überkosmische Verwirklichung. Das zu Gewinnende ist das Einbringen einer Bewusstseins-Macht (das Supramental), die bislang noch nicht in der Erd-Natur organisiert und direkt wirksam wurde, nicht einmal im spirituellen Leben, und daher noch organisiert und unmittelbar wirksam gemacht werden muss.

      3. Weil eine Methode zur Erreichung dieser Absicht erarbeitet wurde, die so umfassend und ganzheitlich ist, wie dieses Ziel selbst, nämlich der totale und integrale Wandel des Bewusstseins und der menschlichen Natur, wobei alte Methoden aufgegriffen werden, aber nur als ein Teilaspekt und eine vorläufige Unterstützung zu anderen Methoden, die sich von diesen unterscheiden. Ich habe diese Methode (in ihrer Gesamtheit) oder etwas Ähnliches wie diese in den alten Yogasystemen weder verkündet noch verwirklicht gesehen. Wäre dem nicht so, hätte ich meine Zeit nicht damit vergeudet, in dreißigjähriger Suche und innerer Schöpfung einen Weg auszuhauen, wenn ich sicher zu meinem Ziel hätte heimeilen können, leicht galoppierend auf Wegen, die bereits gebahnt, ausgetreten, vollkommen kartographiert, asphaltiert, gesichert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht sind. Unser Yoga ist keine Erneuerung der alten Wege, sondern ein spirituelles Abenteuer.

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      Kapitel 8

      Der Pfad

      Worte Sri Aurobindos

      Der supramentale Yoga ist zugleich ein Aufstieg zu Gott und eine Herabkunft der Gottheit in die verkörperte Natur.

      Der Aufstieg kann nur durch eine ausschließliche, allumfassende Aspiration der Seele, des Mentals, des Lebens und des Körpers gelingen. Die Herabkunft kann nur durch einen Ruf des ganzen Wesens nach dem unendlichen und ewigen Göttlichen veranlasst werden. Wenn dieser Ruf und diese Aspiration vorhanden sind oder wenn sie irgendwie erweckt werden und ständig wachsen und die ganze Natur erfassen können, dann und nur dann wird eine Erhebung und Umwandlung in und durch das Supramental möglich sein.

      Der Ruf und die Aspiration sind nur erste Voraussetzungen. Zugleich mit ihnen und als Ergebnis ihrer wirksamen Intensität muss eine Öffnung des ganzen Wesens zum Göttlichen hin und eine absolute Überantwortung an das Göttliche erfolgen.

      Diese Öffnung besteht in einem weiten Offenlegen der ganzen Natur auf all ihren Ebenen und in all ihren Wesensteilen. Sie ermöglicht ihr, das größere göttliche Bewusstsein, das bereits über und hinter dieser sterblichen, halbbewussten Existenz zugegen ist und sie umfängt, ohne Abschwächungen und Begrenzungen in sich aufzunehmen.

      Bei dieser Aufnahme darf ihr Fassungsvermögen sich nicht als unzureichend erweisen, darf kein Bestandteil des Systems unter dem Druck der Umwandlung zusammenbrechen, sei es im Mental, in den Nerven oder im Körper. Eine grenzenlose Aufnahmefähigkeit ist erforderlich sowie ein ständig wachsendes Vermögen, das immer stärker und akzentuierter werdende Eingreifen der göttlichen Kraft auszuhalten. Anders kann nichts Großes und Dauerhaftes zustande kommen. Der Yoga würde mit einem Zusammenbruch, einem trägen Anhalten oder einer frustrierenden oder verheerenden Stockung enden – bei einem Vorgang, der absolut und integral zu sein hat, wenn er kein Fehlschlag sein soll.

      Da aber kein menschlicher Organismus diese grenzenlose Aufnahmefähigkeit und diese einwandfreie Eignung aufweist, kann der supramentale Yoga nur dann Erfolg haben, wenn die Göttliche Kraft bei ihrer Herabkunft die persönliche Kraft vermehrt und die zur Aufnahme erforderliche Stärke an jene Kraft angleicht, die von oben her in die Natur eindringt, um in ihr zu arbeiten. Dies kann nur geschehen, wenn auf unserer Seite eine fortschreitende Überantwortung in die Hände des Göttlichen erfolgt. Eine vollständige und nie ausbleibende Zustimmung ist vonnöten, eine mutige Einwilligung in alles, was die Göttliche Macht mit uns vornehmen muss, um ihr Werk zu vollbringen.

      Der Mensch kann aus eigener Anstrengung nichts aus sich machen, was mehr ist als ein Mensch. Das mentale Wesen kann sich nicht aus eigener Kraft und ohne Hilfe in einen supramentalen Geist verwandeln. Allein die Herabkunft der Göttlichen Natur kann das menschliche Gefäß vergöttlichen.

      Die Fähigkeiten unseres Mentals, unseres Lebens und unseres Körpers sind an ihre eigenen Grenzen gebunden, und wie hoch sie sich auch aufschwingen oder wie weit sie sich auch ausdehnen mögen, sie kommen über ihre natürlichen äußersten Grenzen nicht hinaus. Dennoch kann der mentale Mensch sich dem öffnen, was jenseits seiner liegt: Er kann ein supramentales Licht und eine supramentale Wahrheit und Macht herabrufen, auf dass sie in ihm wirken und das tun, was das Mental nicht vermag. Wenn das Mental nicht aus eigener Anstrengung zu dem werden kann, was jenseits seiner liegt, so kann doch das Supramental herabkommen und das Mental in seine eigene Substanz umwandeln.

      Wenn umsichtige Einwilligung und wachsame Hingabe des Menschen der supramentalen Macht ermöglichen, entsprechend ihrer eigenen tiefen und klaren Einsicht und vielseitigen Macht zu handeln, wird diese früher oder später eine göttliche Umwandlung unserer derzeit unvollkommenen Natur bewirken...

      Nur wenn Mental, Leben und Körper die bewusste integrale Überantwortung an das Göttliche gelernt haben, kann der Weg des Yoga leicht, gerade, schnell und sicher sein.

      Und es muss eine Überantwortung an das Göttliche und nur an das Göttliche sein, eine Öffnung zum Göttlichen hin und zu nichts anderem. Es ist nämlich einem verdunkelten Mental und einer unreinen Lebenskraft in uns möglich, sich ungöttlichen und feindlich gesinnten Kräften zu übergeben, ja sogar solche Kräfte für das Göttliche zu halten. Es kann keinen verhängnisvolleren Irrtum geben. Deshalb darf unsere Hingabe keine blinde und widerstandslose Passivität allen Einflüssen oder jedem beliebigen Einfluss gegenüber sein. Vielmehr hat sie aufrichtig, bewusst und wachsam an das Eine und Höchste allein gerichtet zu sein.

      Selbstüberantwortung an die göttliche und unendliche Mutter, so schwierig sie auch sein mag, bleibt unser einziges wirksames Mittel und unsere einzige dauerhafte Zuflucht. Selbstüberantwortung an Sie bedeutet, dass unsere Natur ein Werkzeug in Ihren Händen ist und unsere Seele ein Kind in den Armen der Mutter.

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      Worte der Mutter

      Der Bergweg führt immer in zwei Richtungen, nach oben und nach unten – alles hängt davon ab, was wir hinter uns lassen.

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      Worte der Mutter

      Das Leben ist eine immerwährende