Versuchung der kleinen Siddhis, der Anziehungskraft der Mächte der Finsternis auf das Ego. Man muss sich durch dieses Dickicht zum seelischen Wesen im Hintergrund hindurchkämpfen, um es nach vorne zu bringen; erst dann kann die Sadhana auf der vitalen Ebene sicher sein.
Wie dem auch sei, die Herabkunft der Sadhana, die Herabkunft des Wirkens der Kraft auf die vitale Ebene unseres Wesens wird nach einiger Zeit notwendig. Die Kraft vollzieht, bevor dieser Schritt getan ist, keine globale Wandlung des mentalen Wesens und der menschlichen Natur und noch viel weniger eine integrale Umwandlung; wenn das geschehen könnte, würde die restliche Sadhana verhältnismäßig sicher und einfach sein. Aber da ist das Vital und übt immer einen Druck aus auf das Mental und das Herz, stört die Sadhana und gefährdet sie, und es kann nicht zu lange Zeit sich selbst überlassen werden. Mit dem Ego und den Begierden des Vitals, seinen Tumulten und Umwälzungen muss man sich auseinandersetzen, sie müssen, wenn auch nicht auf einmal verbannt, so doch zumindest beherrscht und für eine allmähliche Modifikation, Wandlung und Erleuchtung vorbereitet werden. Das kann nur auf der vitalen Ebene selbst geschehen indem man mit dem Bewusstsein auf diese Ebene herabkommt. Das vitale Ego muss sich selbst seiner Mängel bewusst werden und willens sein, sich davon zu befreien; es muss entschlossen seine Eitelkeiten, seinen Ehrgeiz, seine Begierden und Sehnsüchte, seinen Groll und seine Empörung und all den übrigen ungeläuterten Stoff sowie die unreinen Bewegungen hinausstoßen. Das ist die Zeit der größten Schwierigkeiten, Revolten und Gefahren. Das vitale Ego hasst es, wenn man seine Wünsche durchkreuzt, es verübelt Enttäuschung und ist wütend, wenn sein Stolz und seine Eitelkeit verletzt werden; der Vorgang der Läuterung ist ihm zuwider, und es ist durchaus möglich, dass es diesem gegenüber Satyagraha erklärt – die Zusammenarbeit verweigert, seine eigenen Forderungen und Neigungen rechtfertigt, mancherlei passiven Widerstand leistet, die vitale Unterstützung, die sowohl für das Leben als auch für die Sadhana notwendig ist, zurückzieht und versucht, das Wesen vom spirituellen Pfad abzubringen. All dem hat man die Stirn zu bieten, und man muss es überwinden, denn der Tempel des Wesens muss rein gefegt werden, wenn der Herr unseres Wesens seinen Platz dort einnehmen und unsere Anbetung empfangen soll.
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Kapitel 7
Der Pfad des Integralen Yoga – ein spirituelles Abenteuer
Worte Sri Aurobindos
Der Yoga Sri Aurobindos beginnt bei der Lehre der alten Weisen Indiens, dass es hinter dem Erscheinungsbild des Universums die Wirklichkeit eines Wesens und Bewusstseins gibt, eines Selbsts aller Dinge, eins und ewig. Alle Wesen sind in diesem Einen Selbst und Geist vereint, aber getrennt durch eine gewisse Abgesondertheit des Bewusstseins, durch eine Unwissenheit hinsichtlich ihres wahren Selbsts und ihrer wahren Wirklichkeit im Mental, im Leben und im Körper. Durch eine bestimmte psychologische Disziplin wird es möglich, diesen Schleier des abgesonderten Bewusstseins abzulegen, und sich des wahren Selbsts, der Gottheit in uns und in allem, gewahr zu werden.
Sri Aurobindos Lehre legt dar, dass dieses Eine Wesen und Bewusstsein hier in der Materie involviert ist. Evolution ist die Methode, mit der es sich freisetzt; Bewusstsein taucht in dem auf, das unbewusst zu sein scheint und muss sich dann, wenn es einmal in Erscheinung getreten ist, aus innerem Drang immer höher entwickeln und sich gleichzeitig weiten und auf eine immer größere Vollkommenheit hinentwickeln. Das Leben ist der erste Schritt dieses Freiwerdens von Bewusstsein; mit dem Mental vollzieht sich der zweite Schritt, aber die Evolution bleibt beim Mental nicht stehen; sie erwartet eine Befreiung zu etwas Größerem hin, zu einem Bewusstsein spiritueller und supramentaler Art. Als nächstes muss sich in der Evolution der Schritt zur Entwicklung des Supramentals und Geistes als der beherrschenden Kraft des bewussten Wesens vollziehen. Denn nur dann wird sich die den Dingen innewohnende Göttlichkeit vollständig enthüllen, und das Leben Vollkommenheit manifestieren können.
Während aber die früheren Schritte in der Evolution von der Natur vollzogen wurden, ohne dass es einen bewussten Willen im Pflanzen- und Tierleben gegeben hätte, wird die Natur im Menschen fähig, sich durch einen bewussten Willen im Instrument weiterzuentwickeln. Dies kann jedoch im mentalen Willen des Menschen nicht auf vollständige Weise getan werden, da das Mental nur bis zu einem gewissen Punkt geht und sich danach nur noch im Kreise drehen kann. Eine Umkehr muss stattfinden und eine Wende des Bewusstseins vollzogen werden, durch die sich das Mental in das höhere Prinzip umwandeln muss. Die Methode dazu kann über die uralte psychologische Disziplin und Praxis des Yoga gefunden werden. In der Vergangenheit versuchte man, dies durch ein Sich-Zurückziehen aus der Welt und ein Entrücken in die Höhen des Selbsts oder Geistes zu erreichen. Für Sri Aurobindo ist jedoch eine Herabkunft des höheren Prinzips möglich, die das spirituelle Selbst nicht nur außerhalb der Welt, sondern in der Welt freisetzt, und die Unwissenheit des Mentals, bzw. sein sehr begrenztes Wissen, durch ein supramentales Wahrheits-Bewusstsein ersetzen wird. Dies wird ein hinreichendes Instrument für das innere Selbst sein und es dem Menschen ermöglichen, aus seiner immer noch animalischen Menschennatur zu einer göttlicheren Art heranzuwachsen. Die psychologische Disziplin des Yoga kann für diesen Zweck genutzt werden, weil sie alle Teile des Wesens für eine Umkehr oder Umwandlung mittels der Herabkunft und des Wirkens des höheren, noch verborgenen supramentalen Prinzips öffnet.
Doch kann dies nicht mit einem Mal oder in kurzer Zeit oder durch eine plötzliche und wundersame Transformation geschehen. Viele Schritte muss der Sucher tun, bevor die supramentale Herabkunft möglich ist. Der Mensch lebt meist in seinem Oberflächen-Mental, -Leben und -Körper; es gibt jedoch ein inneres Wesen in ihm mit größeren Möglichkeiten und dahin muss er erwachen –, denn noch erfährt er von ihm nur einen sehr eingeschränkten Einfluss, der ihn zu einem ständigen Streben nach mehr Schönheit, Harmonie, Macht und Wissen drängt. Der erste Prozess im Yoga besteht deshalb darin, die Bereiche dieses inneren Wesens zu öffnen und von da nach außen zu leben und das eigene äußere Leben durch das innere Licht und diese innere Kraft zu lenken. Auf diese Weise entdeckt der Mensch in sich seine wahre Seele, die nicht diese äußere Mischung mentaler, vitaler und physischer Elemente ist, sondern ein Teil der dahinter stehenden Wirklichkeit, ein Funke des einen Göttlichen Feuers. Der Mensch muss lernen, in seiner Seele zu leben, und muss durch den Drang der Seele zur Wahrheit die restliche Natur reinigen und neu orientieren. Danach kann ein Öffnen nach oben und die Herabkunft eines höheren Prinzips des Seins folgen. Aber selbst dann handelt es sich nicht sogleich um das volle supramentale Licht und die supramentale Kraft, da es verschiedene Bewusstseinsbereiche zwischen dem gewöhnlichen menschlichen Mental und dem supramentalen Wahrheits-Bewusstsein gibt. Diese dazwischenliegenden Schichten müssen geöffnet und ihre Macht in Mental, Leben und Körper herabgebracht werden. Erst danach kann die volle Kraft des Wahrheits-Bewusstseins in der Natur wirken. Daher ist dieser Prozess der Selbst-Disziplin oder Sadhana lang und schwierig, aber selbst ein kleiner Fortschritt ist ein großer Gewinn, da er das letztliche Freiwerden und die Vollkommenheit möglicher macht.
Viele Grundsätze älterer Disziplinen sind auf dem Weg notwendig: eine Öffnung des Mentals zu einer größeren Weite und zum Sinn für das Selbst und das Unendliche, ein Auftauchen in das kosmische Bewusstsein, die Beherrschung von Begierden und Leidenschaften; äußere Askese ist nicht entscheidend, aber die Überwindung des Begehrens und Verhaftetseins und die Kontrolle über den Körper, seine Bedürfnisse, Süchte und Instinkte sind unverzichtbar. Es ist eine Kombination aus den Prinzipien der alten Disziplinen, aus dem Weg des Wissens durch die mit dem Mental vorgenommene Unterscheidung zwischen Wirklichkeit und Anschein, aus dem Weg des Herzens mit seiner Hingabe, Liebe und des Sich-Überantwortens, sowie aus dem Weg der Werke, der den Willen weg von den Motiven des Eigeninteresses zur Wahrheit und zum Dienst an einer größeren Wirklichkeit als dem Ego hinlenkt. Es muss nämlich das gesamte Wesen geschult werden, damit es, sobald es dem höheren Licht und der höheren Kraft möglich ist, in der menschlichen Natur zu arbeiten, darauf ansprechen und umgewandelt werden kann.
In dieser Disziplin sind die Inspiration des Meisters und in den schwierigen Stadien seine Kontrolle und Gegenwart unerlässlich, denn andernfalls wäre es unmöglich, ohne allzu viele Fehltritte und Irrtümer durchzukommen, die jede Chance auf Erfolg verhindern. Der Meister ist jemand, der ein höheres Bewusstsein und Sein erreicht hat, und er wird oft als seine Manifestation oder sein Vertreter betrachtet. Er hilft nicht nur durch