während Gardner fortfuhr, ein paar ärgerlich klingende Sätze in die Luft zu sprechen.
Ich riß die Tür auf. Der Mann im Trenchcoat lehnte mit dem Rücken am Rahmen, den Kopf lauschend nach vorn gebeugt. Die Aktion kam für ihn völlig überraschend. Er riß die Pistole hoch, die er in der Hand hatte, er versuchte es wenigstens. Mein Karateschlag fegte ihm die Waffe aus den Fingern. Er starrte mich aus weit aufgerissenen Augen an. Seine Schrecksekunde währte nicht lange. Er gab sich einen Ruck und ging mit den Fäusten auf mich los.
Seine Angst und die Wut über das Entdeckt-Worden-Sein schienen seine Kräfte zu verdoppeln. Er praktizierte ein Temperament, als müßte er mich binnen weniger Sekunden von den Beinen holen. Ich hatte alle Hände voll zu tun, diese erste, wilde Attacke abzuwehren.
Als er eine kurze Verschnaufpause einlegte, marschierte ich nach vorn. Er sah sich plötzlich in die Defensive gedrängt und gab sich Mühe, nochmals die Oberhand zu gewinnen. Es gelang ihm nicht. Ich hatte seine Tricks schnell durchschaut und mich darauf eingestellt.
Ich bediente ihn mit ein paar kräftigen Linken, mischte einige Körperdubletten dazwischen und rundete das Ganze mit einem knochentrockenen Rechtshaken ab.
Mein Gegner sackte in die Knie. Er kam nochmals hoch, mit glasigem Blick und leicht staksigen Beinen. Ich legte einen kurzen, kräftigen Spurt ein und brachte ihn mit zwei soliden Treffern erneut auf die Matte.
Diesmal blieb er liegen. Ich bückte mich und klopfte ihn nach Waffen ab, fand aber keine. Dann hob ich seine Pistole auf. Ich schnupperte an der Mündung. Die Waffe war in letzter Zeit nicht benutzt worden. Das wunderte und irritierte mich. Ich nahm das Magazin heraus und überprüfte seinen Inhalt. Es war voll.
Das paßte nicht zu meinen Vorstellungen und Erwartungen. Norwich war von drei Kugeln niedergestreckt worden. De.r Täter hatte dabei einen Geräuschdämpfer verwendet. Ich hatte bei dem Mann im Trenchcoat nichts gefunden, was diese Feststellungen untermauerte.
»Kennen Sie ihn?« fragte ich schwer atmend und blickte Gardner an.
»Nein«, meinte der Maler kopfschüttelnd. »Er tauchte plötzlich mit seiner Puste in meinem Atelier auf. Er zwang mich dazu, mit ihm in die hinteren Räume zu gehen. Er drohte, mich abzuservieren, falls Liz es nicht schaffen würde, seinen Verfolger — also Sie — mit ein paar Lügen abzuschütteln. Ich konnte ihn davon überzeugen, daß ich in meiner Bleibe kein Blutbad wünschte und daß er gut beraten sei, wenn er mich nach vorn gehen lassen würde. Das ist alles.«
»Er ließ Sie so einfach gehen?«
»Er pflasterte meinen Weg mit ein paar handfesten Drohungen. Ich habe sie ernst genommen und war bereit, seine Forderungen zu erfüllen, aber als ich Ihren Ausweis sah, stellte ich die Weichen anders.«
»Hm«, machte ich und blickte den am Boden liegenden Gangster an. »Ich frage mich, warum er gerade hier haltmachte.«
»Ich schwöre Ihnen, daß ich den Kerl noch niemals zu Gesicht bekommen habe.«
»Warten wir ab, bis er wieder zu sich kommt«, sagte ich.
Als der Gangster sich hochquälte, machte er einen ziemlich ramponierten Eindruck. Ich schob ihm einen Stuhl zurecht. Er ignorierte ihn und lehnte sich gegen die Wand.
»Warum haben Sie es getan?« wollte ich wissen. »Warum haben Sie auf Lester Norwich geschossen?«
Der Gangster starrte mich an. Er atmete mit offenem Mund wie nach einem Geländelauf. »Wovon reden Sie überhaupt?« murmelte er.
»Von Ihrer Flucht. Können Sie mir verraten, wovor Sie geflohen sind?«
Sein linker Mundwinkel begann zu zucken. Er sah bitter und zermürbt aus. »Ich bin vor drei Wochen aus dem Knast gekommen«, sagte er. »Niemand hat mich haben wollen. Ich kriegte keinen Job. Ich habe es immer wieder versucht. Umsonst. Wer stellt schon einen Knastbruder ein? Heute war das Maß voll. Ich nahm mir vor, eine Kasse auszuräumen. Ich betrat ein Haus in der 5. Avenue, aber dann verließ mich plötzlich der Mut. Ich machte kehrt und fuhr weg. Unterwegs merkte ich, daß mir jemand folgte — ein roter Jaguar. Ich kriegte es mit der Angst zu tun. Wenn man mich mit der Puste erwischte, war ich geliefert. Ich fuhr kreuz und quer und stoppte vor einem Haus, das so aussah, als ob man es auf der anderen Seite wieder verlassen könnte. Den Rest wissen Sie.«
»Nicht ganz«, sagte ich. »Vergessen Sie nicht, daß man Sie Norwich’ Vorzimmerdame gegenüberstellen wird.«
»Verdammt noch mal, wer ist dieser Norwich?«
»Das sage ich Ihnen gleich. Erst möchte ich mal Ihren Namen hören.«
Er präsentierte mir schweigend seinen Führerschein. Das Papier lautete auf den Namen Hugh Parrish. Ich stieß einen Pfiff aus. »Jetzt erinnere ich mich an Sie. Sie waren vor fünf Jahren an dem Kenwood-Bankraub beteiligt.«
»Ich habe bloß Schmiere gestanden«, sagte er bitter. »Trotzdem haben sie mir fünf Jahre aufgebrummt.«
»Bei dem Bankraub wurden drei Menschen getötet«, sagte ich und gab Parrish den Führerschein zurück. »Von den vier verhafteten Tätern wollte es keiner gewesen sein…«
»Ich war es jedenfalls nicht!«
»Ich halte nur fest, daß Sie schon einmal in einen Mordfall verwickelt waren. Sie können sich leicht ausrechnen, was geschehen wird, wenn Lester Norwich seinen Verletzungen erliegen sollte.«
»Sie haben mir noch immer nicht gesagt, wer dieser Lester Norwich ist.«
»Ein Diamantenhändler. Er wurde ungefähr zü dem Zeitpunkt erschossen, als Sie das Haus in der 5. Avenue verließen und mit Ihrem Dodge davonfuhren.«
»Mein verdammtes Pech!« preßte Hugh Parrish durch die Zähne. »Immer gerate ich in Sachen, die andere drehen. Es ist, als wäre ich darauf abonniert.«
»Okay, sehen wir uns einmal Ihren Dodge an«, sagte ich.
»Es ist nicht mein Dodge«, murmelte der Gangster. . »Das war der zweite Grund, weshalb ich nicht geschnappt werden wollte. Ich habe versucht, Sie hier abzuschütteln. Der Wagen ist geklaut.«
»Es hat den Anschein, als brauchten Sie sich um Ihre weitere Zukunft keine Sorgen zu machen«, stellte ich fest. »Ihre Aussichten, Staatspensionär zu werden, sind denkbar gut.«
Wir gingen ins Atelier. Das Mädchen saß mit hochgezogenen Knien auf einem Stuhl. Den Morgenmantel hatte sie um ihre Beine gezogen. Sie zitterte, als ob sie fröre.
»Es ist alles vorbei, Liz«, sagte der Maler tröstend.
»Es war widerlich!« hauchte sie. »Ich hatte schreckliche Angst…«
In diesem Moment öffnete sich die Tür. Ich zuckte herum und hob die Pistole.
Der Mann erstarrte beim Anblick der Waffe. Er war groß und breitschultrig, ein Endfünfziger in einem auffälligen, tadellos gearbeiteten Maßanzug, ein Mann, der nach Geld und Macht roch. Ich hatte ihn schon tausendmal auf Fotos gesehen. Jetzt traf ich ihn zum erstenmal persönlich.
Es war Ken Price, der Syndikatsboß. Es war der Vater der ermordeten Lala.
Aus Chicago kommt der Gangsterboß
Hugh Parrish war ein Mann, der seine Chance zu nutzen wußte. Er wartete nicht ab, daß ich mich von meiner Überraschung erholte. Da er jetzt hinter mir stand, hatte er keine Mühe, einen blitzschnellen und knallharten Handkantenschlag anzubringen. Er setzte ihn auf meinen Hals. Ich fiel um und hörte auf, an etwas zu denken.
Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf einem mit rotem Plüsch bezogenen Biedermeiersofa. Am Fußende des Polstermöbels saß Ken Price. Der Maler stand hinter ihm. Ich wandte den Kopf. Liz Gaylord und Hugh Parrish waren verschwunden.
Ich schwang die Füße auf den Boden und setzte mich behutsam auf. »Wo ist er?« fragte ich.
»Er hat nicht viel Zeit verloren«, sagte der Maler bitter. »Als Sie zu Boden gingen, riß er Ihnen