blendend aus und war sehr vital. Außerdem war er millionenschwer.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß sein Geld Lala reizte«, sagte ich. »Sie hatte keine finanziellen Sorgen.« Norwich zuckte mit den Schultern. »Aber sie war auf Geld scharf«, behauptete er. »Dafür habe ich ein Gespür.«
»Gut. Unterstellen wir einmal, daß die beiden bis zuletzt befreundet waren. Wenn das zutraf, wußte Lala doch gewiß, daß Hartford nach New York zu kommen beabsichtigte?«
»Das ist anzunehmen.«
»Sie trat mir heute morgen überraschend in den Weg, kühl und entschlossen. Sie zog eine Waffe und bedrohte mich damit. Sie sagte, daß ich sterben müßte, weil ich Les erschossen hätte. Können Sie mir verraten, was sich dahinter verbirgt?«
Lester Norwich starrte mich an. »Es muß ein Versprecher gewesen sein — eine typische Fehlleistung.«
»Wie meinen Sie das?«
»Es ist schwer zu erklären«, sagte Norwich. »Wahrscheinlich wußte sie zu diesem Zeitpunkt, daß es Will Hartford erwischt hatte. Irgend jemand muß ihr eingeredet haben, daß Sie an dem Absturz die Schuld tragen. Sie beschloß, Wills Tod zu rächen und Sie niederzuschießen. In ihrer begreiflichen Erregung nannte sie jedoch nicht Wills Namen, sondern meinen — den Namen des Mannes, durch den sie Will kennengelernt hatte.«
»Sie werden zugeben, daß das wenig einleuchtend klingt«, sagte ich.
»Ich kann es nicht ändern«, meinte er. »Ich kann nur Theorien entwickeln. Es liegt an Ihnen, die Wahrheit herauszufinden.«
»Sie sind ein Routinier des Diamantenhandels«, sagte ich. »Wer hätte die Beute auf kaufen können?«
»Es ist nicht schwer, Rohdiamanten unter die Leute zu bringen«, sagte er. »Sie sind nicht so leicht zu identifizieren wie geschliffene Stücke. Allein in New York gibt es fünf oder sechs Leute, denen ich illegale Geschäfte dieser Art zutraue — aber da ich nicht beweisen kann, daß sie Hehler sind, werde ich mich hüten, einen Namen zu nennen.«
Ich verabschiedete mich und ging. Ich hatte nicht alle Fragen gestellt, die mir am Herzen lagen, aber ich hatte einen ersten und sehr konkreten Eindruck von Lester Norwich gewonnen.
Wenn ich das Nachtklubfoto zum Ausgangspunkt meiner Überlegungen machte, dann hatte Lala gewußt, daß Will Hartford nach New York zu fliegen beabsichtigte. Wenn sie tatsächlich auf Geld scharf gewesen war und, wie ihre Schwester Corinna bestätigt hatte, gern Geschäfte machte, bestand die Möglichkeit, daß Lala mit ein paar Gangstern gemeinsame Sache gemacht hatte.
War die Beute zunächst von Lala Price übernommen worden? Hatte das Girl beabsichtigt, die Beute Lester Norwich zum Kauf anzubieten? Dazu war es nicht mehr gekommen. Lala Price war vor meinen Augen erschossen worden.
Das Tatmotiv bot sich an: Die an dem Flugzeugabschuß beteiligten Gangster hatten keine Lust gehabt, die Beute mit Lala Price zu teilen. Vielleicht hatte sie einen Anteil gefordert, der den Gangstern entschieden zu hoch gewesen war. Kurz und gut — Lala war erschossen worden. Die Gangster hatten Bernie Hobson in die Wohnung der Prices geschickt, damit er die Diamanten herausholen konnte. Dabei war Hobson von Corinna Price’ Gorilla überrascht worden.
Leider hielt diese Theorie einer gründlichen Beleuchtung nicht stand. Erstens war es zweifelhaft, ob die Gangster einen Neuling vom Schlage Bernie Hobsons die Sicherstellung der Beute übertragen haben würden. Zweitens blieb offen, warum Lala mich wegen der Erschießung eines gewissen Les hatte töten wollen. Schließlich und endlich mußte geklärt werden, welche Rolle der verschwundene Fred Harper, Lalas Leibwächter, in dem Verbrechen spielte.
Als ich auf der Straße stand, fiel mir die Rechnung ein, die ich in Corinnas Lackledertasche gefunden hatte. Sie trug den Namen eines Modeateliers, das für seinen Chic und für seine gepfefferten Preise bekannt war. Es befand sich nur drei Häuserblocks von Norwich’ Office entfernt.
Wenn ich Glück hatte, war auch Lala eine Kundin des Salons gewesen. Ich ließ meinen Wagen stehen und machte mich zu Fuß auf den Weg. Die Empfangsdame, die mir im Salon entgegentrat und nach meinen Wünschen fragte, war jung, rotblond und,enorm attraktiv, aber sie brachte mir gegenüber nur ein Minimum an Verbindlichkeit zustande. Mein abgetragener Salz-und-Pfeffer-Anzug schien ihr zu verraten, daß ich kein potentieller Kunde des Hauses zu werden versprach.
»Ich hätte gern ein paar Worte mit Ihrer Chefin gewechselt«, sagte ich.
»In welcher Angelegenheit, bitte?«
»Es geht um Mord — um mehrfachen Mord«, erwiderte ich und fand es im Grunde tadelnswert, daß ich diese Fakten mit einem strahlenden Lächeln servierte.
Der Erfolg blieb nicht aus. Das arme Mädchen prallte zurück. Ihre makellose High Society-Fassade fiel in sich zusammen. »Um Mord?« stammelte sie fassungslos.
Sie machte kehrt und stürmte davon. Dabei verhaspelte sie sich in dem burgunderroten Samtvorhang, der den Salon von den dahinterliegenden Räumen trennte, fand endlich einen Durchschlupf und verschwand.
Ich folgte ihr und gelangte in einen Raum, der die Umkleidekabinen enthielt. Von hier führte ein Korridor zur Schneiderei und .dem Büro. Ich sah die Empfangsdame vor einer Tür mit der Aufschrift »Privat« stehen.
»Miß Hastings!« rief sie aufgeregt. »Miß Hastings, bitte!« Sie hämmerte mit beiden Fäusten gegen das Holz, als würde sie verfolgt.
Ich trat neben sie. Das Girl zuckte herum und starrte mich aus weit aufgerissenen Augen an.
»Da stimmt etwas nicht«, stieß sie hervor. »Die Tür ist abgeschlossen. Das ist sonst nicht Miß Hastings’ Art…«
Aus dem Innren des Raumes drangen seltsame Geräusche. Ein Gurgeln, dann ein Stöhnen. Dumpfe Laute, die sich wie Schläge anhörten, Gemurmel.
»Hat das Büro einen zweiten Zugang?« fragte ich das zitternde Mädchen.
»Nein, Sir.«
Ich warf mich mit voller Wucht gegen die Türfüllung. Erst beim dritten Anlauf segelte ich mit dem splitternden Holz über die Schwelle. Ich hatte Mühe, dabei auf den Beinen zu bleiben.
Die Frau lag mit dem Oberkörper quer über dem Schreibtisch. Von ihrem Gesicht konnte ich nicht viel sehen, da es in der Beuge des Ellenbogens ruhte. Der zweite Arm hing wie leblos nach unten. Die Frau saß auf dem vorderen Ende ihres Schreibtischsessels, der langsam unter der ungleichen Gewichtsverteilung zurückgedrückt wurde.
Die Empfangsdame stieß einen schrillen Schreckensruf aus.
Ich sah gerade noch, wie jemand durch das offenstehende Fenster verschwand.
»Fangen Sie sie auf!« rief ich dem Mädchen zu. »Rufen Sie einen Arzt und die Polizei…«
Ich durchquerte den Raum und jumpte aus dem Fenster. Es wies auf einen asphaltierten Hof, der mit parkenden Autos vollgestellt war. Ich blieb stehen, um zu sehen oder zu hören, wohin sich der Flüchtende gewandt hatte, aber dieses Bemühen blieb erfolglos. Ich sah und hörte niemand.
Es war klar, daß der Bursche sich hinter einem der Fahrzeuge verborgen hielt. Mit gespannten Muskeln bewegte ich mich vorwärts. In diesem Moment tauchte der Kerl wieder auf. Er rannte zwischen den parkenden Wagen hindurch auf die Hofausfahrt zu.
Ich sprintete hinterher. Mein Gegner hatte etwa fünfzehn Yard Vorsprung. Ich sah ihn nur von hinten. An der Art, wie er sich bewegte, war zu erkennen, daß er nicht älter als fünfundzwanzig Jahre sein konnte. Überraschenderweise ließ er die Ausfahrt links liegen. Er jumpte in eine schwarze Bodenöffnung und war verschwunden.
Als ich die Öffnung erreichte, sah ich, daß es eine in den Keller führende Einstiegsluke war. Eine breite Stahlblechtreppe führte in die Tiefe. Unten brannte Licht.
Ich lauschte. Stille. Ich hatte keine Lust, beim Hinabklettern ein selbstmörderisches Ziel zu bilden, und schaute mich um. Irgend jemand mußte doch in der Nähe sein, der für die geöffnete, ungesicherte