ihre Wappen ausrufen mußten usw. Dies setzte natürlich eine genaue Kenntnis voraus, was zur Anlegung der ältesten Wappenbücher führte (vgl. Hierzu v. Berchem, Galbreath und Hupp, „Beiträge zur Geschichte der Heraldik“, Berlin 1939). Der in Hessen bekannteste kaiserliche Herold war der Schutzbegleiter Luthers, Kaspar Sturm von Oppenheim, dessen Bild 1520 Dürer zeichnete und dessen Heroldsschwert sich im Museum in Friedberg befindet, wo er sich nachher niederließ und noch Nachkommen von ihm leben sollen.
Die allermeisten Wappen sind, wie angegeben, selbst gewählt. Wappenbriefe gab es erst seit dem 15. Jahrhundert. Sie waren Gnadenerweise und ihre Angabe oft zweifelhaft. Die Verleihung war eine Geldeinnahme der kaiserlichen Kanzlei oder der damit beauftragten Hofpfalzgrafen; das kleine Palatinat oder Comitive war das Recht, bürgerliche Wappen, das große, Adel und Adelswappen zu verleihen. Auch die meisten Universitäten besaßen die kleine Comitive, doch wurden auch viele Wappenbriefe ohne Comitive ausgestellt. Vielfacher Mißbrauch führte dann zur Aufhebung dieser Rechte. Da der Nachweis der Zugehörigkeit zu den verschiedenen Adelsstufen oft mit Rechten an Besitz und Stiftungen verbunden war, entstanden zum Schutz gegen Adelsschwindel sogenannte Heroldsdämter, die in jedem Land eine Adelsmatrikel führten und bei Standeserhöhung und Verleihung neuer adliger Wappen mitwirkten, 1918 dann aufgehoben wurden. Zur Pflege der Wappenkunst, Bekämpfung des sogenannten Wappenschwindels durch sog. Wappenfabriken (Kontore) bei der bürgerlichen Heraldik entstanden genealogischheraldische Vereine, die eingetragene Wappenrollen führen und von denen der Verein „Herold“ in Berlin der älteste ist. Nachdem die „Hessische Wappenrolle“ nicht mehr weitergefürt wird, können Wappen für unser Gebiet in die „Rhein-Main Wappenrolle“ der Mittelaltergruppe „Ritter von Darmstadt“ eingetragen werden. Der Verein hat geeignete Heraldiker und Wappenzeichner und führt seit 1997 die „Rhein-Main Wappenrolle“.
Das Verdienst, erstmals wissenschaftliche Methoden in die mit der Genealogie verbundene Heraldik gebracht zu haben, gebührt dem in der Kirchengeschichte als dem Stifter des Pietismus wohlbekannten Theologen Philipp Jakob Spener. Geboren wurde er am 13. Januar 1635 in Rappoltsweiler im Elsaß, wo sein Vater gräflich-rappoltsteiner Registrator und Rat war. Seine Beziehungen zu Hessen sind eng gewesen, denn seine Patin, Agathe Gräfin von Solms-Laubach, war die Gemahlin Eberhards Herrn von Rappoltstein. Als sie 1637 mitten in den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges durch den Tod ihres Gemahls in tiefste, auch finanzielle Not geriet, war ihr starker christlicher Glaube, ein Erbe des Laubacher Elternhauses, ihr einziger Halt, den sie noch auf ihrem Sterbebett ihrem damals 13jährigen Patenkinde so unauslöschlich einprägte, daß er durch Spener im sogenannten Pietismus zu einer tiefwirkenden Erneuerung der ganzen evangelischen Kirche wurde. Spener wurde 1666 als Senior der Geistlichkeit nach Frankfurt am Main berufen, wo er die längste Zeit seines Amtes waltete, ward 1686 Oberhofprediger in Dresden und 1691 Probst in Berlin, wo er am 5. 2. 1705 starb. Sein erstes heraldisches Werk war „Insigna serenissimi Familiae Saxonicae“ (1660), ein Kommentar zum sächsischen Wappen. Seine bedeutendsten heraldischen Werke schrieb er während seiner Frankfurter Zeit, seine „Historia insignium Illustrium s. Operis Heraldici, Pars specialis (Frankfurt 1680), Pars generalis“ (ebd. 1690), 1717; eine erste Systematik der Heraldik, die, wie Heydenreich a. a. O. schreibt, „durch ihre Vollständigkeit, Klarheit in der Anordnung und technische Präzision Epoche gemacht und lange klassisches Ansehen genoß“. Spener gab hier dem heraldischen Mystizismus den Todesstoß, er erläuterte die einzelnen Teile des Wappens historisch, indem er sie selbst als geschichtliche Gebilde betrachtete. Auch sein „Theatrum nobilitatis Europeae“ ist ein monumentales Werk, das für sich genügen würde, den Verfasser zum berühmten Mann zu machen. Von Frankfurt aus weilte Spener oft in Laubach, wo er auch predigte und dort die ersten Bet- und Bibelstunden hielt. So dürfen wir ihn auch in heraldicis mit Stolz zu den Unseren rechnen. Vgl. Hess. Familienkunde 1956, Heft 11/12.
Wir geben im folgenden die Richtlinien, nach denen das Wappenrecht aufgestellt und geordnet wurde.
Richtlinien der Bearbeitung: Aufgenommen wurde jedes innerhalb des heutigen Landes Hessen und der früheren Gebiete vorhandene und nachweisbare Wappen oder Marke einschließlich von bisher namentlich unbekannten.
Während die verhältnismäßig in sich geschlossenen Gebietsteile wie Frankfurt, Nassau, Rheinhessen und Waldeck in besonderen Bänden zusammengefaßt werden, umfassen die übrigen Bände beide Hessen, zwischen denen besonders in früheren Zeiten ein reger Beamten- und Familienaustausch stattfand, und zwar in der dem Verfasser zugänglich gewordenen Reihenfolge. Jeder Band enthält über 100 Wappen und Marken. Bei Abbildung des Wappens wurde, bis auf wenige erläuternde Angeben, auf eine heraldische Beschreibung verzichtet, da sie den Textumfang sehr vermehrt hätte. Bei einfachen Schildbildern genügte die Beschreibung ohne Bild. Von vielen alten Wappen, die nur als Siegel erhalten sind, sind die Farben nicht bekannt.
Bei dieser planmäßigen Inventarisierungsarbeit, die sich über 60 Jahre erstreckte und natürlich noch nicht abgeschlossen ist, und die der Verfasser, damals Pfarrer in Wallenrod und Schlitz, als staatlich beauftragter Kreisurkundenpfleger und Kreisdenkmalspfleger des Kreises Lauterbach begann, konnte eine Unmenge vergessener alter Familienwappen und Hausmarken wieder entdeckt und mit den einstigen Trägern identifiziert und so der Vergessenheit entrissen werden. Damit wurde eine bis ins kleinste gehende Ergänzung der vorhandenen Kunstdenkmälerwerke geschaffen, in denen die einfachen Grabsteine meist nicht zu finden sind. Dabei konnten durch Heranziehung alter Wappenwerke und die gewonnene planmäßige große Übersicht zahlreiche Wappenirrtümer und vielfacher sog. Wappenschwindel aufgedeckt und richtiggestellt werden.
Ein Wappenirrtum liegt vor, wenn eine Person oder Familie im guten Glauben und infolge mangelnder Kenntnis ein Wappen gleichen Namens ohne nachweisbaren genealogischen Zusammenhang als ihr Wappen annahm und führte, oder es ihnen von dritter Seite zugestellt wurde. Solche Fälle sind, besonders beim Neuerwachen der Familienforschung und des heraldischen Interesses in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zahlreich und oft dadurch veranlaßt, daß das alte Siebmachersche Wappenbuch keinerlei genealogische Angaben enthält. Solche Wappen wurden auf meinen Vorschlag entweder geändert oder durch Neuannahme ersetzt, soweit dies erreicht werden konnte. Wo nicht, ist dies durch Hinweis auf die Herkunft angegeben.
Der Wappenschwindel: Weit übler ist die Tatsache, daß geschäftstüchtige Schwindler das neu erwachte heraldische Interesse benutzten, um den ein Familienwappen Suchenden „ihr Wappen“ in ebenso farbenprächtiger wie heraldisch meist schlechter Darstellung für teures Geld zu verkaufen, indem sie Wappen gleichen oder ähnlichen Namens kopierten oder änderten und mit einem gefälschten pomphaften Text der Verleihung durch einen Kaiser versahen, wobei sie als Quelle meist eine gar nicht existierende „Europäische Wappensammlung“ mit Band und Seite angaben, zugleich mit einer oft sinnlosen Farben- und Figurendeutung. Diese sogen. Wappenfabriken sind heute den Heraldikern alle bekannt und wagen sich kaum mehr ans Licht.
Wie sollte man diese Wappen hier behandeln? Es ergaben sich zwei Möglichkeiten, einmal sie einfach auszumerzen, wenn die Wappenführer sich von der Tatsache überzeugt hatten. Schwieriger war es, wenn solche Wappen schon 50 bis 100 Jahre in der Familie geführt und auf Petschaften und Siegelringen benutzt wurden. In diesem Falle galt es, den falschen Text zu beseitigen und die Zeit der Annahme dafür zu setzen. Was das Wappen ein Neuentwurf gewesen und heraldisch fehlerfrei, so war eine Weiterführung gegeben, war es aber die Kopie eines schon vorhandenen, vielleicht mit gleichem Namen, so mußte es in Bild oder Farbe irgendwie abgeändert werden. Solche Fälle sind dem Verfasser öfter vorgelegt und in dem angegebenen Sinne berichtigt worden.
Gedächtniswappen: Da in alter Zeit die Hausmarke und anschließend das Wappen ganz einfach das Bildzeichen des Namens war, hat man schon früh nachträglich Wappen geschaffen von Personen, die selbst keines geführt haben, so z. B. von den Aposteln, Heiligen, einstigen Königen und exotischen Fürsten, ja sogar von Christus oder von Karl dem Großen und Apten aus vorheraldischer Zeit usw. Wir staunen, etwa in dem herald. Werk des Konzils von Konstanz eine Menge derartiger Wappen zu finden, oder etwa in der Reformationszeit in den Schild gesetzte Buchstabenmonogramme. Solche posthume Gedächtniswappen geben die Erinnerung an eine Persönlichkeit natürlich viel wirkungsvoller wieder als ein bloßer Name. So wurden in bewußter Weiterbildung dieses Brauchs z. B. im neuen hess. Ortswappenbuch die in Ortssiegeln stehenden Heiligen heraldisch durch ihre viel richtiger darstellbaren Beizeichen ersetzt.
Wappenneuannahme: