Werner Stilz

Darum in die Ferne schweifen


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ganzen Tag gute Laune zu haben, wenn man ihr Lächeln als Maßstab nimmt. Es machte mir Spaß, mit ihnen umzugehen.

      Während meines Aufenthalts in Surabaya war ich in einem Gästehaus von Hartono untergebracht. Es lag am Stadtrand neben grünen Reisfeldern. In der Nähe war eine Schule. Kamen die Schülerinnen und Schüler am Morgen in ihren schicken Schuluniformen an meinem Haus vorbei, lachten sie mich, den Fremden aus Europa, freundlich an und versuchten, ihre Englischkenntnisse anzubringen, indem sie mit mir auf Konversation machten.

      Das indonesische Essen ist etwas Besonderes. Es gibt viele einfache Gerichte, die trotzdem wunderbar schmecken, weil sie besonders gut gewürzt sind. In noblen Restaurants wurden bis zu acht Gänge serviert! Kellnerinnen in traditionellen Kleidern marschierten dann hintereinander in den Speiseraum, die Speiseteller graziös auf ihren Händen balancierend. Hartono hielt es eher mit chinesischer Kost. Wenn ich bei ihm in seiner Villa zum Essen eingeladen war, wurden schüsselweise große Garnelen serviert.

      Während meines Aufenthalts in Hartonos Firma lernte ich Thomas Müller kennen, ein Ingenieur aus dem Servicebereich von Daimler-Benz, der ebenfalls zu einem Einsatz in Surabaya von seiner Firma delegiert wurde. Hartono war auch der Vertreter der Daimler-Benz AG für Indonesien. Das war schön für uns beide, denn wir konnten uns erstens über geschäftliche Dinge austauschen und zweitens an den Wochenenden zusammen etwas unternehmen. Die Umgebung der Stadt war außerordentlich interessant. In den nahen Bergen liegt ein Ort namens Tretes, der über Quellen mit Thermalwasser verfügt. Dort gingen Thomas und ich gerne zum Schwimmen ins herrlich kühle Thermalbad. Welch ein Unterschied zur Hitze in der Stadt! Einmal unternahmen wir einen Ausflug zum 2.300 Meter hohen Mount Bromo, ein immer noch aktiver Vulkan, der ständig Magma speit. Die erste Etappe bewältigten wir mit einem Kleinbus, ehe wir auf Eselsrücken und zu Fuß zum Kraterrand hinaufpilgerten. Das Vulkaninnere, in das wir hinabschauten, beeindruckte uns ebenso sehr wie die Bergwelt ringsum. Auch dem prächtigen buddhistischen Tempel Borobudur statteten wir einen Besuch ab. Bei brütender Hitze kletterten wir die Stufenpyramide hinauf und wieder hinunter. Es lohnte sich.

      Hartono blieb ein schwieriger Kunde. Auch von mir ließ er sich nicht gerne etwas sagen. Da nur er wusste, was für seine Firma das Richtige war, beharrte er meist stur auf seinem Standpunkt. Einmal saß ich bei ihm im Büro bei einer kontroversen Unterhaltung. Ich spürte wie mein Stuhl vibrierte. Ich dachte bei mir: Reg’ dich bloß nicht auf. Du musst ganz cool bleiben. Doch es handelte sich um ein kleines Erdbeben, das da gerade zu spüren war. Nichts Aufregendes für die Einheimischen!

      Nach intensiven Bemühungen konnte ich den einen und anderen Arbeitsablauf wenn nicht optimieren, so zumindest verbessern. Unsere geschäftlichen Beziehungen brachten es mit sich, dass ich auch die Familie von Mr. Hartono kennenlernte. Er hatte zwei Kinder, eine Tochter, 25 Jahre alt, und den Sohn Rudy, 22. Rudy wäre der natürliche Nachfolger, der das Geschäft des Vaters einmal übernehmen hätte können. Aber er war ein vom strengen Vater eingeschüchterter junger Mann. Hatte sein Vater einmal mehr Gäste in sein Haus eingeladen, hielt er sich am liebsten versteckt. Daher nahm Hartono seine Tochter in seine Firma auf und übertrug ihr einige Aufgaben. Rudy durfte am Rande mitmischen.

      Nach drei Monaten fern der Heimat freute ich mich auf meine eigene Familie. Zufrieden und um einige viele Erfahrungen reicher, verließ ich Indonesien.

      Ein Jahr nach meinem Einsatz in Surabaya erhielten mein Chef und ich eine offizielle Einladung zur Hochzeit von Mr. Hartonos Tochter, die im Ball Room im Hilton Hotel in Surabaya stattfinden sollte. Hochzeiten werden bei wohlhabenden Asiaten bekanntermaßen immer im großen Stil gefeiert. Den Eltern kommt es aus Prestigegründen darauf an, wichtige Personen des öffentlichen Lebens und viele Geschäftsfreunde einzuladen. Wenn darunter noch ein paar »Langnasen« sind, ist das umso besser fürs Image. Bei den honorigen Gästen handelt es sich oft um für das Brautpaar völlig fremde Menschen. Doch unabhängig davon, dass wir seine Tochter und den Bräutigam kaum kannten, wollten wir Hartono nicht die Freude bereiten und durch unsere Anwesenheit sein Image aufpolieren. Mit dem Ausdruck allergrößten Bedauerns und aus vorgeschobenen Zeitgründen lehnten wir ab. Dennoch galt es, ein angemessenes Hochzeitsgeschenk zu finden. Nach einigem Hin und Her entschieden wir uns für eine Uhr für die neue Wohnung des glücklichen Brautpaars. Bei Juwelier Christ erstanden wir eine schöne, nicht ganz billige Standuhr für die Kommode, die mir auch für mein eigenes Zuhause gut gefallen hätte. Das golden glänzende Stück wurde als Geschenk unserer Firma nach Surabaya geschickt. Ein Dankschreiben erhielten wir überraschenderweise nicht. Bei meinem nächsten Besuch in Surabaya erkundigte ich mich vorsichtig, ob das Hochzeitsgeschenk angekommen sei. Ja, sagte die junge Frau, und vielen Dank. Euphorisch klang das nicht. Nachdem ich mit anderen darüber gesprochen hatte, erkannte ich, dass wir einen schlimmen Lapsus mit diesem Geschenk begangen hatten. Wer einem Chinesen eine Standuhr schenkt, wünscht ihm, nach verbreiteter (abergläubischer) Meinung, Unglück. Schließlich kann eine Uhr stehen bleiben. Den weiteren Geschäftsbeziehungen schadete unser Fauxpas nicht. Hartono war pragmatisch. Außerdem wusste er, dass die« Langnasen« anders ticken.

      Ich zog noch eine ganz andere Lehre aus dem Vorfall um das missglückte Geschenk. Unser beliebtestes Werbemittel war ein Schweizer Taschenmesser mit Bosch-Logo. Es zu verschenken, war aber nicht mit chinesischer Konvention vereinbar. Denn auch hier gilt: Wenn du ein Messer verschenkst, willst du ihm Böses antun. Also verkaufte ich es für ein paar Groschen, anstatt es als Präsent an die Händler zu überreichen. (Frei von allen Vorbehalten bedienten sich die Zöllner bei der Einreise gelegentlich in unserem Vorrat an Werbegeschenken. Die Messer erfreuten sich dabei einiger Beliebtheit.)

       Andere Länder, andere Sitten

      »Burma, was wollen Sie in Burma machen? Goldene Pagoden besichtigen? «, fragte mich mein Vorgesetzter, als ich eine Reise in dieses verschlossene Land vorschlug.

      »Natürlich – und nebenbei auch den Kfz-Markt sondieren«, erwiderte ich.

      Was mein Vorgesetzter angedeutet hatte, traf ohne Zweifel zu. Burma war damals für uns uninteressant. Der ausgesprochen geringe Bedarf an Autoersatzteilen wurde über das Nachbarland Thailand gedeckt. Die Militärdiktatur hatte das Land wirtschaftlich ausbluten lassen. Für Importe fehlte es an Devisen. Manchmal erreichten uns dennoch Briefe aus Burma, in denen nach Ersatzteilen für Bosch-Einspritzpumpen gefragt wurde. Auf dem veralteten Eisenbahn-Netz, einst von den britischen Kolonialbeamten aufgebaut, verkehrten uralte Henschel-Lokomotiven, die mit Dieselmotoren ausgestattet waren. Die Diesel-Einspritzpumpen stammten von Bosch.

      Nach Besprechungen bei F. E. Zuellig in Bangkok flog ich im Herbst 1983 am späten Abend nach Rangun. Beim Start betrachtete ich vom Fenster aus das glitzernde Lichtermeer von Thailands Hauptstadt. Als das Flugzeug zur Landung in Rangun ansetzte, waren überhaupt keine Lichter zu sehen. Erst auf der Rollbahn wurde es etwas heller. Die Beamten der Passkontrolle waren in Wickeltücher gehüllt, wie ich es von Indien kannte. Das Leben hier folgte einem ganz anderen Rhythmus als in Bangkok.

      Ein Fahrer mit blauem Turban brachte mich vom Flugplatz ins gebuchte Strand-Hotel. Mein Zimmer und das Badezimmer im altehrwürdigen Kolonialgebäude waren riesig, die Zinkbadewanne stand mitten im Badezimmer. Im Speisesaal wurden die Gäste von barfüßigen Männern in langen weißen Gewändern bedient.

      Am nächsten Morgen holte mich ein Mitarbeiter von Zuellig im Hotel ab. Wir besprachen den Ablauf meines Besuchsprogramms. Dann fuhren wir zur Straße, in der die Autoteilehändler ihre Geschäfte betrieben. Einige Läden boten Zündkerzen und Wischblätter von Bosch an, vor allem aber Bosch-Hörner. Lautes Hupen ist in Entwicklungsländern mit chaotischem Verkehr lebensnotwendig! Die Waren wurden über die thailändische Grenze ins Land eingeführt. Der Fahrzeugbestand war beeindruckend: Nirgends zuvor hatte ich so viele uralte Autos und Schrott-Busse auf den Straßen bemerkt wie hier in Burmas Hauptstadt. Die wenigen Fahrzeuge jüngeren Datums waren Pickups und stammten aus japanischer Fertigung. Für Bosch ergaben sich daher in diesem Sektor nur geringe Marktchancen. Doch darauf war ich vorbereitet. Ich suchte wie geplant die Büros der staatlichen Eisenbahngesellschaft auf, um herauszufinden, welchen Bedarf an Ersatzteilen es für unsere Diesel-Einspritzpumpen gab. Hier war ich als Repräsentant der Firma Bosch höchst willkommen. Man hatte sehr viele technische Fragen an mich, die ich leider nicht beantworten konnte. Ich notierte mir alles in ein kleines Notizbüchlein und versprach baldige