Beziehungen in Gl. (3-53) sind Ausdrücke für die Abhängigkeit der Freien Enthalpie von Temperatur und Druck (Abb. 3-19). Aus der ersten lesen wir ab:
Da für alle Substanzen S > 0 ist, muss G abnehmen, wenn die Temperatur eines Systems mit konstantem Druck und konstanter Zusammensetzung steigt.
Da (∂G/∂T)p umso negativer wird, je größer die Entropie des Systems ist, ist die Abnahme von G für Systeme mit hoher Entropie am ausgeprägtesten.
Der letzte Punkt wird besonders deutlich für eine Substanz in der Gasphase, die eine große molare Entropie aufweist, im Vergleich zur gleichen Substanz in der flüssigen oder festen Phase (Abb. 3-20). Die zweite Gleichung besagt entsprechend:
Da für alle Substanzen V > 0ist,muss G zunehmen,wenn der Druck eines Systems mit konstanter Temperatur Druck und konstanter Zusammensetzung steigt.
Diese Abnahme ist umso ausgeprägter ((∂G/∂p)T wird umso größer), je größer das Volumen des Systems ist.
Da eine Substanz in der Gasphase ein größeres Molvolumen besitzt als in den kondensierten Phasen, hängt die molare Freie Enthalpie eines Gases stärker vom Druck ab als die der entsprechenden festen oder flüssigen Phasen (Abb. 3-21).
Die Temperaturabhängigkeit der Freien Enthalpie
Wie bereits in der Einführung angemerkt wurde, ist die Gleichgewichtszusammensetzung eines Systems unmittelbar mit der Freien Enthalpie verknüpft. Um die Temperaturabhängigkeit der Zusammensetzung eines Systems richtig verstehen zu können, müssen wir uns daher zunächst mit der Temperaturabhängigkeit von G beschäftigen.
Abb. 3-21 Die Druckabhängigkeit der Freien Enthalpie wird durch das Volumen bestimmt. Das Volumen eines Stoffs im gasförmigen Aggregatzustand ist größer als das im flüssigen Zustand; am kleinsten (für fast alle Substanzen) ist das Volumen des festen Stoffs. Die Freie Enthalpie steigt für ein Gas daher am steilsten mit dem Druck an, für eine flüssige Phase und Feststoffe weniger steil. Da sich die Volumina fester und flüssiger Phasen desselben Stoffs wenig unterscheiden, ist auch die Änderung der Freien Enthalpie mit dem Druck für beide Aggregatzustände ähnlich.
Unser Ausgangspunkt ist Gl. (3-53), (∂G/∂T)p = – S; sie beschreibt die gesuchte Temperaturabhängigkeit als Funktion der Entropie und lässt sich durch Einsetzen der Definition von G in die Form S = (H – G)/T bringen. Dann ist
Wie wir später noch sehen werden, ist die Gleichgewichtskonstante einer Reaktion eine Funktion von G/T,nicht von G allein.6) Aus Gl. (3-54) lässt sich der gesuchte Zusammenhang leicht herleiten (siehe auch die folgende Begründung):
Gleichung (3-55) bezeichnet man als Gibbs-Helmholtz-Gleichung. Sie sagt aus, dass bei gegebener Enthalpie eines Systems auch die Temperaturabhängigkeit von G/T bekannt ist.
Begründung 3-5 Die Gibbs-Helmholtz-Gleichung
Wir gehen aus von
Nun verwenden wir Gl. (3-54) und schreiben
Wenn wir diesen Ausdruck in den vorhergehenden einsetzen, erhalten wir Gl. (3-55).
Die Gibbs–Helmholtz-Gleichung ist insbesondere bei der Betrachtung von physikalischen Zustandsänderungen und chemischen Reaktionen von Nutzen, die bei konstantem Druck verlaufen. Wenn wir die Differenz der Freien Enthalpien im Anfangsund Endzustand als dG = GE – GA schreiben und die Gleichung sowohl auf GE als auch auf GA anwenden, erhalten wir
(3-56)
Diese Gleichung sagt aus: Wenn wir die Enthalpieänderung eines Systems bei einer Zustandsänderung oder Umwandlung (Verdampfung, chemische Reaktion usw.) kennen, dann kennen wir auch die Temperaturabhängigkeit der zugehörigen Änderung der Freien Enthalpie. Wie wir noch sehen werden, ist dies eine der wichtigsten Informationen, die die chemische Thermodynamik liefern kann.
Die Druckabhängigkeit der Freien Enthalpie
Um die Freie Enthalpie bei einem bestimmten Druck aus ihrem Wert bei einem anderen Druck zu berechnen (die Temperatur soll konstant bleiben), setzen wir dT = 0 in Gl. (3-52) ein, erhalten dG = V dp und integrieren diesen Ausdruck:
Abb. 3-22 Die Differenz der Freien Enthalpien einer Flüssigkeit oder eines festen Stoffs bei zwei Drücken entspricht der hier gezeigten Rechteckfläche. Dabei wurde die Druckabhängigkeit des Volumens vernachlässigt.
Für molare Größen bedeutet dies
(3-57b)
Diese Beziehung kann auf jeden Aggregatzustand angewendet werden; Voraussetzung ist jedoch, dass wir wissen, wie das Molvolumen Vm vom Druck abhängt.
Die Druckabhängigkeit des molaren Volumens kondensierter Phasen ist wenig ausgeprägt (Abb. 3-22), weshalb wir Vm als Konstante behandeln und vor das Integral ziehen dürfen:
(3-58)
Übung 3-12
Berechnen Sie die Änderung von Gm, wenn der Druck von Eis bei –10 °C von 1.0 bar auf 2.0 bar erhöht