Peter W. Atkins

Physikalische Chemie


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Wasser, H2O (l) 69.9 Quecksilber, Hg (l) 76.0 Gase Methan, CH4(g) 186.3 Kohlendioxid, CO2(g) 213.7 Wasserstoff, H2(g) 130.7 Helium, He(g) 126.2 Ammoniak, NH3(g) 192.3

      Wie wir aus Abschnitt 3.1.2 wissen, ist die Entropie gemäß der Boltzmanngleichung null, wenn das System nur einen einzigen Mikrozustand einnehmen kann (W = 1). In den meisten Fällen ist bei T = 0 tatsächlich W = 1, weil es nur eine Möglichkeit gibt, die niedrigste Gesamtenergie zu erreichen – indem sich nämlich alle Moleküle gemeinsam in den Zustand niedrigster Energie begeben. In Übereinstimmung mit dem Dritten Hauptsatz der Thermodynamik gilt dann für T = 0 auch S = 0. Gelegentlich jedoch kommt es vor, dass bei T = 0 mehr als ein Mikrozustand zugänglich ist (W ≠ 1). Das ist z. B. dann der Fall, wenn ein bestimmter Ordnungszustand selbst am absoluten Nullpunkt keinen energetischen Vorteil bringt. So kann die Energie zweier unterscheidbarer Anordnungen zweiatomiger Moleküle, etwa ...AB AB AB... und ...BA AB BA..., nahezu gleich sein, weshalb bei T = 0dann W > 1und folglich S > 0 ist. Man spricht von einer Nullpunktsentropie. Eis besitzt beispielsweise eine Nullpunktsentropie von 3.4 J K–1 mol–1 infolge verschiedener möglicher Anordnungen der Wasserstoffbrückenbindungen. Ein gegebenes Sauerstoffatom geht zu seinen Nachbarn zwei kurze O–H- und zwei lange O... H-Bindungen ein; welche Bindungen kurz sind und welche lang, ist bis zu einem gewissen Grad dem Zufall überlassen.

      Entropien nach dem Dritten Hauptsatz

      In Analogie zur Standardreaktionsenthalpie definiert man die Standardreaktionsentropie ΔRS als Differenz der Entropien der reinen, getrennt vorliegenden Produkte und der reinen, getrennten Reaktanten; alle Substanzen befinden sich dabei bei der betreffenden Temperatur in ihrem jeweiligen Standardzustand:

      (3-25a)image

      Jeder Term ist hier mit dem zugehörigen stöchiometrischen Faktor gewichtet. Durch Verwendung der in Abschnitt 2.2.2 eingeführten Schreibweise können wir diesen Ausdruck eleganter schreiben:

      (3-25b)image

      Standardreaktionsentropien sind in der Regel positiv, wenn bei der Reaktion Gase gebildet werden, und negativ, wenn die Reaktion gasförmige Stoffe verbraucht.

      Ein praktisches Beispiel

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      Diese deutliche Abnahme der Entropie ist typisch für die Bildung eines flüssigen Stoffs aus zwei gasförmigen Edukten.

      Hinweis

      Setzen Sie die molaren Standardentropien von Elementen nicht fälschlicherweise gleich null; wie wir oben gesehen haben, sind sie (bei T > 0) ungleich null.

      Übung 3-6

      Berechnen Sie die Standardreaktionsentropie für die Verbrennung von 1 mol CH4(g) zu Kohlendioxid und flüssigem Wasser bei 25 °C. [–243 J K–1 mol–2]

      Bei der Diskussion der Enthalpien in Abschnitt 2.2.2 hatten wir festgestellt, dass sich reine Lösungen von Kationen ohne Anionen (oder umgekehrt) nicht herstellen lassen. Aus diesem Grund gibt man auch die molaren Standardentropien von Ionen in Lösung relativ zu einem willkürlichen Wert für das Wasserstoffion H+ an, dessen Standardentropie in wässriger Lösung bei allen Temperaturen gleich null gesetzt wird:

      [3-26]image

      Die Entropien von Ionen in Lösung hängen erwartungsgemäß davon ab, in welchem Maße das betreffende Ion den Ordnungszustand der umgebenden Lösungsmittelmoleküle beeinflusst. Kleine, hoch geladene Ionen bewirken eine lokale Strukturierung der Wassermoleküle und die Unordnung in der Lösung nimmt stärker ab als im Falle voluminöser, einfach geladener Ionen. Die absolute molare Standardentropie (nach dem Dritten Hauptsatz) des Protons in wässriger Lösung lässt sich anhand eines Modells der Struktur abschätzen, die das Ion bewirkt.Mittlerweile hat man sich mehr oder weniger auf –21 J K–1 mol–1 geeinigt. Das negative Vorzeichen bedeutet, dass Wasserstoffionen die Ordnung der Lösungsmittelmoleküle erhöhen.

      Der Dritte Hauptsatz bedeutet, dass ideal kristalline Substanzen bei T = 0 durch regelmäßig wiederholte Anordnungen von Atomen, Ionen oder Molekülen gekennzeichnet sind. Diese Regelmäßigkeit bestimmt zusammen mit den zugehörigen inner- und zwischenmolekularen Wechselwirkungen zwischen den Untereinheiten des Kristalls die physikalischen, optischen und elektronischen Eigenschaften des Festkörpers. In Wirklichkeit besitzen aber alle kristallinen Festkörper Defekte, die die physikalischen und chemischen Eigenschaften einer Substanz beeinflussen. Häufig werden sogar gezielt Verunreinigungen in einen Kristall eingebracht, um bestimmte Eigenschaften zu erreichen, z. B. eine bestimmte Färbung bei einem Schmuckstein oder verbesserte mechanische Eigenschaften bei Metallen.