Ermessen und nehmen Sie eine kritische Grundhaltung ein.
Wenn Sie es genau nachlesen wollen: Die zentralen Aspekte des risikoorientierten Prüfungsansatzes erläutert International Standard on Auditing (ISA) 200 »Übergreifende Zielsetzungen des unabhängigen Prüfers und Grundsätze einer Prüfung in Übereinstimmung mit den International Standards on Auditing«.
Risiken wesentlicher falscher Darstellungen identifizieren und beurteilen
Beim Risiko wesentlicher falscher Darstellungen handelt es sich um das Risiko, dass der geprüfte Abschluss vor der Abschlussprüfung wesentliche falsche Darstellungen enthält. Dieses Risiko ist abhängig von den individuellen Eigenschaften des Unternehmens (zum Beispiel Branche, Personalausstattung, Eigenkapitalausstattung, interne Prozesse). Die Risiken wesentlicher falscher Darstellungen sind die individuellen Risiken des Unternehmens, die unabhängig von der Abschlussprüfung bestehen.
Risiken wesentlicher falscher Darstellungen können auf zwei Ebenen bestehen:
der Gesamtabschlussebene und
der Aussageebene für Arten von Geschäftsvorfällen, Kontensalden sowie Abschlussangaben.
Risiken auf Abschlussebene
Risiken wesentlicher falscher Darstellungen auf Abschlussebene sind Risiken, die sich auf den Abschluss als Ganzes auswirken und möglicherweise viele Aussagen betreffen. Häufig handelt es sich dabei um Umstände, durch die sich die Risiken wesentlicher falscher Darstellungen für verschiedene Arten von Geschäftsvorfällen, Kontensalden oder Abschlussangaben vergrößern können.
Beispiele für Risiken auf Abschlussebene:
Zweifel an der Fortführungsfähigkeit der Geschäftstätigkeit
unzureichende Kompetenz des Managements
unzureichende Aufsicht über den Abschlusserstellungsprozess
Außerkraftsetzen von Kontrollen durch das Management (sogenanntes Management Override of Controls)
Risiken auf Aussageebene
Risiken wesentlicher falscher Darstellungen auf Aussageebene sind Risiken, die sich nur auf einen abgegrenzten Teil des Jahresabschlusses beziehen, beispielsweise einen einzelnen Bilanzposten.
Beispiele für Risiken auf Aussageebene:
fehlerhafter Ansatz von Vorräten
fehlerhafte Bewertung von Forderungen
unvollständiger Ansatz von Verbindlichkeiten
unzutreffende Umsatzrealisierung
Bestandteile des Risikos wesentlicher falscher Darstellungen
Das Risiko wesentlicher falscher Darstellungen setzt sich aus zwei Komponenten zusammen:
Inhärentes Risiko: Das Risiko besteht in der besonderen Anfälligkeit eines Geschäftsvorfalls, eines Abschlusspostens oder einer Abschlussangabe für fehlerhafte Darstellungen (vor Berücksichtigung von damit zusammenhängenden Kontrollen).
Kontrollrisiko: Es besteht das Risiko, dass wesentliche Fehler nicht durch das interne Kontrollsystem des Unternehmens verhindert oder aufgedeckt werden.
Grundsätzlich gilt: Das Risiko wesentlicher falscher Darstellungen ist umso höher, je höher das inhärente Risiko oder das Kontrollrisiko ist. Das Risiko wesentlicher falscher Darstellungen ist somit eine Funktion von inhärentem Risiko und Kontrollrisiko.
Das Risiko wesentlicher falscher Darstellungen beurteilen
Sie haben bei der Beurteilung der Risiken wesentlicher falscher Darstellungen zwei Möglichkeiten: Sie können diese
quantitativ (zum Beispiel in Prozentsätzen) oder
nicht quantitativ
ausdrücken. In der Regel lassen sich das inhärente Risiko und das Kontrollrisiko jedoch nicht exakt beziffern. Deshalb bieten sich schematische Einteilungen, in denen das Risiko wesentlicher falscher Darstellungen typisiert ermittelt wird, an (siehe Tabelle 4.1).
Kontrollrisiko | |||
---|---|---|---|
Verlässliches IKS | Nicht geprüftes IKS | ||
Inhärentes Risiko | geringer | minimales Risiko (z.B. 10 %) | moderates Risiko (z.B. 40 %) |
höher | geringes Risiko (z.B. 20 %) | hohes Risiko (z.B. 70 %) |
Tabelle 4.1: Bemessung des Risikos wesentlicher falscher Darstellungen
Nehmen Sie beispielsweise den Bilanzposten »Forderungen aus Lieferungen und Leistungen«.
Das inhärente Risiko kann als erhöht eingestuft werden, wenn ein Unternehmen besonders hohe Außenstände hat oder viele Forderungen auf fremde Währungen lauten.
Das Kontrollrisiko kann beispielsweise als niedrig eingestuft werden, wenn Sie sich im Rahmen der Prüfung davon überzeugt haben, dass das Unternehmen über ein gut strukturiertes Forderungsmanagement verfügt.
Für den Bilanzposten würde sich also aufgrund eines höheren inhärenten Risikos und eines funktionierenden internen Kontrollsystems (IKS) ein geringes Risiko wesentlicher falscher Darstellungen (zum Beispiel 20 Prozent) ergeben.
Reduzierung des Prüfungsrisikos auf ein vertretbar niedriges Maß
Das Risiko, dass Sie als Abschlussprüfer möglicherweise ein unangemessenes Prüfungsurteil abgeben, wird als Prüfungsrisiko bezeichnet. Wenn Sie eine hinreichende Prüfungssicherheit erreichen möchten, darf das verbleibende Prüfungsrisiko nach Ihrer Prüfung ein bestimmtes Maß nicht übersteigen.
Als Grad der hinreichenden Sicherheit wird in der Praxis von Wirtschaftsprüfern vielfach ein Konfidenzniveau von 95 Prozent gewählt.