Wolfgang Santjer

Ostfriesenspieß


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      Lothar Düselder

      Anlageberater

      Max van der Wierde

      Sonstige Verkehrsteilnehmer

      Erich Schulte (Mercedes-Fahrer)

      Linde Schulte (Ehefrau)

      Karl Klein (Transporter-Fahrer)

      Abel Batz

      Lisa Batz (Ehefrau)

      Henk Zijlstra (Lkw-Fahrer aus den Ndl.)

      Franz Ravenberg (Brandenburg)

      Erläuterungen zur Karte

      Zur besseren Orientierung werden im Krimi Örtlichkeiten wie folgt dargestellt:

      Die Nummern der jeweiligen Örtlichkeiten finden Sie in den Fußzeilen.

Nr. auf der KarteÖrtlichkeit
1AD Bunde
2AD Leer
3PP Olle Rheen/Rhede
4PP Rheiderland
5PP Brinkum/Nortmoor
6PP Uplengen Nord
7PP Uplengen Süd
8Industriegebiet Bunde-West
9Kraftwerk Weener
10Bereitschaftsplatz an der AS Jemgum
11Emstunnel
12Jann-Berghaus-Brücke
13Polizeidienstgebäude in der Stadt
14Polizeidienstgebäude der Autobahnpolizei
15B436 Umleitungsstrecke zwischen AS Weener und AS Jemgum
16Trogstrecke
17AS Jemgum/Bingum
18AS Bunde-West
19AS Leer-West

      Zitat

      Wenn es für unser Leben etwas Ewiges geben soll,

      so sind es die Erschütterungen,

      die wir in der Jugend empfangen.

      Theodor Storm

      Prolog

      Tag 1, nachts

      Er saß auf dem Fahrersitz des Transporters und sah nach draußen auf den einsamen Autobahnrastplatz. Wie verabredet hatte sie das alte Wohnmobil etwa 200 Meter vor seinem Fahrzeug am Rand des Parkplatzes abgestellt und die rote Beleuchtung eingeschaltet.

      »Kannst du mich hören?« Ihre Stimme klang nervös und aufgeregt.

      Er nahm das kleine Funkgerät aus der Ablage des Armaturenbretts und drückte die Sprechtaste. »Beruhige dich, ich kann dich gut sehen und pass auf dich auf. Schalte noch das rote Herz an.«

      Kurz darauf leuchtete das Herz in knallig roter Farbe im hinteren Fenster des Wohnmobils.

      Er legte das Funkgerät zu seiner restlichen Ausrüstung. Seine Hand fühlte die Handschellen, den Elektroschocker, das kleine Säckchen mit dem Autobahngold und das kalte Metall der Schere.

      Noch war kein Kunde in Sicht. Er griff nach der Schere und wog sie in seiner Hand.

      Er hatte sich sehr verändert. Zusammen mit seiner Naivität hatte er auch seinen Namen abgelegt.

      1989 (Zeit der Wende)

      Brandenburg

      Er stand vor der Wohnung seines Anlageberaters. In der Hand hielt er den aktuellen Kontoauszug seiner Bank. Die Tür ging auf und vor ihm stand Max van der Wierde. Dessen Lächeln wirkte aufgesetzt und angestrengt. Der Anlageberater war offensichtlich überrascht, ihn zu sehen.

      »Guten Tag, Herr Bach, was kann ich für Sie tun?« Nach einer kurzen Pause fügte van der Wierde hinzu: »Kommen Sie doch rein!«

      Er zwang sich zur Ruhe und betrat die Wohnung.

      »Am besten, wir setzen uns in mein Büro, ich muss nur schnell in die Küche, den Herd ausschalten. Heute gibt es Hühnchen in Wein.«

      Nun saß er auf demselben Stuhl wie vor vier Wochen, als er den Vertrag zu den Schiffsbeteiligungen unterschrieben hatte. Das Telefon auf dem Schreibtisch klingelte. Später konnte er sich nicht erinnern, wieso er aufgestanden und in den Flur gegangen war. Die Telefonklingel verstummte und er hörte van der Wierdes leise Stimme aus der Küche.

      Vorsichtig sah er in den Raum. Der Mann stand mit dem Rücken zu ihm, rührte mit einem Kochlöffel in einem Topf und hielt einen Telefonhörer mit der anderen Hand.

      Sein Anlageberater lachte. »Stell dir vor, jetzt sitzt dieser Trottel in meinem Büro und wartet darauf, dass ich ihm den Rest von seinem Geld abknöpfe«, flüsterte er.

      Ihm war sofort klar, wer der Trottel war. Er ging in die Küche, riss van der Wierde das Telefon aus der Hand und warf es in den Kochtopf.

      »Was fällt Ihnen ein, sind Sie verrückt?«

      »Wo ist mein Geld? Der Trottel will wissen, wo sein Geld ist!«

      Van der Wierde dachte wohl, Angriff sei die beste Verteidigung. »Verschwinden Sie aus meiner Wohnung!«, schrie er und zeigte zur Eingangstür.

      »Nicht ohne mein Geld!«

      Nun fing van der Wierde an, hysterisch zu lachen. »Dein Geld ist weg, Ronny. Futsch. Kapiert? Wir sind pleite! Wir haben keine Ladung für die Schiffe!«

      Ronny war sprachlos. Seine gesamten Ersparnisse hatte er diesem Mann anvertraut und nun stand er vor dem Nichts.

      Van der Wierde sah, wie die Wut der Verzweiflung wich und sein Gegenüber in sich zusammenbrach, und beging einen verhängnisvollen Fehler. »Du bist schuld, du hast mir ja dein Geld aufgedrängt. Hast mich in Versuchung geführt.« Er stieß Ronny den Zeigefinger gegen die Brust. Dann tippte sein Finger immer abwechselnd an Ronnys Schulter und Bauch. »Du hast mich doch zum Zocken verführt!«

      Ronny sah nicht mehr van der Wierde vor sich stehen, sondern seinen Vater, der ihn beschimpfte und ihm den Finger in den Bauch bohrte. »Du – mein Sohn? Dass ich nicht lache, du Taugenichts!« Sein Vater hatte es nötig …! Hatte sich den ganzen Tag mit Nutten rumgetrieben.

      Dann war es der Zeigefinger seines Klassenlehrers, dessen beliebtestes Opfer er gewesen war. »Ronny, aus dir wird nie was.« Die anderen Kinder in der Klasse hatten gelacht und ihn angestarrt. Er konnte ihre Blicke immer noch auf seinem Körper spüren, als er jetzt wieder den Mann vor sich wahrnahm, der ihn um sein ganzes Erspartes betrogen hatte.

      Ronny ballte eine Faust und seine ganze Frustration entlud sich in diesen Schlag.

      Der Faustschlag traf van der Wierde am Jochbein und er fiel nach hinten. Der Kopf knallte auf den Fliesenboden der Küche.

      Auf der schwarzen Granitarbeitsplatte lag noch die Geflügelschere, mit der van der Wierde offenbar kurz zuvor das Hühnchen zerteilt hatte. Blut und Fettreste schimmerten im Schein der Beleuchtung.

      Der Anlageberater war noch benommen. Er lag mit dem Rücken auf dem Küchenfußboden und versuchte, sich zu orientieren.

      »Du nennst mich einen Trottel?«, schrie Ronny Bach und kniete sich neben van der Wierdes rechtem Arm nieder. Seine linke Hand umschloss wie ein Schraubstock den Zeigefinger des Mannes, der ihn ausgelacht hatte. In der Rechten hielt er die Geflügelschere. Dieses Schwein würde nie wieder mit dem Finger auf andere Leute zeigen. Ronny würde sich nicht noch einmal demütigen lassen. Entschlossen drückte er die Griffe der Schere mit aller Kraft zusammen.

      Das knirschende, knackende Geräusch ging im Schrei seines Opfers unter. Ronny Bach steckte den abgetrennten Finger zusammen mit der Geflügelschere in seine Jackentasche. Er verließ die Wohnung und lief nach Hause. Dort wartete er auf die Polizei.

      Tag 1, nachts