Wolfgang Santjer

Ostfriesenspieß


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hatte man Maike zur Polizeidirektion nach Osnabrück abgeordnet.

      Broning drehte sich wieder zu Stefan um. »Was soll das heißen, der Finger fehlt?«

      »Na, weg halt, futschikato, verschwunden. Die Kollegen sprachen von einem abgetrennten Zeigefinger der rechten Hand.«

      Der Bulli verließ das Stadtgebiet und fuhr inzwischen auf der Kreisstraße 1 weiter in Richtung der Autobahn. Der ausgelutschte Motor röhrte und Stefan sprach lauter. »Die Kollegen von der Autobahnpolizei werden uns zum Fundort begleiten. Wir treffen uns also an ihrer Dienststelle.«

      Brede griff nach dem Hörer des digitalen Funkgerätes. Verbindung und Sprachqualität waren miserabel. »Gleich da, losfahren, keine Zeit verlieren.«

      Jan musste grinsen und sah Unschuld heuchelnd nach rechts aus dem Fenster. Die Kollegen dachten sicher, dass die fehlenden Worte in Bredes Mitteilung vom schlechten Funk geschluckt worden waren. Trotzdem hatten sie ihn wohl verstanden, denn ein Streifenwagen der Autobahnpolizei setzte sich an der Anschlussstelle zur Autobahn vor ihr Fahrzeug. Auf dem Dach des Audi A6 mit den auffallenden gelben Streifen leuchtete kurz das Lichtsignal ›Bitte folgen‹ auf.

      Brede bestätigte kurz mit der Lichthupe.

      *

      Im Streifenwagen sah POK Onno Elzinga, wie der Bulli der Spurensicherung zurückfiel. Der konnte mit ihrem hoch motorisierten Gefährt nicht mithalten. Elzinga nahm den Fuß vom Gaspedal.

      Sie fuhren am Autobahndreieck Leer geradeaus weiter. PK Klaas Leitmann auf dem Beifahrersitz grinste. »Lothar Düselders Gedächtniskurve.«

      Onno war erst seit ein paar Monaten bei der Autobahnpolizei und sah Klaas fragend an.

      Der lachte. »Mit dieser Kurve hat Düselder seine ersten Abschleppwagen finanziert. Die Urlauber glauben, die vorgeschriebenen 40 Stundenkilometer sind etwas übertrieben. Und so fliegen sie aus der Kurve raus und landen immer wieder links und rechts im Gelände.«

      »Na, wenigstens können sie nicht untergehen oder davontreiben.«

      »Da spricht wieder unser Kaleu Onno.«

      Onno Elzinga hatte über 25 Jahre lang seinen Dienst bei der Wasserschutzpolizei versehen, bis diese reformiert worden war. Er hatte die Chance ergriffen. Jetzt fuhr er nicht mehr auf der Ems mit dem Streifenboot und kontrollierte Binnen- und Seeschiffe, sondern mit dem Streifenwagen durch den Emstunnel unter dem Fluss hindurch und kontrollierte Lastkraftwagen.

      Die neuen Kollegen, insbesondere Klaas, hatten ihm den Wechsel leicht gemacht.

      Klaas war immer gut gelaunt und gemütlich, etwas zu dick, und von seinen schwarzen Haaren waren nur noch wenige vorhanden. Onno hatte anfangs überlegt, an wen ihn der Kollege erinnerte. Dann war es ihm plötzlich eingefallen … Wie hieß er noch mal der Mönch an Robin Hoods Seite? Bruder Tuck.

      Onno und Klaas fuhren gerne zusammen, weil sie sich beide auf den Schwerlastverkehr spezialisiert hatten.

      Sie fuhren an der AS Filsum und Apen vorbei und Onno bremste den Streifenwagen auf dem Verzögerungsstreifen zum Parkplatz Uplengen Süd ab.

      Tag 3, vormittags

      Der Bereich des Pkw-Parkplatzes war komplett mit Flatterband abgesperrt worden. Auf dem Lkw-Parkplatz standen das zweite Einsatzfahrzeug der Autobahnpolizei, ein Zivilwagen der Tatortgruppe und ein schwarzer Mercedes-Kombi mit der Aufschrift ›Bestatter Erdmann‹.

      Onno Elzinga parkte den Streifenwagen neben dem Fahrzeug der Autobahnpolizei. Der weiße Bulli der Spurensicherung parkte ebenfalls in der Reihe der Einsatzfahrzeuge. Die Kollegen stiegen aus.

      Jan Broning gab Elzinga lachend die Hand. »Hallo, Onno! In der neuen Uniform hab ich dich noch gar nicht gesehen. Steht dir aber gut.«

      Onno stellte fest, dass auch Jan Broning anders aussah. Der Bauchansatz war weg, die dunklen Augenränder verschwunden, Bart und Haare ordentlich geschnitten. Als sie zusammen in der Soko Ems zusammengearbeitet hatten, hatte Broning zeitweise neben sich gestanden und ungepflegt ausgesehen. Die alte Lederjacke allerdings trug Broning noch immer.

      Onno ahnte, wem die Verwandlung zu verdanken war. Er freute sich und gönnte es den beiden von Herzen. »Na, du hast dich aber auch ordentlich verändert. Vielleicht kannst du mir mal verraten, wie du das geschafft hast. Übrigens darf ich dir meinen Kollegen Klaas Leitmann vorstellen.«

      Die Kollegen gaben sich die Hand.

      Im Hintergrund war ein Räuspern zu hören. Onno drehte sich um und sah erst jetzt, dass sein Chef Anton Martens und dessen Stellvertreter Heinrich Greve hinter ihm standen. Er begrüßte beide. »Kennt ihr die Kollegen der Kripo, oder soll ich euch bekannt machen?«

      Anton Martens lachte. »Lass man stecken, Onno, wir kennen uns.«

      Klaas Leitmann seufzte: »Einsneunzig groß, breite Schultern, kein Bauch, und dann diese Ausstrahlung – und jetzt schau mich an!«

      Onno lachte. »Mit Jan können wir beide nicht konkurrieren, aber zum Glück haben wir ja beide liebe Frauen, was soll’s, Klaas.« Er strich gedankenverloren mit der Hand über die Narben in seinem Gesicht. Andenken an einen Bombenanschlag. Verdrängte Erinnerungen und Ängste tauchten auf.

      Klaas Leitmann lehnte sich gegen das Dach des Streifenwagens und drückte mit schmerzverzerrtem Gesicht den Rücken durch. Er stöhnte. »Kennt ihr euch gut, ich meine, du und der Broning?«

      Onno riss sich aus seinen düsteren Gedanken. »Das ist eine lange und spannende Geschichte, Klaas.«

      »In der ihr beide eine wichtige Rolle spielt?«

      »Gut geraten. Also …«

      Der Bestatter stieg aus seinem schwarzen Wagen und kam herüber. »Gestatten, Erdmann, Bestattungen. Ich sag immer, steht der Sensenmann vor der Tür, dann ruf Erdmann und er …«

      Klaas unterbrach die Singsang-Stimme. »… und Sie machen ihm die Sense scharf oder was. Mir tut zwar mein Rücken weh, aber deshalb brauchen Sie mich nicht gleich als Neukunden anzuwerben.«

      Der Bestatter lachte. »Eigentlich wollte ich nur fragen, ob einer von Ihnen mir beim Abtransport helfen könnte. Mein Assistent ist ausgefallen.«

      *

      Er hatte immer ein schlechtes Gewissen, wenn er ihn traf. Als Leiter der ehemaligen Soko Ems war er schließlich auch verantwortlich für die Sicherheit seiner Mitarbeiter gewesen. Zu Beginn der Ermittlungen hatte er Probleme mit sich und anderen Menschen gehabt. Ihm war zu spät aufgefallen, dass der gesuchte Mörder die Rollen getauscht hatte. Der Täter hatte den Spieß umgedreht und Anschläge auf die Ermittler verübt. Onno Elzingas vernarbtes Gesicht erinnerte Broning an sein damaliges Versagen.

      Aber das Leben geht weiter. Jan Broning hatte mit Unterstützung gelernt, sich selbst Fehler und Schwächen zu verzeihen.

      Er zog den weißen Overall der Spurensicherung an. Egon Kromminga von der TOG übernahm die Führung. Er hatte einen sogenannten Trampelpfad mit Flatterband markiert, der auf einem Umweg zum Fundort führte. Noch bevor Jan die Leiche sah, hörte er das Summen der Fliegen.

      Der Tote war ein kräftiger Mann von etwa 45 Jahren. Er trug ein teures Hemd und eine Anzughose. Jan Broning kniete sich neben die Leiche. Sein Knie protestierte mit einem lauten Knacken. Das Gesicht des Toten war auffällig rot, typisch für Kohlenmonoxid-Vergiftungen.

      Er sah zu Kromminga auf. »Habt ihr die Taschen durchsucht, was gefunden?«

      »Haben wir, Jan, aber keine Geldbörse, keine