für Geschlechtskranke verfügt werden. (4) Der Rat des Kreises, Abteilung Gesundheits- und -Sozialwesen, hat die Unterbringung aufzuheben, sobald ihr Zweck erreicht ist. Die Voraussetzungen zur Aufhebung der Unterbringung sind vom Leiter der geschlossenen Abteilung für Geschlechtskranke und vom Rat des Kreises, Abteilung Gesundheits- und Sozialwesen, ständig zu überprüfen.“128
Darüber hinaus kannte die „Verordnung zur Verhütung und Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten“ eine Gruppe von Personen, die als „dringend krankheitsverdächtig“ galten. Nach Paragraph 3, Absatz 3, wurden hierunter Personen verstanden, die „a) wiederholt andere mit einer Geschlechtskrankheit angesteckt haben, b) häufig wechselnden Geschlechtsverkehr haben oder häufig wechselnd geschlechtsverkehrsähnliche Handlungen mit anderen Personen vornehmen“.129 Für diese Personen sah die „Verordnung zur Verhütung und Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten“ von 1961 Sonderregelungen vor, die durchaus Anknüpfungspunkte an den SMAD-Befehl Nr. 273 von 1947 darstellten.130
Nach Paragraph 18 mussten alle dringend krankheitsverdächtigen Personen grundsätzlich namentlich dem Rat des Kreises gemeldet werden: „(1) Namentlich zu melden ist ein Geschlechtskranker oder Krankheitsverdächtiger, der a) sich trotz der Verpflichtung ärztlich nicht untersuchen oder behandeln läßt oder sich nicht der Untersuchung bzw. Behandlung bis zum Abschluß unterzieht, b) bei Beginn der Untersuchung oder Behandlung nicht angibt, von welchem Arzt er zuvor untersucht oder behandelt worden ist, c) den ärztlichen Anordnungen hinsichtlich der Untersuchung und Behandlung, der Überweisung durch eine zur Untersuchung oder Behandlung nicht berechtigte Person zu einem berechtigten Arzt oder der ärztlichen Überweisung zur stationären Behandlung nicht Folge leistet, d) sich entgegen dem Verbot des Geschlechtsverkehrs oder geschlechtsverkehrsähnlichen Handlungen nicht enthält, e) erforderliche Auskünfte über die Ansteckungsmöglichkeiten dem berechtigten Arzt nicht gibt oder vom Arzt zur Untersuchung nicht aufgefordert werden kann, f) entgegen dem Verbot Blut spendet, g) durch die berufliche Tätigkeit eine erhöhte Ansteckungsgefahr bietet, h) als dringend krankheitsverdächtig gilt.“131
Zwei weitere Paragraphen der „Verordnung zur Verhütung und Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten“ waren speziell für „dringend Krankheitsverdächtige“ vorgesehen: Paragraph 22 und 24. Der Paragraph 22 regelte Fragen zur Feststellung der Personalien und der Unterbringung in geschlossenen Abteilungen: „(1) Der Rat des Kreises, Abteilung Gesundheits- und Sozialwesen, oder dessen Beauftragte können bei den Personen, die als dringend krankheitsverdächtig anzusehen sind (§ 3 Abs. 3), sofort die Personalien feststellen und die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über den Gesundheitszustand verlangen. (2) Der Rat des Kreises, Abteilung Gesundheits- und Sozialwesen, kann von dringend krankheitsverdächtigen Personen eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung von Geschlechtskrankheiten verlangen. Er kann den dringend Krankheitsverdächtigen an eine staatliche Untersuchungs- und Behandlungsstelle verweisen und diese mit der Untersuchung beauftragen. Untersuchungen zur Feststellung des Gesundheitszustandes können wiederholt verlangt werden. (3) Im Krankheitsfalle hat der Rat des Kreises, Abteilung Gesundheits- und Sozialwesen, dringend krankheitsverdächtige Personen in einer staatlichen stationären Behandlungsstelle unterzubringen. Bei Nichtbefolgung dieser Maßnahme oder bei Verdacht, daß dieser nicht Folge geleistet wird, ist die Unterbringung in eine geschlossene Abteilung für Geschlechtskranke zu verfügen. (4) Für die Beendigung der Unterbringung gelten die Bestimmungen des § 20 Abs. 4.“132 Darüber hinaus konnten nach Paragraph 24 „dringend Krankheitsverdächtige“ in Sozialheime eingewiesen werden: „Die geeignete Betreuung dringend Krankheitsverdächtiger über 18 Jahre in Sozialheimen kann durch die Räte der Kreise, Abteilung Gesundheits- und Sozialwesen, mit Zustimmung der aufzunehmenden Person erfolgen. Die Unterbringung hat zum Ziel, durch erzieherische Arbeit und geregelte Lebensweise eine Besserung der Untergebrachten zu erreichen und die Rückführung in die Gesellschaft zu fördern.“133
Für die Durchsetzung der benannten Verfügungen konnte nach Paragraph 27 polizeiliche Amtshilfe angefordert werden: „(1) Werden Maßnahmen zur ordnungsmäßigen Durchführung getroffener Verfügungen a) gegen einen Kranken oder Krankheitsverdächtigen zur ärztlichen Untersuchung oder Behandlung gemäß § 20 Absätzen 1 bis 3, b) gegen eine dringend krankheitsverdächtige Person zur Feststellung der Personalien oder gegen eine andere Person zur ärztlichen Untersuchung oder Behandlung gemäß § 22 Absätzen 1 bis 3, c) gegen andere Personen zur Feststellung der Personalien oder zur ärztlichen Untersuchung nicht befolgt, können diese entsprechend durchgesetzt werden. (2) Die Organe der Deutschen Volkspolizei leisten bei der Durchführung dieser Maßnahmen Amtshilfe, wenn den Umständen nach zu erkennen ist, daß die mit der Durchführung der Maßnahmen Beauftragten mit Gewalt bedroht oder tätlich angegriffen werden könnten.“134
Im Gegensatz zum SMAD-Befehl Nr. 273, der Zuwiderhandlungen vor allem mit Gefängnis bestraft hatte, beschränkten sich die Straf- und Ordnungsstrafbestimmungen im Wesentlichen auf „Ordnungsstrafen bis zu 500 DM“.135 Lediglich die in Paragraph 29 beschriebene wissentliche Gefährdung anderer Personen, wurde mit öffentlichem Tadel oder Gefängnis bestraft: „(1) Wer Geschlechtsverkehr oder geschlechtsverkehrsähnliche Handlungen mit einer anderen Person ausübt, obwohl er weiß, daß er an einer ansteckenden Geschlechtskrankheit leidet oder mit dieser Möglichkeit rechnen muß, wird mit öffentlichem Tadel, bedingter Verurteilung oder Gefängnis bis zu 2 Jahren bestraft.“136
Die Regelungen der „Verordnung zur Verhütung und Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten“ wiesen einerseits eine neue Form des Umgangs mit Geschlechtskranken auf. Wer sich zum ersten Mal infizierte, sollte sich nicht mehr vor der Missachtung seiner Persönlichkeitsrechte durch namentliche Weiterleitung an die Behörden fürchten. Hierfür wurde die chiffrierte Weitergabe von Personendaten für die statistische Ausarbeitung in der Verordnung festgeschrieben. Gleichzeitig knüpfte die „Verordnung zur Verhütung und Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten“ an grundsätzliche Normen des SMAD-Befehls Nr. 273 an. So konnten „dringend Krankheitsverdächtige“, also Personen, die unter dem Verdacht des häufig wechselnden Geschlechtsverkehrs standen, sofort in eine geschlossene Einrichtung gebracht werden. Und nicht nur „dringend Krankheitsverdächtige“, sondern auch alle anderen Geschlechtskranken konnten am Ende eines mehrstufigen Verfahrens in eine geschlossene Abteilung zwangseingewiesen werden.
Abb. 5 Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, Teil II, Berlin 1961, „Verordnung zur Verhütung und Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten“
Fortsetzung von Abb. 5
Fortsetzung von Abb. 5
Fortsetzung von Abb. 5
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