aus stationärer Behandlung keinen festen Wohnsitz haben, in das Zufluchtsheim gegeben, bis sie durch Aufnahme von Arbeit in gesicherte Verhältnisse kommen. Das Zufluchtsheim ist heute noch das einzige Heim, das für diesen Notstand im Stadtgebiet Halle vorhanden ist.“82 Besonders Jugendliche waren zeitweise unter Aufsicht der Beoachtungsstation und hatten dort extra eingerichtete Räume für die Zeit ihres Aufenthalts: „Werden dort Jugendliche, also unter 18-jährige behandelt oder bekannt, muss von den genannten Abteilungen festgestellt werden, ob eine Aufnahme der Jugendlichen nach Entlassung aus der B-Station im elterlichen Haushalt möglich oder wünschenswert ist.“83 Andernfalls konnten die Jugendlichen in Durchgangsheimen untergebracht werden, bevor sie anderen erzieherischen Einrichtungen, beispielsweise Erziehungsheimen, zugeführt wurden. Um entscheiden zu können, wohin der Facharzt der Beobachtungsstation die Jugendlichen entließ, hatte er ein „Interesse daran, über die Lebensverhältnisse der Behandelten und über ihren Ruf näheres zu erfahren“.84 Teilweise wünschten auch die Patienten eine Rücksprache, um die Betreuung ihrer Kinder während ihres Krankenhausaufenthaltes zu regeln. In solchen Fällen wurde über die Abteilung eine Heimerziehung und/oder Heimunterbringung veranlasst.
Von der Beobachtungsstation für geschlechtskranke Mädchen und Frauen in der Kleinen Klausstraße 16 existiert ein Bauplan vom 7. Juli 1949. Dieser war dem eingangs erwähnten Bauantrag85 des Rats der Stadt Halle (Saale) vom 14. August 1949 an die Landesregierung Sachsen-Anhalt beigelegt.86 Aus dem Bauplan geht hervor, dass ein „Fachkrankenhaus“ und „eine Beobachtungsstelle im Mittelflügel an der Gr.-Nikolai-Str.“ errichtet werden sollten. Außerdem geht aus dem Bauplan hervor, dass beide Einrichtungen räumlich miteinander verbunden werden sollten ((Abb. 3).
Im linken Seitenflügel waren eine Schwesternwohnung, eine Wäschekammer, ein Röntgen- und ein Umspann-Raum einerseits sowie ein Schlafraum für Jugendliche, ein Schlafraum für Patienten, eine Teeküche, ein Waschraum und eine Toilette für die Schwestern bzw. ein Waschraum und Toiletten für die Patienten vorgesehen. Im rechten Seitenflügel waren ein Zimmer, ein Wohnraum und eine Küche geplant. Der Mittelflügel an der Großen Nikolaistraße war von links nach rechts wie folgt aufgebaut: Einem großen Schlaf-Saal mit vier Fenstern zur Großen Nikolaistraße und einem Fenster zum Innenhof folgte ein etwas kleinerer Tagesraum mit drei Fenstern zur Großen Nikolaistraße und drei Fenstern zum Innenhof. Der anschließende Behandlungsraum, das folgende Arztzimmer und das Aufnahmebüro hatten jeweils ein Fenster zum Innenhof. Diese drei Räume waren durch einen Flur miteinander verbunden, der vom Tagesraum (links) bis zum Pförtner im Treppenhaus (rechts) reichte.87
Abb. 3 Bauplan für das Grundstück Kleine Klausstraße 16 „Fachkrankenhaus und Beobachtungsstelle im Mittelflügel an der Gr.-Nikolai-Str.“ (1949)
Für die Umsetzung des Bauantrags waren ursprünglich 9.224 DM88 geplant, die sich bis zur Baugenehmigung auf 9.660 DM89 erhöhten. Diese Kostensteigerung war das Ergebnis einer Reihe von Auflagen: Eine Notleiter für die Schwesternwohnung oder ein Notausgang zwischen der Schwesternwohnung und dem Schlafraum der Jugendlichen gehörten ebenso zu den Auflagen90 wie die Einrichtung von Waschgelegenheiten im Arzt- und Behandlungsraum oder eines Fensters in der Toilette des Schwesternpersonals, das unmittelbar ins Freie führen sollte.91 Trotz diverser Schreiben hinsichtlich der Notwendigkeit und Dringlichkeit zur Einrichtung der Beobachtungsstelle92 und der Baugenehmigung vom 27. Juni 195093 gingen die Bauarbeiten kaum voran. Der Grund hierfür dürfte vor allem im Fehlen von notwendigen finanziellen Mitteln gelegen haben, wie aus einem Schreiben des Dezernats Gesundheits- und Sozialwesen vom 20. Juni 1951 an die Landesregierung Sachsen-Anhalt hervorgeht.94 In diesem Schreiben geht es um die Verwendung eingesparter Haushaltsmittel des Landes Sachsen-Anhalt, die auf Ministerratsbeschluss vom 25. Mai 1951 für notwendige „Reparaturen auf dem Gebiete der Volksbildung und des Gesundheitswesens“ verwendet werden sollen.95 Für den Ausbau des Grundstücks Kleine Klausstraße 16 wurde nun ein Bedarf von 40.000 DM veranschlagt: „Zur Unterbringung der Geschlechtskrankenfürsorgestelle der Stadt Halle, die zurzeit im Gebäude Schmeerstr. 1 untergebracht ist (…) soll das Grundstück Kl. Klausstr. 16 ausgebaut werden. Der Ausbau soll bereits seit April 1950 erfolgen. Die Zurverfügungstellung der Mittel ist jedoch vom Ministerium der Gesundheitswesen bisher immer verzögert worden, obwohl die Auswahl des Objektes und die Zweckmäßigkeit der Herausnahme der Geschlechtskrankenfürsorgestelle aus dem eigentlichen Gesundheitsamt anerkannt worden ist.“96 Statt der beantragten 40.000 DM wurden am 10. August 1951 30.000 DM außerplanmäßig für die Instandsetzungs- und Ausbauarbeiten auf dem Grundstück Kleine Klausstraße 16 zur Verfügung gestellt. Mit diesen Mitteln war nun der Ausbau des Grundstückes gesichert.97 Wann die Bauarbeiten in der Kleinen Klausstraße 16 abgeschlossen wurden, ist nicht bekannt. Spätestens im Juni 1952 muss die Geschlechtskrankenfürsorgestelle von der Schmeerstraße 1 in die Kleine Klausstraße 16 umgezogen sein, da nun die Schreiben der Geschlechtskrankenfürsorgestelle mit der Adresse Kleine Klausstraße 16 versehen waren.98
2.3 SMAD-Befehle zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten und die „Verordnung zur Verhütung und Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten“ vom 23. Februar 1961
Die alliierten Truppen versuchten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine schnelle Ausbreitung von Infektionskrankheiten in den Besatzungszonen einzudämmen.99 Entsprechend trafen sie Maßnahmen, um Krankheitsanstreckungen zu verhindern. Vor allem die Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten hatte bei den Alliierten eine hohe Priorität, da sie fürchteten, dass die deutschen Verwaltungen und Ärzte die immer bedrohlicher werdende Zahl an Infektionen nicht beherrschen würden. Die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) reagierte rasch und griff in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) rigoros durch.100 So wurde zwischen 1945 und 1946 eine dichte Folge von SMAD-Befehlen erlassen, welche die Aktivierung und Durchführung von einheitlichen Vorgehensweisen bei der Bekämpfung und Verhinderung von sexuell übertragbaren Krankheiten in der SBZ regelte. Die SMAD-Befehle zur Bekämpfung und Eindämmung von Geschlechtskrankheiten waren Übersetzungen von Regelungen aus der sowjetischen Medizinalpraxis. Diese Strategie wurde bereits bei anderen SMAD-Befehlen zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten in der SBZ angewandt, beispielsweise der Tuberkulose.101
Mit dem SMAD-Befehl Nr. 25 vom 7. August 1945 wurde die allgemein zugängliche Prophylaxe und ärztliche Hilfe für Geschlechtskranke geregelt.102 Dazu sollte einerseits ein dichtes Netz von ärztlichen Anstalten eingerichtet werden. Andererseits galt es Venerologen für diese Aufgaben heranzuziehen. Die Inhalte des SMAD-Befehls Nr. 25 bezogen sich auf Schlagworte wie: unentgeltlich, Erreichbarkeit sowie Vorbeugung und Behandlung.103 Aufgrund der mangelhaften Durchführung des SMAD-Befehls Nr. 25 in der gesamten SBZ wurde ein weiterer Befehl zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten von der SMAD erlassen. Dieser SMAD-Befehl Nr. 030, trat am 12. Februar 1946 in Kraft, wurde aber erst im Juli 1946 durch ausführende Bestimmungen der Deutschen Zentralverwaltung für das Gesundheitswesen (DZVG) ergänzt.104 Im SMAD-Befehl 030 wurde von der Einrichtung von Ambulatorien gesprochen, in denen die Behandlung von Geschlechtskrankheiten, ebenso wie in allen Krankenhäusern und Privatpraxen durchgeführt werden sollte. Dabei waren den einzelnen medizinischen Einrichtungen – Krankenhaus, Ambulatorium, Beratungsstelle und Arzt-Praxis – bestimmte Bezirke zur Behandlung, Beobachtung und prophylaktischen Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten zuzuweisen. Gleichzeitig wurde den Präsidenten der Provinzen und Länder der SBZ befohlen, ein Netz von Beratungsstellen bzw. Fürsorgestellen für Geschlechtskranke zur prophylaktischen Behandlung und Untersuchung einzurichten.105 Zugleich verfügte die DZVG, dass der Begriff „Ambulatorium“ in der SBZ nur noch für Einrichtungen verwendet werden soll, die auf Geschlechtskrankheiten spezialisiert waren. Damit gingen auch die finanziellen Abwicklungen der prophylaktischen Beratung und medizinischen Betreuung von Geschlechtskranken einher. Die Beratungs- und Behandlungsstellen für Geschlechtskranke (Ambulatorien) wurden durch Mittel der DZVG bzw. der Provinzialverwaltungen finanziert.106 Diese finanzielle Absicherung der Ambulatorien sollte die kostenlose Inanspruchnahme vor allem der prophylaktischen Maßnahmen durch die Bevölkerung dauerhaft sichern. Gleichzeitig sollte die Schwelle für die Bevölkerung reduziert werden, die Ambulatorien prophylaktisch aufzusuchen.107