Claudia Rossbacher

Steirertanz


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Bergmann im eigenen Saft schmorte, schaute sie sich die Wiederholung eines steirischen Landkrimis an und trank dazu Muskateller, den sie im Kühlschrank gefunden hatte. Die heimische Filmreihe gefiel ihr wesentlich besser als die meisten Tatort-Folgen. Wenngleich sie auch bei diesem Film über einige realitätsferne Szenen den Kopf schütteln musste.

      Andererseits wollte bestimmt niemand sehen, wie langwierig die Polizeiarbeit mit all dem Papierkram und unzähligen Vorschriften wirklich war, meinte Bergmann, der ihr nach dem Saunagang Gesellschaft leistete. Immer wieder mussten sie über die beiden TV-Ermittler schmunzeln, die sie verblüffend an sie selbst erinnerten. Noch bevor der Täter überführt werden konnte, den sie übereinstimmend längst zu kennen glaubten, war Bergmann auf der Couch eingeschlafen.

      Sandra schaltete den Fernseher aus und spülte die Weingläser ab. Auf Socken schlich sie ins Badezimmer und machte sich fürs Bett fertig, um anschließend am schnarchenden Chefinspektor vorbei in ihr Schlafzimmer zu gelangen. Sollte er ruhig auf der Couch liegen bleiben, bis er von allein aufwachte. Bequem war sie ja.

      Sie selbst fiel in ihrem frisch überzogenen Bett rasch in den Schlaf.

      Kapitel 2

      Sonntag, 3. Jänner

      Grundlsee

      1.

      Als Sandra die Schlafzimmertür öffnete, stieg ihr Kaffeeduft in die Nase. Wiewohl sie Teetrinkerin war, mochte sie diesen Geruch. Sie schaltete das Deckenlicht im Wohnzimmer aus, das noch brannte, obwohl die Sonne inzwischen aufgegangen war.

      »Guten Morgen, Liebling!«, begrüßte sie der Chefin­spektor gut gelaunt.

      Ein anlassiger Bergmann auf nüchternen Magen hatte ihr gerade noch gefehlt. Verschlafen rieb sie sich die Augen. Während der notorische Frühaufsteher geschnäuzt und gekampelt mit einem Kaffeehäferl in der Hand an der Küchenzeile im Wohnzimmer lehnte, schlich sie barfuß im langen T-Shirt an ihm vorbei, um ins Badezimmer zu gelangen. »Morgen«, knurrte sie, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen. Dass er ihr hinterherstarrte, spürte sie auch so auf ihrem Rücken respektive in dessen Verlängerung.

      »Möchtest du ein weiches Ei oder Ham and Eggs zum Frühstück?«, fragte er.

      Erstaunt hielt Sandra an der Badezimmertür inne und wandte sich um. »Sag bloß, du warst einkaufen. Am Sonntag?«

      Bergmann verneinte. »Jemand hat alles fürs Frühstück in einem Korb vor der Wohnungstür abgestellt. Mitsamt der Sonntagszeitung. Kaffee hab’ ich im Küchenschrank gefunden.«

      »Woher hast du denn gewusst, dass ein Korb vor der Tür steht?«

      »Mit Körben kenne ich mich aus«, meinte Bergmann süffisant.

      Sandra war klar, worauf er anspielte. Nach ihrem ersten gemeinsamen Fall hatte er bei ihr zu landen versucht und war kläglich gescheitert. Lange Zeit hatte sie ihn für einen Hallodri gehalten, der er im Grunde gar nicht war. Sie wollte sich abwenden, um ins Bad zu gehen, als er fortfuhr.

      »Jemand hat in der Früh ein Grußkärtchen mit einem Hinweis auf den Frühstückskorb unter der Tür durchgeschoben.«

      Sandra gähnte. »Ach so. Kannst du mir bitte Teewasser aufstellen, während ich im Bad bin?«

      »Ist das alles?«

      Sandra lehnte sich am Türrahmen an, überkreuzte die nackten Beine und Arme. »Gibt’s auch Müsli und Joghurt?«

      »Joghurt war im Frühstückskorb. Aber kein Müsli. Vielleicht finde ich welches im Küchenkasten.« Bergmann öffnete einen der Oberschränke.

      »Ja, schau bitte nach. Eine Eierspeise hätte ich auch gern. Von zwei Eiern. Schön fluffig, nicht matschig, wenn’s geht. Ohne Schinken.«

      Schmunzelnd schloss Sandra die Badezimmertür hinter sich. Bergmann als Frühstückskoch. Wer hätte das gedacht? Verkühlt war er jedenfalls nicht. Die Sauna hatte ihm gutgetan, überlegte sie unter der Dusche, die wie die übrige Ausstattung der Ferienwohnung nicht gerade dem modernsten Standard entsprach. Aber immerhin war alles blitzsauber. Und es prasselte warmes Wasser aus dem Duschkopf.

      Während sie sich die Zähne putzte und Bergmann das Frühstück machte, kam ihr erneut der Vergleich mit einem alten Ehepaar in den Sinn. Kein Wunder, dass es anfangs im LKA Gerüchte gegeben hatte, die ihr und dem Chefinspektor ein Verhältnis unterstellten. Im Gegensatz zu früher regte sie solches Gerede heute kaum mehr auf. Im Laufe der Jahre war sie um einiges gelassener geworden. Sollten die Leute doch glauben, was sie wollten.

      Zurück in ihrem Zimmer zog Sandra die Vorhänge auf. Der Blick aus dem Fenster ließ ihr Herz höher schlagen. Kaum eine Wolke stand am azurblauen Himmel. Die schneebedeckten Berge des Toten Gebirges säumten den Grundlsee. Da und dort blitzten dunkelblaue Stellen durch die dünne Schneedecke auf der Eisfläche. Einige Blesshühner watschelten in der Nähe des Bootshauses am Seeufer entlang. Direkt vor dem Gästehaus glitzerte der Schnee in der Sonne. Vom Balkon, der über ihrem lag, tropfte Schmelzwasser.

      Sie zog ihre Jeans und den Rollkragenpulli an, warf einen Blick auf ihr Handy. Keine verpassten Anrufe, dafür eine neue Nachricht mit der Liste heimischer Trachtenbetriebe, die ihr die Landpolizistin versprochen hatte. Die konnte sie sich später noch genauer ansehen. Jetzt wollte sie erst einmal frühstücken.

      Bergmann saß am gedeckten Frühstückstisch, trank Kaffee und las die Kleine Zeitung. Mit dem Essen hatte er auf sie gewartet. So zuvorkommend wie heute hatte er sich in all den Jahren nicht gezeigt. Daran hätte sich Sandra bestimmt erinnern können.

      Auf ihrem Platz wartete ein Häferl mit heißem Wasser, dazu mehrere Teebeutel zur Auswahl. Sandra entschied sich für Pfefferminztee. »Hey, du hast ja sogar Müsli gefunden«, freute sie sich über die Flocken, Körner und Nüsse im Rexglas.

      Bergmann brummte zustimmend, weiterhin in die Zeitung vertieft.

      Wenngleich Sandra ihn und seine provokanten Sprüche manchmal zum Teufel wünschte, hatte er durchaus auch seine netten Seiten. Für eine Überraschung war er sowieso immer gut. Diesmal sogar für eine positive. Während sie den Joghurtbecher öffnete, schlug er die Zeitung zu. Sandra leerte das Naturjoghurt über ihr Müsli.

      »Dann mache ich uns jetzt die Eierspeise.« Bergmann erhob sich.

      »Soll ich das übernehmen?«, bot sich Sandra an.

      Bergmann winkte ab. »So weit reichen meine Kochkünste. Bleib sitzen und lies die Zeitung. Seite 18.«

      »Geht es um den Brand?« Sandra leckte ihren Zeigefinger ab, der einen Klecks Joghurt abbekommen hatte.

      Bergmann wandte sich wortlos ab.

      Neugierig blätterte sie in der Zeitung bis zur genannten Seite.

      Bergmann hantierte an der Küchenzeile.

      »Da schau an!«, meinte sie überrascht. »Dein Herr Sohn ist ›Steirer des Tages‹! Wow!«, überschlug sie sich fast vor Begeisterung. Wie schön, dass David diese Ehre zuteilwurde, freute sie sich ehrlich für ihn. Endlich einmal stand der junge Musiker nicht im Schatten der steirischen Volkspop-Sängerin, in deren Band er die Lead-Gitarre spielte. Seit dem Tauschkonzert im Fernsehen waren Jessica Wind und ihre Hits auch in Deutschland bekannt. Jedoch nicht die Bandmitglieder, die stets im Hintergrund blieben. Nicht zuletzt, um möglichst austauschbar zu bleiben. Der Star war einzig und allein Jessica Wind.

      »Was habt ihr eigentlich alle mit diesem ›Steirer des Tages‹?«, wunderte sich Bergmann, die Hand am Pfannengriff. »Als gäbe es nicht 365 oder sogar 366 Tage im Jahr.«

      »Na und?« Sandra tauchte den Löffel in ihr Müsli, um es mit dem Joghurt zu vermengen. »›Steirer des Tages‹ zu sein, kommt beinahe einem Ritterschlag gleich. Wir sind eben stolz auf unsere Landsleute, die für ihre herausragenden Leistungen vor den Vorhang geholt werden.« Sie schleckte den Löffel ab.

      »In Wien wären die Leute maximal neidisch«, meinte Bergmann, die Eier verquirlend.

      »Mag