Claudia Rossbacher

Steirertanz


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Nachbarschaft verhindern.«

      »Und wie war das Verhältnis der Schwestern untereinander?«

      Die Polizistin zuckte mit den Achseln. »Was ich weiß, waren sie unzertrennlich. Wie man sich das bei Zwillingsschwestern eben vorstellt.«

      »Ach, die beiden waren Zwillinge?«, hakte Sandra nach.

      »Hab’ ich das noch nicht erwähnt?«

      Sandra verneinte. »Eineiige Zwillinge?«

      »Kann sein. Sie haben sich schon recht ähnlich geschaut. Aber nicht zum Verwechseln. Die Lilli hat kürzere blonde Haare, die Luise längere braune gehabt.«

      Falls sie es mit einem gezielten Mordanschlag zu tun hatten, war demnach auszuschließen, dass die Zwillingsschwestern verwechselt worden waren. Aber vielleicht hätten ja auch beide beseitigt werden sollen, und die eine hatte ihr Leben nur ihrer Abwesenheit zu verdanken. »Wo hält sich Lilli Lex zurzeit auf?«, erkundigte sich Sandra.

      »In ihrer Wohnung in der G’wandschneiderei.«

      »Gewohnt hat sie aber hier mit ihrer Schwester?« Sandra wies mit dem Daumen über ihre Schulter zur Brandruine.

      Die Provinzpolizistin bestätigte die Frage und nannte ihr die Geschäftsadresse in Aussee.

      »In Bad Aussee?«, vergewisserte sich Sandra.

      »Aussee is immer Bad Aussee«, bestätigte der Landpolizist. »Altaussee hoaßt bei uns Olt’nausee«, erklärte er im Dialekt.

      »Die Lilli ist ziemlich fertig mit den Nerven. Wir haben ihr jemanden vom KIT vorbeigeschickt, der sie psychologisch betreut. Vielleicht solltet’s lieber bis morgen mit der Befragung warten«, meinte die Polizistin.

      »Das lass unsere Sorge sein.« Bergmann bohrte seine Hände tiefer in die Jackentaschen.

      Zitterte er vor Kälte, oder täuschte sich Sandra? »Sollte Frau Lex heute nicht mehr vernehmungsfähig sein, versuchen wir es morgen«, sagte sie. »Ansonsten werden wir sie in den nächsten Tagen nach Graz vorladen.«

      »Gibt es noch etwas, was wir wissen sollten?«, fragte Bergmann ungeduldig.

      »Ich weiß nicht, ob es relevant ist«, zauderte die Polizistin.

      »Wenn es relevant ist, werden wir es überprüfen. Also raus mit der Sprache«, forderte Bergmann sie zum Reden auf.

      Er schepperte vor Kälte, stellte Sandra fest.

      »Die Lilli soll ein Pantscherl mit dem Köberl Fabian haben«, gab die Polizistin zögerlich preis.

      »Mi’m Fabian? Dem Fischer vom Grundlsee?«, entrüstete sich ihr Kollege. »Der ist doch viel zu jung für sie.«

      Wie die anderen überhörte Sandra das Vorurteil, zog einen Handschuh aus und zückte ihr Handy. »Wo wohnt Herr Köberl?«

      Der Polizist nannte ihr eine Adresse im Dorf Gößl, die Sandra in ihr Handy sprach. Zwar wusste sie nicht, was der junge Mann mit dem Tod der Schwester seiner Geliebten zu tun haben sollte, aber irgendwo mussten sie mit den Ermittlungen ansetzen. Warum also nicht bei dem Fischer, der ihr vielleicht ein paar frische Fische verkaufen würde, wenn sie schon einmal am Grundlsee war. Der Gedanke an gebratenen Saibling ließ sie den brandigen Geschmack in ihrem Mund kurzfristig vergessen. Für das kompakte, gleichwohl zarte Fleisch der Fische aus den Salzkammergutseen ließ sie jeden Meeresfisch stehen.

      Die LKA-Ermittler verabschiedeten sich von den Landpolizisten. Ebenso vorsichtig, wie sie hergekommen waren, rutschten sie zum Dienstwagen zurück.

      »Was hältst du davon, wenn wir zuerst unser Gepäck in die Wohnung bringen und anständig einheizen?«, wandte sich Sandra an Bergmann. Ferienwohnungen wurden häufig auf Sparflamme beheizt, wenn sie gerade nicht bewohnt waren, wusste sie aus leidvoller Erfahrung. »Anschließend könnten wir nach Bad Aussee weiterfahren, um Lilli Lex zu befragen«, schlug sie vor. »Vorausgesetzt, sie ist vernehmungsfähig. Und danach gehen wir Abendessen.«

      Bergmann zeigte sich einverstanden. »Jetzt sperr schon auf, Sandra! Ich frier mir noch den Hintern ab.«

      »Das wundert mich nicht.« Sandra öffnete den Skoda mit dem Funkschlüssel.

      Kaum lief der Motor, drückte Bergmann den Knopf, der seine Sitzheizung aktivierte.

      Sandra schaltete ihre ebenfalls ein, ehe sie den Schlüssel für die Ferienwohnung aus der Jackentasche holte. »Hast du kein wärmeres Gewand mit? Wir sind hier in den Bergen.«

      »Scheiß Berge«, schimpfte Bergmann. »Und hör auf, mich zu bemuttern.«

      »Nichts liegt mir ferner als das. Aber jammere mich nicht an, wenn du dir eine Erkältung einfängst.«

      Bergmann griff zu seinem Gurt. »Ich fang mir schon nichts ein. Ich werde heute nämlich noch in die Sauna gehen. Willst du mir nicht Gesellschaft leisten?«

      Sandra ignorierte sein Angebot. »Kannst du die Adresse bitte ins Navi eingeben?« Sie überreichte Bergmann den Schlüssel der Ferienwohnung und fuhr los.

      4.

      Lilli Lex konnten sie heute nicht mehr befragen. Sie sei völlig durch den Wind, erklärte sie Sandra am Telefon, während Bergmann unter der Dusche der Ferienwohnung stand, um sich aufzuwärmen. Ihr Haus und ihr gesamtes privates Hab und Gut waren verbrannt. Am allermeisten aber machte ihr der Tod ihrer Schwester zu schaffen. Sie wollte gleich ein Schlafmittel nehmen und zu Bett gehen.

      Sandra zeigte Verständnis für ihre Gemütslage. Dennoch bat sie um einen möglichst zeitnahen Termin, um ihr eine Vorladung nach Graz zu ersparen.

      Lilli Lex willigte ein, sie am nächsten Vormittag in der G’wandschneiderei zu empfangen.

      Um die Nerven der Frau nicht noch weiter zu strapazieren, erwähnte Sandra vorerst nichts von der Brandursache. Anscheinend hatte sie von der Brandstiftung noch nichts mitbekommen. Sie fragte auch nicht nach.

      Für heute war Feierabend. Sandra wählte die Nummer des Restaurants, von dem Andrea nach ihrem letzten Sommerurlaub so geschwärmt hatte, um dort einen Tisch zu reservieren.

      Eine Dreiviertelstunde später wurde ihnen der empfohlene Saibling in der Salzkruste mit Kapern-Zitronen-Pesto und Petersilerdäpfel serviert. Dazu gönnte sich Sandra ein Achtel Sauvignon Blanc aus der Südsteiermark. Ein zweites war für sie leider nicht mehr drin. Die Strecke bis zur Ferienwohnung musste sie noch mit dem Auto zurücklegen.

      Vor dem Dessert überraschte Bergmann sie mit einem Geburtstagsgeschenk, das er ihr bereits bei der Feier in Graz hätte überreichen wollen, wäre ihnen nicht der Einsatz im Ausseerland dazwischengekommen.

      Dass er ihr ausgerechnet einen Strickschal schenkte, den er selbst bitter nötig gehabt hätte – wenn auch nicht unbedingt in diesem Himbeerfarbton –, amüsierte Sandra. »Hast du den selbst gestrickt?«, zog sie ihn auf, was der Macho nicht besonders witzig fand.

      An der Garderobe wickelte sie ihm ihren alten Wollschal um den Hals, sich selbst den neuen aus kuscheliger Kaschmirwolle, der farblich zu ihrem Anorak passte. Wahrscheinlich hatte Bergmann sich von Andrea beraten lassen, vermutete sie, fragte aber nicht nach.

      Zurück in der bacherlwarmen Ferienwohnung schaltete Bergmann die Sauna an. Gemeinsam schauten sie die ZIB an, die unter anderem von Ausschreitungen bei einer Demonstration in Paris und vom Hausbrand am Grundlsee berichtete. Bei der Frau, die ums Leben gekommen war, handle es sich mutmaßlich um eine Hausbewohnerin, deren Leiche in den kommenden Tagen obduziert werden würde, berichtete Armin Wolf, was die Polizeipressestelle unmittelbar nach dem Brand offiziell gemeldet hatte. Zudem erwähnte der ORF-Anchorman, dass die Brandexperten des LKA Steiermark ermittelten, um die Brandursache zu klären, während ein kurzer Videobeitrag vom nächtlichen Feuerwehreinsatz gezeigt wurde.

      Nach den Nachrichten bot Bergmann ihr an, die Sauna zu benützen, die inzwischen auf 90 Grad Celsius aufgeheizt war. Wenn sie sich vor ihm schämte, würde er solange draußen warten. Einmal mehr lehnte sie sein Angebot ab. Auf Gluthitze konnte