war. Die Küche war groß, mit einer Eßecke und modernen Geräten.
Chuck erzählte, daß Antonio eine Haushälterin gehabt hätte, die nach seinem Tode zu ihrer Tochter nach Toronto gegangen sei. Sie sei wohl großzügig bedacht worden. Polly wäre sie genannt worden.
»Ich werde Dr. Harrison nach ihrer Adresse fragen«, sagte Antonia. »Ich möchte sie gern sprechen.«
Würde sie auch so bewundernd von dem Boß sprechen wie Chuck? Niklas ging auch manches durch den Sinn.
»Wir könnten das Haus vorläufig bewohnen, wenn wir in Quebec sind«, sagte Antonia. Es war für sie also schon entschieden, daß sie zumindest zeitweise hier leben wollte. »Du sollst dich mit der geschäftlichen Seite befassen, Niklas«, fuhr sie fort. »Und wir werden uns mit den Anwälten beraten, was wir tun können, um alles so zu erhalten, wie es Papa gewollt hätte.«
»Soweit ich informiert bin, läuft alles bereits weiter. Es ist niemand entlassen worden, der Betrieb ist gut fundiert.«
»Vater hätte es vielleicht gern gesehen, wenn ich mich auch darum kümmern würde. Man gibt ein solches Erbe nicht weg, um es nur Fremden zu überlassen.«
Sie begann wirklich an alles zu denken. Sollte das künftig ihre Welt sein?
So ganz geheuer war es Niklas nicht, aber er hatte sich in seinem Leben schon in manch neue Situation gefunden und sie auch gemeistert.
»Du widersprichst mir überhaupt nicht«, stellte Antonia erstaunt fest.
»Deine Überlegungen sind ja auch sehr verständlich«, meinte er.
»Du kannst aber ruhig sagen, wenn du etwas nicht billigst.«
»Das werde ich schon tun, falls du den verrückten Einfall haben solltest, selbst Boß spielen zu wollen.«
»So verrückt könnte ich nicht sein. Ich kenne meine Grenzen, aber ich bin eine gute Disponentin. Du wirst bestimmt ein guter Manager sein.«
»Und wenn ich nicht will?«
»Dann machst du eben das, was du machen willst. Wir werden uns schon einig werden.«
Sie war unwiderstehlich in ihrer Selbstverständlichkeit. Viel konnte er dem nicht entgegensetzen, denn sie sagte niemals ich, sondern immer wir.
*
Eigentlich wäre Antonias Urlaub zu Ende gewesen und sie hätte nun wieder in München sein müssen. Statt dessen traf in ihrer Firma ihr Kündigungsschreiben ein, und dem war auch nichts entgegenzusetzen. Sie schrieb, daß sie nach dem Tod ihres Vaters in Kanada sei und eine eigene Firma geerbt hätte.
Sie hoffe auf Verständnis, daß sie vorerst nicht zurückkehren und man sicher bald einen Ersatz für sie finden würde. Was sollte man da noch sagen, denn dieser Betrieb stand vor dem Konkurs, wie so viele kleinere Betriebe, die mit den Konzernen nicht Schritt halten konnten. So hätte Antonia, wie die anderen auch, ihre Kündigung bekommen. Da konnte man eher versuchen, sich an sie zu wenden, ob sie in ihrer Firma nicht einen Platz für frühere Arbeitskollegen hätte. Kanada war für manche verlockend.
Frau Möhl bekam ein kleines, aber wertvolles Päckchen, eine schöne Ledertasche und die Zusicherung, daß Antonia bald mit ihrem Mann nach München kommen würde, um alles, was wichtig sei, mit Frau Möhl zu besprechen. Ein Scheck für die Miete lag auch bei, der weitaus höher war als die Miete.
Lilian Möhl kannte keine Neidgefühle. Sie freute sich, daß Antonia solches Glück widerfahren war.
Bei den Nordens traf ein großes Paket ein, das erst einmal von der ganzen Familie eine ganze Weile staunend betrachtet wurde.
Sie hatten gewartet, wenn auch sehr ungeduldig, bis auch Daniel aus der Praxis heimkam, um es dann gemeinsam zu öffnen.
»Es ist von Antonia«, erklärte Fee, »tatsächlich von Antonia, ich konnte es auch nicht glauben, aber es ist durch den Zoll gegangen. Ein Brief ist auch gekommen mit einem Scheck, falls wir auch noch Zollgebühren zahlen müssen. Den Rest sollen wir der Kinderhilfe überweisen.«
»Wie kommt sie denn dazu?« meinte Daniel kopfschüttelnd. »Jetzt macht doch endlich auf«, drängten die Buben.
»Aufmachen!« riefen die Zwillinge, nur Anneka stand wieder einmal schweigend da, ganz andächtig sagte sie: »Antonia war immer lieb.«
»Na, dann macht mal auf, aber seid vorsichtig, falls etwas Zerbrechliches drinnen ist«, meinte Daniel.
»Das würde doch draufstehen«, sagte Felix.
Neugierig waren sie alle und es gab Juchzer über Juchzer, als nacheinander die hübschen Kindersachen zutage kamen.
»Das ist doch verrückt«, meinte Fee, »ich weiß, was solche Sachen kosten.«
»Sie wird es schon haben, wenn man zweitausend Dollar spenden kann.«
Für Fee und Daniel war aber auch etwas in dem großen Karton. Während die Kinder sich an ihren Sachen erfreuten, konnten sich Fee und Daniel über bildschöne Stiche vom historischen Quebec freuen.
»Sie scheint bleiben zu wollen«, sagte Daniel nachdenklich.
»Sie schreibt, daß sie mit ihrem Mann noch vor Jahresende nach München kommen wird und möchte dann in kleinem Kreis ihre Hochzeit nachfeiern.«
»Liebe Güte, sie wird doch nicht gleich Hals über Kopf ihre Urlaubsbekanntschaft geheiratet haben«, meinte Daniel.
»Es wird schon mehr als eine Urlaubsbekanntschaft sein«, meinte Fee mit einem tiefen Lächeln.
Aber geheiratet hatte sie noch nicht. Das hatte Antonia nur geplant, weil sie Niklas in München als ihren Ehemann vorstellen wollte.
Er war ziemlich überrascht, als sie eines Abends fragte, ob er sie eigentlich heiraten wolle.
»Natürlich will ich das, aber du hast doch immer gesagt, daß wir uns erst besser kennenlernen sollten.«
»Das habe ich vor vier Wochen gesagt. Inzwischen hat sich ja allerhand geändert, und du brauchst nicht mehr zu denken, daß ich es mir auf deine Kosten gutgehen lassen will.«
»Das habe ich nie gedacht, aber du und so mancher andere könnte jetzt denken, daß ich es auf Daddys Erbe abgesehen habe.«
»So ein Unsinn, niemand kommt auf solche Gedanken. Ich habe mich schon mal umgehört. Hier würde es keine großen Schwierigkeiten machen.«
»Du meinst, wir könnten gleich hier heiraten?« Er unterdrückte ein Lächeln.
»Das habe ich mir durch den Kopf gehen lassen. Dann kämen wir als Ehepaar nach München und nach Praida da Rocha. Aber bevor wir dorthin fliegen, erkundigen wir uns erst, ob Ramona da ist. Ihr Gesicht möchte ich sehen, wenn wir als Ehepaar erscheinen.«
Niklas amüsierte sich im Stillen über ihren Enthusiasmus, aber es war ihm auch ein Beweis, daß Ramonas Gerede sie gekränkt hatte und sie Olivias Schatten gefürchtet hatte.
»Meinetwegen könnten wir morgen heiraten«, sagte er. »Ich habe dir von Anfang an gesagt, daß ich dich für immer festhalten will, und darüber bin ich jetzt doppelt froh.«
Eigentlich war sie das auch, denn ihr war es längst bewußt, daß eine reiche Frau für viele begehrenswerter war als eine kleine Angestellte, die sich einmal im Jahr einen Urlaub leisten konnte und dafür fleißig sparen mußte.
»Morgen muß es ja nicht gleich sein«, meinte sie, »schließlich bedarf es doch einiger Vorbereitungen. Ich möchte eine romantische Hochzeit haben.«
Danach stand Niklas zwar nicht der Sinn, aber wie hätte er ihr auch nur einen Wunsch abschlagen können.
»Sagen wir Mitte Oktober« überlegte sie. »Im November mag ich nicht heiraten, da sind so viele Trauertage. Im Dezember müssen wir in München sein.«
»Warum müssen wir das?«
»Weil ich Weihnachten noch einmal in der Heimat feiern