Patricia Vandenberg

Dr. Norden (ab 600) Box 2 – Arztroman


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      Darauf wußte sie keine Antwort. Sie wollte nicht sagen, daß es bestimmt nicht Praia da Rocha sein würde. Sie war auf den Geschmack gekommen, sie wollte etwas von der Welt sehen.

      »Du bist zwar schon viel gereist, aber willst du jetzt ganz seßhaft werden? Brauchst du nicht für deinen Beruf immer wieder neue Eindrücke, oder würdest du noch umsatteln und die Nachfolge von Antonio Aldamare antreten?«

      »Dazu würde ich kaum taugen.«

      »Ich könnte mir vorstellen, daß du so flexibel bist, dich in jeder Position zurechtzufinden, du bist so ein Managertyp.«

      »Das hat mir noch niemand gesagt.«

      »Ich traue dir eben alles zu. Wenn ich an meinen Chef denke, könnte ich das nicht sagen, der ist festgefahren. Ein tüchtiger Mann, aber nur auf seinem Gebiet.«

      »Und was traust du dir zu?«

      »Mit dir zusammen alles. Was traust du mir zu?«

      »Daß du dich sehr schnell auf neue, auch bisher unbekannte Situationen einstellen kannst.«

      Sie schwieg. »Mein Leben hat sich verändert, Niklas, zuerst durch dich, jetzt durch meinen Vater, aber es bleiben viele Fragen offen. Warum hat mir meine Mutter nicht die Wahrheit gesagt, weißt du darauf eine Antwort?«

      »Wahrscheinlich dachte sie, daß du sie nicht verstehen würdest, vielleicht machte sie sich Vorwürfe, weil ihr bewußt wurde, daß sie deinen Vater geliebt hatte.«

      »Aber vielleicht spielte dieser andere Mann auch eine Rolle in ihrem Leben. Wenn er nun gelogen hätte, und er wäre mein Vater?«

      »Mach dir doch nicht solche Gedanken. Dein Vater war überzeugt, daß du seine Tochter bist, er hegte keinen Zweifel.«

      »Es war vielleicht nur ein Wunschtraum. Mir kommen so viele Gedanken. Warum hat meine Mutter seine Briefe nicht beantwortet?«

      »Vielleicht hat sie die nicht bekommen. Wer weiß, wo sie gelandet sind, oder wer verhindert hat, daß sie in die Hände deiner Mutter gelangten. Das werden wir bestimmt nicht mehr herausfinden können.«

      »Sie hätte mir auch einen erklärenden Brief hinterlassen können. Sie war doch ziemlich lange krank.«

      »Komm, mein Liebes, zerbrich dir jetzt nicht den Kopf. Du mußt dir ein Kleid aussuchen, ein bildschönes Kleid.«

      Sie lachte. »Ich hatte keine Ahnung, daß du dir darüber Gedanken machst. Ich war immer für praktische Sachen.«

      »Für einen festlichen Anlaß kannst du schon mal eine Ausnahme machen. Mir gefällst du immer, ganz gleich, was du trägst.«

      Sie sahen sich die Schaufenster an, und ein Kleid gefiel Antonia ganz besonders. Niklas sollte es bald bereuen, daß sie diesen Modesalon betreten hatten, denn er wurde wieder einmal davon überzeugt, wie klein die Welt war.

      Eine dunkelhaarige Verkäuferin war gerade mit einer extravaganten Kundin beschäftigt und rief nach einer Kollegin, die auch sofort kam. Sie bewegte sich wie ein Mannequin, war aber nicht mehr taufrisch, wie Antonia mit sicherem Blick zur Kenntnis nahm. Sie war mager, hatte aber sehr schöne Beine. Weil Antonias Blick daran haften geblieben war, merkte sie nicht, daß Niklas einen Schritt zurückwich und die Verkäuferin ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte.

      Schon kam sie schnell näher und beachtete Antonia gar nicht.

      »Nick, ist das eine Überraschung! Wie hast du mich gefunden? Ich nehme doch an, daß du meinetwegen hier bist.« Sie hatte eine sehr helle Stimme und gab sich keine Mühe, diese zu dämpfen.

      »Du täuschst dich, ich begleite meine Verlobte«, erwiderte er kühl. »Eine Überraschung ist es wirklich, hast du nicht in Denver gelebt?«

      Ohne eine Antwort abzuwarten, stellte er sie Antonia als Daisy Törnis vor. »Sie ist Olivias Cousine«, sagte er betont, um Daisy gleich zu verstehen zu geben, daß Antonia über Olivia Bescheid wußte. Einfach gehen konnte er nicht, obgleich ihm das am liebsten gewesen wäre, aber Antonia zeigte sich auch dieser Situation gewachsen.

      »Es ist doch erstaunlich, wie klein die Welt ist. Überall läuft man irgendwelchen Leuten über den Weg«, sagte sie.

      Sie konnte auch sehr von oben herab sein, es war die Retourkutsche auf Daisys herablassendes Lächeln.

      Die andere Verkäuferin, später erfuhr Antonia, daß sie die Geschäftsführerin war, hatte die impertinente Kundin abgefertigt und anscheinend gehört, was Daisy gesagt hatte.

      »Du kannst jetzt Pause machen, Daisy, ich werde mich um die Kunden kümmern«, sagte sie.

      »Ich brauche keine Pause«, sagte Daisy.

      »Dann räum’ die Kleider ein.« Das war im Befehlston gesagt, und mit einem liebenswürdigen Lächeln fragte die Geschäftsführerin nach Antonias Wünschen.

      »Ich interessiere mich für das Kleid im Fenster. Wenn Sie etwas Ähnliches in einer anderen Farbe haben, blau zum Beispiel, würde ich es gern sehen.«

      »Wir haben eine größere Anzahl an Kleidern für solchen Anlaß. Grün würde Ihnen auch gutstehen, wenn ich das bemerken darf. Bitte, folgen Sie mir doch.«

      Antonia zwinkerte Niklas zu. »Du kannst ja inzwischen Daisys Neugierde befriedigen«, raunte sie ihm zu.

      »Ich denke nicht dran«, erwiderte er, aber als er zurückblieb, während Antonia mit Madame José in einen anderen Raum verschwand, war Daisy gleich zur Stelle.

      »Wir können uns später treffen«, flüsterte sie, »wir haben uns viel zu erzählen.«

      »Und wir haben keine Zeit«, erwiderte er. »Ich habe keine Heimlichkeiten vor Antonia, wir werden bald heiraten.«

      »Das kann ich nicht glauben!« stieß sie heftig hervor. »Du wirst Olivia niemals vergessen. Denk daran, was du ihr angetan hast.«

      »Denk du lieber daran, was sie anderen angetan hat. Willst du das plötzlich vergessen, nur um mir eins auszuwischen? Olivia war krank, sie hätte in eine Therapie gehört, dann würde Josh noch leben.«

      »Erinnere mich nicht daran.«

      »Erinnere mich nicht an Olivia. Ich liebe Antonia, sie weiß alles von mir.«

      »Warum bist du hier?« wechselte Daisy das Thema.

      »Komm doch bitte mal, Niklas, ich kann mich nicht entscheiden, und außerdem soll dir das Kleid auch gefallen«, rief da Antonia.

      Er konnte sich auch nicht entscheiden zwischen dem blauen und dem grünen. In beiden sah Antonia bezaubernd aus.

      »Nimm sie beide, wir werden noch mehrere Feste feiern«, sagte er.

      Antonia wählte außerdem noch einen Mantel und ein Kostüm, und Daisys Gesicht verzerrte sich, als sie Madame sagen hörte, daß die Sachen wie für sie geschneidert wären, aber sie hätte eben auch die passende Figur dafür.

      Antonia zahlte mit der Kreditkarte, die Dr. Harrison ihr ausgehändigt hatte.

      »Madame Aldamare«, sagte Madame José staunend, »Sie sind mit dem verstorbenen Mr. Aldamare verwandt?«

      »Er war mein Vater«, erwiderte Antonia. Es bereitete ihr diebische Freude, als sie Daisys fassungsloses Gesicht sah.

      Die Sachen würden selbstverständlich ins Hotel geschickt, sagte Madame José, und sie würde sich freuen, Antonia öfter zu sehen.

      »Kann man sich denn einfach Aldamare nennen?« fragte Antonia, die noch gar nicht bemerkt hatte, daß die Karte auf diesen Namen ausgestellt war.

      »Wenn man Aldamare heißt, stehen wohl alle Türen offen, auch die zu den Behörden«, meinte Niklas. »Jedenfalls war es für Daisy ein Schock. Eigentlich ist sie eine arme Haut, hat sie doch mal gedacht, Olivia zu beerben, aber dann war kaum noch was da. Außerdem hat Olivia den Tod ihres Freundes Josh verschuldet, was ich leider auch erst später erfahren habe.«

      »Wieso