Patricia Vandenberg

Dr. Norden (ab 600) Box 2 – Arztroman


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verletzt gewesen sein muß. Ich habe mir früher keine Gedanken darüber gemacht, aber jetzt beginne ich zu begreifen, daß man nichts als selbstverständlich hinnehmen darf. Daß du in mein Leben getreten bist, ist ein Geschenk. Ich bin dankbar dafür.«

      »Wenn wir immer ehrlich sind, werden wir alle Probleme meistern, Antonia.«

      *

      Im Hotel gab es keine Schwierigkeiten, wenngleich man es auch bedauerte, daß sie schon sobald abreisen wollte. Ramona, die ihre Ohren überall hatte, brannte vor Neugierde und paßte gleich eine Gelegenheit ab, Antonia zu erwischen. Sie gab sich sehr freundlich.

      »Laufen Sie mir nicht gleich davon. Ich will Ihnen nur einen guten Rat geben von Frau zu Frau, da ich Niklas kenne.«

      »Ich bilde mir gern ein eigenes Urteil«, entgegnete Antonia, »und ich höre nicht auf Klatsch.«

      »Es ist kein Klatsch, es ist eine wohlgemeinte Warnung. Sie sollten diese beherzigen, denn Olivia war genauso gutgläubig wie Sie es anscheinend sind. Niklas ist ein aufregender Mann, das gebe ich ja zu, aber er macht Frauen nur unglücklich. Olivia hat sich seinetwegen umgebracht, das sollten Sie wissen. Er wird es Ihnen bestimmt nicht sagen. Aber ich kann Ihnen auch sagen, daß sie immer zwischen Ihnen stehen wird.«

      Ein Frösteln kroch über Antonias Rücken. »Was wissen Sie denn von meiner Beziehung zu Niklas«, sagte sie gereizt. »Behalten Sie Ihre Weisheiten für sich. Ist es etwa nicht so, daß Sie liebend gern an meiner Stelle sein würden?« Das kam ihr gegen ihren Willen über die Lippen, und Ramonas Gesicht verzerrte sich.

      »Sie werden schon noch erleben, wie er wirklich ist«, stieß sie hervor. »Ich habe Sie jedenfalls gewarnt.«

      Dann verschwand sie überstürzt. Als Antonia sich umdrehte, wußte sie auch den Grund, denn Niklas nahte.

      »Hast du schon alles erledigt?« fragte er.

      »Es war einfach, klappt es mit dem Flug?«

      »Ist schon bis Genf gebucht. Was wollte Ramona denn jetzt wieder?«

      »Mich vor dir warnen«, erwiderte Antonia mit einem leisen Lachen.

      »Sie wird noch mal an ihrer eigenen Bosheit ersticken.«

      »War sie wirklich Olivias Freundin?«

      »Olivia hatte nur Freundinnen. Sie hatte keine Menschenkenntnis und kein Urteilsvermögen. Sie war wie ein Wesen aus einer anderen Welt. Sie lebte in Illusionen. Alle Menschen sollten so sein, wie sie es wollte. Ich habe leider zu spät begriffen, daß sie sich auch von mir eine bestimmte Vorstellung machte, daß ich gar nicht so sein wollte, wie sie es sich wünschte.«

      »Wie wünschte sie sich, daß du sein solltest?«

      Niklas’ Blick wanderte in die Ferne. »Sie fühlte sich als Prinzessin. Ich sollte ihr Ritter sein, immer verfügbar, immer nur für sie da. Als ich ihr zu erklären versuchte, daß ich mich dazu nicht eigne und sie endlich in eine reale Welt finden solle, zeigte sie Krallen. Ich begriff, daß sie schizophren war.«

      Antonia war konsterniert. »Ich habe keine Vorstellung, wie sich das auswirkt. Ich habe davon gehört, aber kann man es tatsächlich nicht sofort merken?«

      »Nein. Ich habe mich intensiv damit befaßt, als ich die Gewißheit hatte, daß Olivia eine gespaltene Persönlichkeit war, einmal Traumtänzerin, zum anderen egozentrisch und in sich selbst verliebt. Allen anderen Menschen war eine bestimmte Rolle zugedacht.«

      »Dann hat sie dich nicht geliebt?«

      »Solange ich sie nicht durchschaute, und es war schwer, sie zu durchschauen, hat sie mich geliebt. Sie war bezaubernd, vergleichbar mit einem schönen Schmetterling, sie war faszinierend, einmal kindlich unbefangen, dann wieder betörend. Wie hat Ramona sie geschildert?«

      »Überhaupt nicht. Sie sagte, daß sie sich deinetwegen umgebracht hätte.« Nun war es heraus, was sie eigentlich nicht hatte sagen wollen.

      Er wandte sich ab. »Und was denkst du jetzt?« fragte er dumpf.

      »Du hast gesagt, daß sie schizophren war, und ich glaube dir.«

      »Olivia wollte es alle glauben machen, daß ich sie in den Tod treibe, weil ich ihr Spiel nicht mehr mitmachen wollte. Sie sollte sich in ärztliche Behandlung begeben. Ich wollte ihr helfen, aber sie meinte, keine Hilfe zu brauchen. Sie begriff ihre Zwiespältigkeit nicht. Und ich bin zu der Überzeugung gekommen, daß sie nicht sterben wollte. Sie wollte sich mit mir treffen und hatte mich in ihre Wohnung bestellt. Sie besaß mehrere Wohnungen, eine in Paris, und dort wollten wir uns treffen. Sie muß sich einen genauen Plan gemacht haben und nahm so viele Tabletten ein, daß ich sie bewußtlos antreffen mußte. Aber ich wurde durch einen schweren Verkehrsunfall aufgehalten, und sie hatte anscheinend ein paar Tabletten zuviel genommen. Sie war tot, als ich kam, aber sie hatte wohl noch telefonieren wollen. Sie hatte den Hörer in der Hand, und dadurch hatte ich sie von unterwegs nicht erreichen können, um ihr zu sagen, daß ich mich verspäten würde. Sie war tot, ihr war nicht mehr zu helfen, aber sie hatte allen Bekannten gesagt, daß sie nicht mehr leben wolle, wenn ich sie verlassen würde, und sicher wollten es einige auch glauben. Nun weißt du auch das.«

      »Du hast dir Vorwürfe gemacht«, sagte Antonia etwas verhalten.

      »Es klingt hart, aber ich dachte schließlich, daß es so das Beste für sie gewesen sei, denn ihre Wahnvorstellungen hatten sich immer mehr verschlimmert, und ich war wohl lange Zeit der einzige, der den Ernst der Situation erkannte, während andere sie eben nur für exzentrisch hielten. Sie war reich und als Kind maßlos verwöhnt worden. Ihr Vater kam bei einem Flugzeugabsturz ums Leben, und ihre Mutter, die wohl auch sehr labil gewesen war, wurde drogensüchtig. Geld hatte Olivia genug. Sie konnte sich alles leisten, sie verlor nur den Überblick, denn als sie starb, war nicht mehr viel vorhanden.«

      »Vielleicht war ihr das doch klargeworden und hielt es für besser, ihrem Leben ein Ende zu setzen.«

      »Ich glaube nicht, daß sie noch klar denken konnte.«

      »Hast du Fotos von ihr?«

      Er nickte. »Ich habe sie lange studiert, aber ich konnte nichts herauslesen. Sie soll in unserem Leben keine Rolle mehr spielen.«

      »Ein weiser Mann hat einmal gesagt, daß wir immer von der Vergangenheit eingeholt werden, Niklas.«

      »Aber sie ist tot und begraben.«

      »Es ist aber gut, daß wir auch über sie sprechen.«

      »Ramona hat es doch erreicht, daß dir Zweifel kamen.«

      »Nein, das stimmt nicht. Ich wollte nur aus deinem Munde die Wahrheit hören.«

      »Du glaubst mir?«

      »Warum sollte ich dir nicht glauben?«

      »Ramona könnte sagen, daß ich mir die Geschichte ausgedacht habe.«

      »Du wirst doch Ramona nicht fürchten?« staunte Antonia.

      »Sie hat schon andere überzeugt, daß ich gefährlich bin.«

      »Weil sie bei dir nichs erreicht hat. Das vertragen manche Frauen gar nicht.«

      »Ich bin froh, daß Ramona dich nicht beeinflußt hat«, sagte Niklas erleichtert.

      »Du wirst mich doch nicht für so dumm halten. Ramona scheint nicht viel Verstand zu haben, sonst würde sie nicht zu so billigen Mitteln greifen. Wenn sie bei dir erreicht hätte, was sie wollte, würde sie ganz anders reden.«

      »Kluges Mädchen«, sagte Niklas. Er nahm sie in die Arme und blickte ihr tief in die Augen. »Daß ich einmal soviel Glück erleben könnte, hätte ich nie gedacht.«

      »Es wird schon so sein, daß wir füreinander bestimmt sind«, sagte Antonia mit einem zärtlichen Lächeln.

      *

      Tom und Tammy wollten es zuerst nicht glauben, daß Antonia schon am Freitag abreisen würde.

      »Daran ist doch hoffentlich nicht die gräßliche