interessiert sich deine neue Freundin für einiges, was du ihr ungern erzählen willst, Niklas. Ich möchte ihr gern den Rat geben, Vorsicht walten zu lassen. Was ist Ihre Meinung, Miß Germany?«
»Einmal, daß ich nicht auf Klatsch höre, zum anderen bin ich keine Miß Germany. Ich denke, Sie haben sich nach meinem Namen erkundigt. Wenn Sie sich langweilen, müssen Sie sich andere Gesellschaft suchen.« Sie war schon auf den Beinen, Niklas hatte ihr die Hand gereicht. Sand wehte in Ramonas Gesicht, und sie regte sich wortreich auf.
»Du bist großartig, Antonia«, sagte Niklas bewundernd. »Das hatte sie nicht erwartet.«
»Ich kann solche Leute nicht ausstehen, die nur darauf aus sind, ihre Klatschsucht zu befriedigen.«
»Sie ist nicht nur klatschhaft, sie ist gefährlich. Frag mich lieber gleich, was du wissen willst.«
»Was weiß sie von dir?«
»Von mir gar nichts, über mich hat sie einiges in Erfahrung gebracht. Sie kannte die Frau, die ich einmal liebte. Sie ist vor vier Jahren eines mysteriösen Todes gestorben. Einige gaben mir die Schuld. Das möchte sie dir wohl gern ausgeschmückt und dramatisiert mitteilen, damit du Angst vor mir bekommst.«
»Ich habe aber keine Angst.«
»Um so besser für mich, aber es ist ein böses Kapitel in meinem Leben.«
»Dem das Gespenst entsprungen ist?«
»Du hast es erraten.«
»Wie hieß diese Frau?«
Sie hatte wieder nach seiner Hand gegriffen und hielt sie fest.
»Olivia«, erwiderte er.
»Du willst nicht über sie sprechen?«
»Jetzt noch nicht. Sie ist tot, sie wird unseren Weg nicht kreuzen.«
Aber ihr Schatten hat ihn verfolgt, dachte Antonia, ist das jetzt wirklich vorbei?
»Sie war immer unwirklich«, sagte Niklas geistesabwesend, »nie so voller Leben wie du. Sie wird nicht zwischen uns stehen, genügt dir das?«
»Du brauchst nichts zu sagen, was du nicht sagen willst.«
Die letzten Meter zum Hotel gingen sie schweigend, dann fragte Antonia, ob er mit ihr auf der Terrasse frühstücken würde.
»Wenn es dir nicht unangenehm ist.«
Sie lachte leise auf. »So was Dummes sollte ein kluger Mann nicht denken.«
»Ramona wohnt auch in diesem Hotel.«
»Wie andere Leute, die mich nichts angehen und denen ich nichts schulde. Ich habe aber nicht den Eindruck, daß sie sich groß um andere kümmern.«
Sie setzten sich in die stille, schattige Ecke, die von der Sonne erst später erreicht wurde. Die Markise war ganz ausgerollt, aber wenn die Sonne höher stieg, wurde es auch darunter heiß.
Da das Hotel unter Schweizer Leitung stand, wurde hier einiges mehr geboten als in anderen Hotels, aber Antonia konnte feststellen, daß Niklas auch nur leichte Kost liebte wie sie, Müsli mit Obstsalat, ein Croissant und Konfitüre. Er nahm noch ein kleines Brötchen, sie einen Fruchtjoghurt.
Sergio kam an den Tisch und fragte, ob der Postbote stören dürfe.
Antonia sah ihn konsterniert an. »Wieso?«
»Wir dürfen den Brief nicht entgegennehmen, Sie müssen unterschreiben, es scheint wichtig zu sein«, erklärte er. Man konnte ihm ansehen, daß er neugierig war.
»Es wird doch nicht meine Kündigung sein«, meinte Antonia unsicher.
»Was ich begrüßen würde«, warf Niklas ein, aber da nahte schon der Postbote, der sich für die Störung höflich entschuldigte.
Antonia betrachtete den Umschlag von allen Seiten und schüttelte den Kopf. »Hoffentlich ist das nicht eine Namensverwechslung«, sagte sie kopfschüttelnd. Aber die Anschrift stimmte, und sie konnte sich denken, daß Frau Möhl ihre jetzige Adresse verraten hatte.
Der Postbote nahm hocherfreut ein Trinkgeld entgegen, das Niklas ihm gab, dann entfernte er sich wieder.
»Bist du nicht neugierig?« fragte Niklas, als Antonia den Brief neben ihren Teller legte.
»Doch, aber ich kann mich beherrschen«, erwiderte sie. Aber schließlich war es damit doch vorbei, und sie öffnete den Umschlag.
Ihre Augen weiteten sich, als sie die ersten Zeilen gelesen hatte.
»Ich kann es nicht glauben«, murmelte sie. »Mein Vater ist gestorben, aber ich hatte nie einen Vater.«
Sie sah Niklas verwirrt an. »Verstehst du so was?«
»Ich müßte mehr wissen. Jedes Kind hat einen Vater, Antonia, und ich finde es charakterlos, wenn Väter sich aus dem Staub machen.«
»Aber so war es nicht. Meine Mutter erzählte mir, daß er starb, bevor ich geboren wurde. Sie hat ihn sehr geliebt, und weil er Antonio hieß, hatte sie mich nach ihm benannt.«
Sie starrte auf den Briefbogen und hielt den Atem an. »Aber hier steht, daß Antonio Aldamare am 11. Februar dieses Jahres in Quebec verstorben ist. Es hätte große Mühe gekostet, meine derzeitige Adresse festzustellen, deshalb bekomme ich erst jetzt diese Nachricht.«
Sie las weiter, und Niklas konnte von ihrem Gesicht ablesen, was sie empfand.
Ungläubig und staunend las sie weiter, aber es kam kein Wort über ihre Lippen.
Minuten vergingen, dann sah sie Niklas verwirrt an. »Er hat mich zur Alleinerbin bestimmt, und ich soll nach Quebec kommen, damit alles an Ort und Stelle geregelt werden kann.«
»Das ist doch eine gute Nachricht«, sagte Niklas.
»Findest du? Hätte er sich nicht besser zu Lebzeiten um mich kümmern können? Das wäre mir jedenfalls lieber gewesen. Außerdem steht in dem Brief nicht, was ich erbe. Also weiß ich nicht, ob es sich für mich überhaupt lohnen würde, die weite Reise anzutreten.«
»Die Kosten würden dir doch sicher erstattet«, sagte Niklas lächelnd.
»Ja, das steht hier. Ich solle mich nur an eine Genfer Bank wenden, und es würde alles für mich geregelt. Wenn ich aus irgendwelchen Gründen nicht reisen könnte, solle ich einen Anwalt bestimmen, der meine Rechte wahrnimmt.«
Sie sah ihn fragend an. »Was meinst du, Niklas?«
»Du solltest das selbst in die Hand nehmen, so könntest du sicher mehr über deinen Vater erfahren. Außerdem würdest du etwas von der Welt sehen.«
»Würdest du mich begleiten?« fragte sie stockend.
»Wenn du es möchtest. Ich kann es einrichten, wenn du bald die Reise antreten willst. Ich muß allerdings mein Manuskript bis Ende September abliefern und bin längst nicht fertig.«
»Du sollst meinetwegen deine Arbeit nicht vernachlässigen. Ich muß mir alles auch erst durch den Kopf gehen lassen, und dann soll ich eine Nummer in Genf anrufen.«
»Das kannst du gleich tun, aber mit meinem Apparat, dann wird es nicht so teuer.«
Da Ramona nahte, erhob sich Antonia sofort. »Gehen wir gleich«, schlug sie vor. Er hatte Ramona noch nicht bemerkt und erhob sich nun erst. »Wie du wünschst«, sagte er lächelnd. Aber dann sah auch er, warum es Antonia eilig hatte.
Ramona sorgte dafür, daß sie ihr nicht ausweichen konnten.
»Ihr werdet doch nicht meinetwegen flüchten«, spottete sie. »Du hast wohl Angst, daß ich plaudern könnte, Nick.«
»Ich wüßte nicht, was es zu plaudern gäbe.«
In ihren Augen blitzte es boshaft auf. »Oh, ich weiß eine ganze Menge, und die Kleine sieht recht unbedarft aus.«
Die Kleine war höchstens drei Zentimeter kleiner als sie und die hatte sich auch schon entfernt, um sich