und lachte es an.
War das alles rätselhaft, seltsam – ein tiefes Wunder … Und was sie hörte, was sie träumte, machte alles nur unbegreiflicher … Ach, die schweigsam selige Erwartung in ihr – Tag und Nacht – Tag und Nacht – – – –
*
Im Gegensatz zu der Mattigkeit und Schlafsucht, gegen die Agathe während ihrer Pensionszeit beständig zu kämpfen gehabt hatte, erfüllte sie jetzt ein immerwährendes Verlangen nach Bewegung und Tätigkeit.
Sie fühlte sich oft namenlos glücklich, auch ohne eine besondere Ursache. Beim Abstäuben der Möbel konnte ihr heller Sopran sich plötzlich zu lautem Jubel aufschwingen. Unzähliges wurde zu gleicher Zeit begonnen: Kunstgeschichte, Schneiderei, Musik und Besuche bei Freundinnen und bei armen Leuten, denen die Ersparnisse ihres Kleidergeldes zuflossen. Ach ja – so recht praktisch, liebevoll, aufopferungsfreudig und dabei gescheut und von gediegener Bildung! Um das zu erreichen, musste man sich schon tummeln! Alles, alles für ihn – den geliebten, herrlichen, zukünftigen Unbekannten! – Für sich allein, nur aus Freude an den Dingen – nein, das wäre doch Selbstsucht gewesen! Und es war ja auch so schön, so süß, für andere zu leben.
Agathe schloss sich mit neuerwachter Zärtlichkeit ihrer Mutter an. Sie fand reizende kleine Aufmerksamkeiten für ihren Vater. Der Regierungsrat begann seine Tochter mit stiller Verliebtheit zu betrachten. Er fühlte jene herzliche Freude an der beständigen Nähe eines frischen, jungen Mädchens, die älteren Männern das Heim mit einem neuen sonnigen Zauber verklärt, einem Zauber, welcher ungestört von sinnlichen Stürmen, kaum weniger hold, nur friedvoller ist, als der der ersten Ehejahre – ein Zauber, der wie zarter Frühlingsduft die Eltern umspielt, zur Form erstarrte Innigkeit, zur Gewohnheit vertrocknete Zuneigung mit wärmer pulsierendem Leben erfüllend.
*
In Agathes wohlig durchheiztem Erkerzimmer feierte sie ihren siebzehnten Geburtstag, umgeben von blühenden Rosen und rosigen Freundinnen.
Die Mädchen waren in der gehobenen Stimmung, in der sie sich eigentlich alle Tage befanden, ganz besonders aber, wenn sie zusammentrafen, und das geschah ebenfalls täglich – zum mindesten ein Mal. Darum bekamen ihre Unterhaltungen auch nachgerade eine gewisse ungenierte Zutraulichkeit.
»Wirst Du aber stark, Eugenie! Zeig’ mal her! Wahrhaftig Kinder – alles echt!« Die junge Dame mit der neidenswerten Büste ließ sich in siegessicherer Ruhe auf Agathes Kretonnesofa nieder.
»Roggenmehlsuppe mit Eiern zum Frühstück – nachmittags einen Teller voll Griesbrei – da, nun wisst Ihr’s.«
»Das möcht’ ich nicht«, rief die blasse Lisbeth Wendhagen und knabberte an einem Makronenstückchen.
»Man muss sich doch auf den Kampf des Lebens vorbereiten«, bemerkte Eugenie weise.
»Pfui Genie!«
»Die keusche Agathe errötet«, sagte Eugenie, sich behaglich mit Kuchen versorgend. »Das hat sich das gute Kind immer noch nicht abgewöhnt!«
»Ach, es ist schrecklich!« Agathes Wangen erglühten bei dieser ärgerlichen Entschuldigung noch feuriger.
»Du wirst wohl überhaupt nicht mehr rot?« fragte bissig ein älteres Mädchen aus dem Kreise.
»O doch – aber nur wenn ich will! Den Atem anhalten! Seht mal her!«
Mit Bewunderung und viel Gelächter wurde das Kunststück beobachtet.
»Ich werde mir auch Griesbrei kochen lassen«, überlegte Fräulein von Henning, welche die ganze Zeit in ernster Betrachtung vor dem Spiegel gestanden hatte. Sie bedachte dabei, ob ihre Mutter wohl die Extraausgabe gestatten würde? Es war doch gemein, sich so einrichten zu müssen!
»Exzellenz Wimpffen1 hat gesagt, Gries wäre sehr schädlich für den Teint!«
»Wieso denn?«
»Na – die Grieskörner lassen sich, glaube ich, nicht gut verdauen und kriechen dann irgendwie im Körper herum.«
»Ach, Unsinn!« widersprach Eugenie.
»Doch! Exzellenz Wimpffen hat zu Mama gesagt: in Russland essen die jungen Mädchen niemals Gries, weil sich die Grieskörner unter der Haut festsetzen und entzünden, daher kommt die Gänsehaut und Pickel und alles mögliche!«
Es trat eine Stille ein. Das klang ernsthaft!
»Ich glaube nicht daran«, sagte Agathes ruhige Stimme. »Jeder will heutzutage etwas wissen! Pfauenfedern sollen auch schädlich sein!«
»Das glaubst Du wohl auch nicht?« fragte Lisbeth Wendhagen wichtig. »Mein alter Onkel …«
»Mit Pfauenfedern, das weiß ich nicht«, rief die Tochter des Oberpräsidenten – »aber Seerosen …! das habe ich selber erlebt, das kann mir keiner abstreiten! Als ich voriges Jahr bei meiner Tante in Potsdam war, schleppte meine Cousine von einer Kahnpartie einen ganzen Arm voll nach Haus. Mehrere Damen warnten sie noch, die Dinger brächten Unglück – aber sie wollte ja nicht hören! Richtig – am anderen Morgen bekommt sie Diphtheritis – wäre beinahe dran gestorben! Ne, ne – vor Wasserrosen habe ich allen Respekt!«
Trotz der Gefahren, die dem Leben und der Schönheit der jungen Geschöpfe von allen Seiten geheimnisvoll drohten, besaßen sie doch Leichtsinn genug, die bevorstehenden Ball-Aussichten eifrig zu besprechen. Wutrows wollten tanzen lassen! Und dann der große Juristenball! Agathe hatte eine entzückende Toilette bekommen: echte Pariser Heckenrosen – schrecklich teuer – von Onkel Gustav.
»Sag’ mal – Dein Onkel Gustav hat wohl Geld, dass er so lebt, ohne was zu tun? Das wäre am Ende eine ganz gute Partie?«
»Ach nein – Geld hat er keins! Das heißt, er sagt immer, wenn seine Erfindung glückt, könnte er Millionär werden!«
»Ach, der Jugendborn!« Ein unendliches Gekicher erscholl um den Kaffeetisch, man schien Onkel Gustavs Erfindung, trotz ihres poetischen Namens, nicht eben ernst zu nehmen.
»Dein Onkel ist kostbar! Bei uns heißt er die Kirschblüte wegen seiner schönen, weißen Sommeranzüge! Agathe, Du heiratest ihn am Ende doch noch!«
Agathe lachte laut und lustig und alle stimmten aufs neue ein.
»Du – gestehe! – Hat er Dich schon mal geküsst?«
»Ach,