mußte er hinterher. Kam es zu einer direkten Begegnung, konnte er einem Kampf wohl nicht mehr ausweichen. Wartete er jedoch ab, entkam sie ihm unter Umständen.
Die Sinne zum Zerreißen angespannt, näherte sich der Geisterdetektiv dem dunklen Hauseingang. Er setzte Dracula vorher auf den Boden, damit er beide Hände frei hatte, um die Sekretärin abzuwehren. Er wollte sich auf kein Risiko einlassen. Immerhin hatte sie einen durchtrainierten Boxer krankenhausreif geschlagen.
Mit angehaltenem Atem bog er in den Flur und stieß die Luft wieder aus. Gerade noch konnte er die Verfolgte sehen.
Es handelte sich nämlich nicht um einen gewöhnlichen Hauseingang, sondern um eine Einfahrt, die mehrere hintereinander liegende Wohnblöcke miteinander verband. Zwischen den einzelnen Gebäuden gab es schlecht erleuchtete Höfe.
Patsy Meco befand sich bereits im dritten Hof. Rick rannte auf Zehenspitzen hinterher, vermied jedes Geräusch und atmete erleichtert auf, daß sich auch Dracula richtig verhielt. Der Hund lief so leise, als müsse er sich an eine Katze oder eine Maus anschleichen.
Wie Schatten huschten die beiden Verfolger von einem Durchgang zum nächsten. Patsy betrat den vierten Hof und schwenkte zur Seite.
Rick Masters setzte auf sein Glück und schloß auch diesmal dicht auf. Und das war gut so, denn als er den Hof erreichte, war die Sekretärin nicht mehr zu sehen. Dafür stand der Geisterdetektiv vor der Ruine, von der sie gesprochen hatte. Hier drinnen war eines der Häuser so baufällig, daß es unbedingt demnächst abgerissen werden mußte.
Wenn er sich nicht sehr täuschte, so mußte er in diesem Gebäude den Magier sehen. Die Schlußauseinandersetzung stand unmittelbar bevor.
Rick überprüfte kurz seine Pistole, da er es diesmal mit einem Menschen zu tun hatte, gegen den er diese Waffe einsetzen konnte. Er nahm auch seine Silberkugel zur Hand und schlich zu dem Eingang, den keine Tür mehr verschloß.
Das Licht der Lampen im Hof reichte aus, daß er sich in dem zerstörten Gebäude zurechtfand. Sämtliche Türen im Erdgeschoß waren geschlossen. Den Zugang zum Keller fand er ohne seine Taschenlampe nicht, doch die mochte er noch nicht einschalten. Sie hätte ihn zu früh verraten.
Schon wollte sich Rick durch Tasten auf die Suche nach der Kellertür machen, als er von oben ein Geräusch hörte. Es polterte, eine Frau stieß einen erschrockenen Ruf aus. Eine zweite, tiefere Stimme rief etwas.
Die Spannung wurde für den Geisterdetektiv fast unerträglich. Dort oben besprach der Urheber des Schreckens im City Tower neue Schandtaten. Und seine Helferin nahm willig alle Befehle entgegen, um sie sofort auszuführen.
Nun kam es darauf an! Rick machte sich an den Aufstieg. Das war nicht so einfach, weil die Treppe bereits an vielen Stellen beschädigt war. In Höhe des zweiten Stockwerks fehlte sogar die halbe Treppe, so daß Rick sich ganz dicht an der Wand halten mußte, um nicht in die Tiefe zu stürzen.
Hier oben standen die Wohnungstüren offen. Der Geisterdetektiv konnte einen Blick in die Räume werfen. Er schauderte. Der Fußboden fehlte, ebenso in der dritten Etage und in der vierten. Hätte er ahnungslos diese Wohnungen betreten, wäre er gestürzt. Aus dieser Höhe war ein Fall lebensgefährlich.
Die fünfte und letzte Etage war der Treffpunkt des Magiers mit der Sekretärin. Deutlich hörte Rick murmelnde Stimmen und sah zu Dracula. Der Hund legte die Ohren an, ein Zeichen, daß er sich unbehaglich fühlte. Er spürte die magischen Kräfte, die auf diesem Stockwerk wirkten.
Rick erreichte die fünfte Etage. Eine offene Wohnungstür! Dahinter die Stimmen.
Von dem Hof fiel Licht in die Wohnung, stark abgeschwächt durch die verschmutzten Fenster. Rick hob Pistole und Silberkugel und schob sich in den Vorraum. Dahinter lag das Wohnzimmer, noch einigermaßen erhalten. Auf dem Boden lag sogar ein Teppich.
Auf der anderen Seite des Raumes gab es eine offene Tür. Dahinter ein Mann und eine Frau! Rick konnte nur die Silhouette sehen, nicht die Gesichter. Dafür war es zu dunkel.
Er trat einen Schritt in den Wohnraum hinein, den Finger am Abzug der Pistole. In der anderen Hand hielt er nicht nur die Silberkugel, sondern auch seine Kugelschreiberlampe.
Noch ein Schritt vorwärts.
»Das Spiel ist aus!« schrie er. »Hände hoch und keine Bewegung!«
Noch ein Schritt.
Dracula jaulte herzzerreißend auf.
Als habe das Winseln seines Hundes einen Schleier von Ricks Augen weggezogen, sah er plötzlich alles, wie es wirklich war. In Sekundenbruchteilen erkannte er die Falle.
Dort hinten standen der Magier und Patsy Meco. Sie hatten gewußt, daß Rick kommen würde. Denn der Teppich, den er soeben noch gesehen hatte, existierte nicht. Er war nur magisches Blendwerk gewesen.
Auch auf dieser Etage fehlte der Wohnzimmerboden. Vor Rick Masters klaffte ein Abgrund.
Die Warnung seines Hundes kam einen Augenblick zu spät. Rick Masters wollte sich noch zurückwerfen, um dem Absturz zu entgehen, aber seine Füße rutschten ab.
Er verlor den Halt und kippte über die Abbruchkante.
*
Kurz bevor Chefinspektor Hempshaw den fünfzehnten Stock erreichte, meldete Sergeant Myers, daß der Verdächtige eine Etage höher ging.
»Er benutzt das Treppenhaus«, sagte der Sergeant.
»In Ordnung«, erwiderte der Chefinspektor. »Ich fahre zur siebzehnten und komme euch entgegen. Mal sehen, was der Gute hier oben zu suchen hat.«
Die Wohnetagen waren genauso leer und ausgestorben wie die Halle und wirkten bedrückend. Hempshaw eilte zu der Tür, die in das feuersichere Treppenhaus führte, hatte sie jedoch noch nicht erreicht, als sie aufflog und gegen die Wand knallte.
Vor ihm stand ein Mann, den er noch nie gesehen hatte, der ihm jedoch auf den ersten Blick verdächtig war. Der Mann, ein Eurasier, wie der Chefinspektor schätzte, blieb geduckt stehen. Seine eisigen Augen richteten sich ausdruckslos auf Hempshaw. Seine blassen Lippen glitten von den Zähnen zurück, als könne er sich nicht entscheiden, ob er grinsen oder wie ein Raubtier knurren sollte.
Hinter dem Fremden tauchte Sergeant Myers im Treppenhaus auf. Hempshaw hatte an seine Leute, die im City Tower Dienst taten, Waffen ausgeben lassen. Er selbst griff auch zu seiner Waffe.
»Nehmen Sie die Hände hoch, Scotland Yard«, sagte er ruhig. »Sie haben keine Chance gegen uns.«
Der Mann ließ nicht erkennen, ob er den Chefinspektor verstanden hatte. Seine Hände baumelten locker herunter. Er versuchte nicht, in seinen grauen Overall zu greifen. Damit wiegte er Hempshaw in Sicherheit.
In eine trügerische Sicherheit.
Im nächsten Moment schnellte er sich nämlich lautlos gegen den Chefinspektor.
Hempshaw drückte ab. Die Kugel traf, erzielte jedoch nicht die geringste Wirkung.
Als der Mann mit ihm zusammenprallte, wußte Hempshaw, daß er es mit einem Untoten zu tun hatte.
»Laufen Sie weg!« schrie er seinem Sergeant zu, stürzte und erhielt einen schweren Schlag.
Der Sergeant hielt sich nicht an die Warnung seines Vorgesetzten, sondern griff den Untoten an. Wahrscheinlich hatte er nicht gemerkt, was für ein Gegner das war.
Der lebende Tote machte mit Myers kurzen Prozeß. Ein Schlag, und der Sergeant stürzte neben seinem Chefinspektor zu Boden, überschlug sich und blieb benommen liegen.
Hempshaw richtete sich in kauernde Stellung auf. Abwartend starrte er auf den Fremden. Rick Masters besaß seine Silberkugel, aber der Chefinspektor war praktisch unbewaffnet. Seine Pistole zählte nicht.
Die beiden Kriminalisten hatten Glück. Der Untote griff sie nicht mehr an, sondern zog sich zurück. Dabei ging er rückwärts und ließ sie nicht aus den Augen.
Sergeant Myers kam wieder auf die Beine.