nicht viel Zeit«, sagte eine offenbar verstellte Männerstimme. Man hörte dem Anrufer deutlich an, daß er unter einer ungeheuren inneren Anspannung stand. »Kommen Sie in das erste Kellergeschoß. Dort teile ich lhnen mit, wer der Magier ist!«
»Sie wissen es?« rief Rick überrascht.
»Ja! Aber für diese Information möchte ich Straffreiheit haben!« verlangte der Anrufer.
»Das kann ich Ihnen nicht garantieren, aber ich helfe Ihnen, so gut ich kann«, erwiderte Rick.
»Na gut«, meinte der Unbekannte. »Einverstanden! Kommen Sie allein! Der Keller ist groß. Wenn Sie jemanden mitbringen, diesen Chefinspektor zum Beispiel, zeige ich mich nicht.«
»Ich komme allein«, versprach Rick und ließ den Hörer auf den Apparat sinken, nachdem der Anrufer aufgelegt hatte.
»Na, was ist?« rief der Chefinspektor gespannt. Er hatte nur Ricks Antworten gehört, daraus aber seine Schlüsse gezogen.
»Vielleicht weiß ich in ein paar Minuten, wer der Magier ist.« Rick eilte zur Tür. »Folgen Sie mir nicht, sonst klappt es nicht! Ich melde mich wieder bei Ihnen!«
Und damit verließ er überstürzt das Büro. Eine solche Chance durfte er sich nicht entgehen lassen.
*
Beunruhigt blickte Hazel Kent auf die Quarzuhr auf ihrem Schreibtisch. Seit Stunden wartete sie darauf, daß Rick Masters sich wieder bei ihr meldete. Nun war es schon drei Uhr nachmittags, und er ließ noch immer nichts von sich hören.
»Mrs. Penning!« rief sie die Sekretärin über die Sprechanlage. »Haben Sie Mr. Masters…?«
»Nein, Mrs. Kent«, antwortete die Sekretärin prompt, noch bevor sie ausgesprochen hatte. »Ich habe es vor fünf Minuten noch einmal in seinem Büro versucht, aber dort meldete sich nur der automatische Anrufbeantworter.«
»Haben Sie trotzdem noch gewartet?« fragte Hazel nervös.
»Wie Sie es mir gesagt haben, Mrs. Kent, aber ohne Erfolg.«
»Ich bin außer Haus!« Hazel ließ die Taste des Sprechgeräts los, holte ihren Mantel aus dem Schrank und machte sich auf den Weg zum City Tower. Sie vermutete wenigstens, daß Rick sich noch in diesem Hochhaus aufhielt.
Da sich auch die Büros der Kent-Werke in der Londoner City befanden, hatte sie es nicht weit. Sie parkte ihren Rolls Royce, den sie selbst steuerte, ebenfalls auf dem Bürgersteig vor dem Haupteingang. Und dort stand auch Ricks Morgan. Ihre Vermutung stimmte also, Rick war hier.
Sie erkundigte sich bei dem Pförtner nach ihrem Freund, doch der Mann wußte nicht Bescheid.
»Irgendwo im Haus, Madam«, erklärte er. »Aber wir haben keine Rundsprechanlage, und Mr. Masters hat mir nicht gesagt, wo er ist.«
»Und Chefinspektor Hempshaw von Scotland Yard?« forschte Hazel. Meistens war der Chefinspektor nicht weit von Rick.
»Weiß ich ebenfalls nicht Bescheid, bedaure.« Der Mann hatte sich wirklich bemüht.
Hazel hatte eine andere Idee. »Dann möchte ich jemanden von der Verwaltungsgesellschaft sprechen«, bat sie.
Auch das versuchte der Pförtner, und wieder mußte er einen Mißerfolg melden. »Da antwortet niemand. Im Moment geht es ein wenig turbulent zu.«
»Ich weiß!« Hazel starrte zu den Aufzügen. Sollte sie es auf eigene Faust versuchen? Es war ziemlich aussichtslos, das Hochhaus zu durchstreifen. Rick könnte sich überall aufhalten.
Um sich von dem Streß ein wenig zu erholen, setzte sich Hazel Kent erst einmal in eine Sesselgruppe und beobachtete die Leute, die durch die Halle hasteten.
Ein Klingeln dicht neben ihr ließ sie zusammenzucken. Überrascht blickte sie auf den Telefonapparat, der auf einem kleinen Beistelltisch stand. Zögernd hob sie ab.
»Ja?« fragte sie, noch gar nicht sicher, daß dieser Anruf ihr galt.
»Mrs. Kent!« sagte eine Männerstimme. »Ihr Freund befindet sich in höchster Lebensgefahr. Wenn Sie ihm helfen wollen, kommen Sie sofort in das zweite Kellergeschoß. Und geben Sie acht, daß Sie niemand sieht.«
Ehe Hazel etwas sagen konnte, hatte der Anrufer schon wieder aufgelegt. Sehr nachdenklich ließ sie den Hörer auf den Apparat sinken. Das klang zu sehr nach einer Falle.
Andererseits war es durchaus möglich, daß Rick in Lebensgefahr schwebte und nur sie ihm helfen konnte.
Sie gab sich einen Ruck und ging zu den Aufzügen und drückte den Knopf für die Fahrt in die Tiefe. Es gab eben Momente, in denen der klare Menschenverstand und die Vernunft schweigen mußten. Jetzt wurde sie nur von ihrer Sorge um Rick getrieben.
*
Im ersten Kellergeschoß lagen die Boxen, in denen die Hausbewohner ihre überflüssigen Dinge unterbringen konnten. lm Gegensatz zu der noch tiefer liegenden Versorgungsetage herrschten hier erstaunliche Ordnung und Übersicht. Zwar bildeten die Gänge ein Labyrinth, doch es war streng geometrisch angelegt und wurde nicht zusätzlich durch Rohrleitungen unübersichtlich.
Zu beiden Seiten der Korridore lagen die Kellertüren, jede mit einem Sicherheitsschloß versehen. Die Türen bestanden aus massivem Eisen. Die Hausverwaltung hatte sich die Sicherheit der Mietkeller etwas kosten lassen.
Das hatte aber den Nachteil, daß Rick nicht sehen konnte, ob sich jemand in einem Abteil verbarg. Er konnte nicht einmal feststellen, welcher Keller verschlossen war und welcher nicht, es sei denn, er hätte jede Klinke gedrückt, und dazu hatte er keine Zeit.
Der Anrufer hatte behauptet, er werde sich bei Rick melden. Also blieb dem Geisterdetektiv nichts anderes übrig, als langsam durch die Korridore zu gehen und auf der Hut zu sein.
Dracula lief neben ihm her und zeigte nicht an, daß sich jemand in der Nähe befand, weder Mensch noch Untoter.
Die Minuten vergingen. Rick wurde immer nervöser. Es war ja möglich, daß sich der Unbekannte nur davon überzeugen wollte, daß Rick ehrlich war und niemanden mitbrachte. Vielleicht war aber auch etwas passiert.
Endlich hielt es der Geisterdetektiv nicht mehr aus. Er machte sich gezielt auf die Suche. Um alle Türen zu überprüfen, hätte er Helfer gebraucht. Noch aber wollte er den Chefinspektor nicht einschalten, falls sein Informant doch hier unten wartete und einfach zögerte.
Bei einer systematischen Suche in den Korridoren des Kellers beschränkte sich Rick auf jene Türen, die nur angelehnt waren. So kam er wesentlich schneller voran. Er drückte sie ganz auf, in der einen Hand seine Pistole, in der anderen seine Silberkugel. Er wollte auf jede Möglichkeit vorbereitet sein.
Er wurde nicht angegriffen, und er fand nichts, bis er schon fast den ganzen Keller überprüft hatte. Wieder kam er an eine Tür, die zu einem offenbar nicht vermieteten Abteil gehörte. Er drückte dagegen.
Die Tür ging nach außen auf, schwang quietschend in den Angeln zurück und gab den Blick auf einen Toten frei.
Der Mann lag auf dem Rücken, die Arme seitlich ausgestreckt, die Beine eingeknickt. Seine Augen waren gebrochen.
Rick beugte sich nicht sofort hinunter. Er mußte mit der Möglichkeit rechnen, daß er es wieder mit einem Untoten zu tun hatte.
Zuerst beobachtete er Dracula. Der Hund reagierte jedoch normal. Dann berührte er mit der Silberkugel die Hand des Toten. Auch dabei geschah nichts.
Von dieser Leiche drohte dem Geisterdetektiv vorläufig keine Gefahr.
Eine kurze Untersuchung verriet Rick die Todesursache. Der Unbekannte war erwürgt worden.
Rick Masters war ziemlich sicher, den Informanten vor sich zu haben. Es wäre ein zu großer Zufall gewesen, hätte es ausgerechnet jetzt in diesem Keller noch ein anderes Mordopfer gegeben. Enttäuscht richtete er sich auf. Dieser Mann hatte sein Wissen mitgenommen und konnte nicht mehr verraten, wer im City Tower die Fäden zog.
Rick ging zu einem Wandtelefon