wird sie«, sagte Fee, und auf ihr Ahnungsvermögen konnte man sich eigentlich verlassen.
*
Daniel Norden sah der Begegnung mit Violetta Fabrici tatsächlich mit Spannung entgegen. Wendy kam mit einer dicken Backe in die Praxis. Sie konnte kaum reden, und Daniel schickte sie sehr energisch nach Hause. Da half ihr kein Widerspruch, obgleich sie meinte, wie er denn allein zurechtkommen wolle. Es war Mittwoch, und da kamen nur vorgemerkte Patienten zur Blutentnahme und zu verschiedenen Therapien. Zwei bekamen Sauerstoff, drei Akupunktur, und drei weitere Mikrowellenbestrahlung. Das fand in verschiedenen Räumen statt, und nur für die Akupunktur brauchte Dr. Norden Zeit und Konzentration, die anderen saßen oder lagen nur da, aber er hatte wenigstens die Genugtuung, daß die Behandlungen erfolgreich waren.
Für Violetta konnte er sich viel Zeit nehmen, da er die anderen Patienten bereits am Vormittag behandelt hatte. Violetta kam diesmal in einem leichten graugrünen Hosenanzug, in dem sie noch schlanker wirkte und wirklich nicht mehr an das Pummelchen von ehemals erinnerte. Ihr schönes honigblondes Haar bildete einen aparten Kontrast zu ihren dunklen Augen, die von einem dichten Kranz langer Wimpern umgeben waren. Das Oval ihres Gesichtes war makellos. Daniel Norden hatte schon überlegt, daß sie etwa Anfang Dreißig sein müsse. Sie bestätigte ihm, daß sie in zwei Monaten ihren zweiunddreißigsten Geburtstag feiern würde.
»Ich bin schon ein bißchen neugierig, und meine Frau möchte auch gern wissen, wo Sie gelebt haben und welchen Weg Sie einschlugen«, sagte er.
Sie lächelte, aber es war kein Lächeln, das auch ihre Augen erreichte, die eher nachdenklich auf ihn gerichtet waren.
»Haben Sie schon mal etwas von Vici-Moden gehört?« fragte sie. »Ihre Frau wahrscheinlich eher. Das ist meine Firma. Ich habe sie aufgebaut, und mein Erbe kam mir dabei sehr zustatten. Ich wollte etwas leisten, mich beweisen, und bin stolz, daß ich es geschafft habe, denn privat hatte ich kein Glück. Wollen Sie eine traurige Geschichte hören?«
»Sie gehört wohl zu Ihrem Leben, Frau Fabrici. Heißen Sie noch so?«
»Ja, gewiß«, erwiderte sie hastig, »aber sagen Sie doch Violetta, wie früher. Verheiratet bin ich nicht, und ich habe auch nicht die Absicht, nachdem ich schon eine Riesendummheit begangen habe. Ich muß das einmal einem verständnisvollen Menschen berichten, sonst frißt es mich noch auf, aber ich bitte Sie um volle Diskretion, denn es weiß sonst niemand.«
»Es ist selbstverständlich, nicht nur, weil es die ärztliche Schweigepflicht verlangt.«
»Sie werden vielleicht denken, daß ich nicht ganz zurechnungsfähig bin, wie meine bucklige Verwandtschaft behauptet hat, um an mein Erbe zu kommen, wenn Sie diese Geschichte hören, und ich weiß tatsächlich nicht, ob ich mir etwas einrede.« Sie machte eine Pause und atmete schneller. »Ich muß von Anfang an beginnen.«
»Lassen Sie sich Zeit, Violetta. Ich habe mir auch Zeit für Sie genommen.«
»Sie wissen, daß mein Vater auf Teneriffa lebte und es dort auch zu einem beträchtlichen Vermögen brachte, während ich meine Mutter, von der er getrennt lebte, bereits verloren hatte. Ich habe ihn gar nicht richtig gekannt. Erst als ich erwachsen war und mein Erbe, das für mich überraschend kam, antreten konnte, erfuhr ich, daß er durch einen Unfall schwerstbehindert und entstellt war und seine Geschäfte sozusagen hinter verschlossenen Türen tätigte. Ich wurde Besitzerin einer Hotelkette und gewaltiger Anwesen, die vermietet waren. Ich war völlig unbedarft und mußte lernen, mit eiskalten Geschäftsleuten umzugehen. Aber Sie haben mir oft gesagt, daß ich es lernen muß, mich zu behaupten und ich habe schnell gelernt. Leider jedoch nur in geschäftlicher Hinsicht. Privat ging ich, wie man so schön sagt, baden, als ich einen Mann kennenlernte, der für mich der Traumprinz war. Ich war vorher nie verliebt, und wie ich schon sagte, auch diesbezüglich unbedarft. Er war ein erfahrener, sehr gutaussehender und charmanter Mann und vielleicht reizte es ihn, meine Unerfahrenheit mit Männern auf die Probe zu stellen. Jetzt weiß ich, wie solche übersättigten Männer sind, denen die Frauen nachlaufen und jede haben können. Es ist ein Spiel für sie, naive Mädchen zu verführen. Für mich nahm dieses Spiel ein makabres Ende.
Ich wurde schwanger, und als ich ihm das sagte, erfuhr ich, daß er verheiratet war. Knallhart sagte er es mir ins Gesicht, erklärte mir aber auch, daß er natürlich für das Kind sorgen würde. Er wußte allerdings nicht, daß ich Geld genug hatte. Dumm wie ich war, hatte ich es ihm verschwiegen, weil ich um meiner selbst willen geliebt werden wollte. Jetzt muß ich annehmen, daß er sehr gut Bescheid wußte über alles, was ich nach der Trennung von ihm tat. Ich ging nach San Sebastian, wo ich auch ein Haus geerbt hatte, wo mich niemand kannte, abgesehen von Alma, die schon für meinen Vater gesorgt hatte. Sie ist voriges Jahr gestorben.
Ich ging zur Entbindung in eine kleine Privatklinik. Es ging mir nicht gut, das Kind kam zu früh. Man sagte mir, es sei tot geboren, als ich zwei Tage später aus der Narkose erwachte. Ich weiß nicht, was ich empfand. Es erschien mir alles so unwirklich, wie ein schwerer Traum. Um mich auf andere Gedanken zu bringen, faßte ich den Entschluß, einen anderen Traum zu verwirklichen, nämlich Mode zu entwerfen, und damit hatte ich sehr schnell Erfolg. Ich verdrängte damit alle Gedanken an das totgeborene Kind und an den Mann, der ein so böses Spiel mit mir getrieben hatte. Ich war nicht nur eine reiche Frau, sondern auch eine sehr erfolgreiche. Dadurch lernte ich Isadora Santoro in Marbella kennen, die Ehefrau jenes Mannes, der mir die tiefste Demütigung zugefügt hatte. Sie ist eine reizende Frau.«
Daniel Norden sah Violetta verwundert an.
Da klang keine Hintergründigkeit mit, sie meinte es, wie sie es sagte.
»Das klingt wohl komisch«, fuhr Violetta fort, »aber ich mag sie wirklich, und bisher scheint Carlos keine Ahnung zu haben, daß wir uns sogar ein bißchen angefreundet haben. Vielleicht weiß sie, daß er sie betrügt, denn ich glaube, das tut er immer noch. Ich würde Ihnen das wahrscheinlich gar nicht erzählen, wenn nicht ausgerechnet Isadora mich auf den Gedanken gebracht hätte, daß mein Kind gar nicht tot ist, sondern sehr lebendig.«
Jetzt war Daniel Norden sprachlos, ja völlig konsterniert. Es dauerte lange Sekunden, bis er sich zu der Frage aufraffen konnte, ob sie das etwa glaube.
Violettas Blick war jetzt ganz in sich gekehrt. »Ich habe das Mädchen am Strand gesehen. Es ist bei weitem hübscher, als ich als Kind war, aber es hat, genau wie Isadora sagte, ein Muttermal an fast der gleichen Stelle wie ich. Hier am Hals.«
Sie deutete darauf. Dr. Norden sah es und konnte sich daran erinnern, daß er es früher schon untersucht hatte, mit beruhigendem Befund. Es hatte sich zwischenzeitlich auch nicht verändert.
»Ich denke, daß Isadora völlig unbefangen ist. Sie sagte nur, daß es doch seltsam sei, daß Pepita das gleiche Muttermal hätte wie ich. Sie hat mir erzählt, daß sie von Antonella und Juan Hernando vor sieben Jahren adoptiert worden sei.« Ihre Hände verkrampften sich jetzt ineinander.
»Es regt Sie auf«, stellte Daniel Norden fest. »Es kann doch ein Zufall sein, Violetta.« Aber seine Stimme klang auch unsicher.
»Aber sicher werden Sie auch sagen, daß ich kein Fall für den Psychiater bin, wenn ich Ihnen jetzt erkläre, daß meine Nachforschungen ergeben haben, daß Juan Hernando Arzt an der Klinik war, in der ich mein Kind zur Welt gebracht habe, das angeblich tot geboren wurde. Er ist ein Freund von Carlos Santoro.«
»Das gibt allerdings zu denken«, sagte Daniel sehr bestürzt. »Ich verstehe, daß Sie sehr verwirrt sind.«
»Ich kann nicht erklären, was ich bin, verwirrt oder wütend. Jedenfalls hat Isadora sicher keine Ahnung. Und ich wußte mir keinen anderen Rat, als Sie aufzusuchen und Sie zu bitten, mir zu helfen, den richtigen Weg zu finden, um mir Klarheit zu verschaffen. Santoro wie auch Hernando sind sehr einflußreiche Männer und die Frauen haben dort wenig zu sagen.
Isadora hat über ihren Mann kaum gesprochen. Sie haben zwei Kinder, die aber in Internaten erzogen werden. Isadora scheint auch nicht ganz gesund zu sein. Ich kann es schwer beurteilen, weil ich sie nur selten getroffen habe. Sie ist Esoterikerin und wollte mich auch gleich bekehren. Vielleicht sucht sie darin Zuflucht, weil sie unglücklich ist. Es wurde geredet, daß