Patricia Vandenberg

Dr. Norden (ab 600) Jubiläumsbox 6 – Arztroman


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      »Sie wollen es haben?«

      Sie blickte an ihm vorbei. »Ich will vorerst nur wissen, was da gespielt wurde, wenn mein Kind gar nicht tot zur Welt gekommen ist. Pepita machte keinen unglücklichen Eindruck. Ich weiß nicht, ob ich jetzt noch fähig wäre, diesem Kind eine gute Mutter zu sein, da ich Carlos Santoro verachte.«

      »Sie wollen sich an ihm rächen?«

      »Ich weiß nicht mal, ob es Rachegefühle sind, aber ich könnte ihm Angst einjagen, seine Existenz ins Wanken bringen, ja, das wäre wohl Rache! Finden Sie das verachtenswert?«

      »Sein Verhalten war verachtenswert«, erwiderte Daniel. »Immerhin kann durch die Gentechnik einwandfrei bewiesen werden, ob Pepita Ihr Kind ist, fragt sich nur, wie weit Sie gehen wollen. Es könnte zu einem Skandal kommen, der auch Sie in die Schlagzeilen bringt.«

      »Wie würde es genau festgestellt?« fragte sie rauh.

      »Aus Blutproben der Mutter, des Vaters und des Kindes. Da feststeht, daß das Ehepaar Hernando das Kind adoptiert hat, sind sie von der Untersuchung ausgenommen. Es fragt sich dann nur, welche Rolle er bei Ihrer Niederkunft in der Klinik gespielt hat. Es kann für ihn am schlimmsten ausgehen.«

      »Mir würde seine Frau und natürlich auch Isadora leid tun. Ich befinde mich in einem schweren Konflikt.«

      Er sah sie forschend an. »Was damals auch geschah, und wie schrecklich es für Sie ist, überlegen Sie bitte auch, ob Sie das Kind überhaupt wollten, das Sie immer an jenen Mann erinnert hätte. Haben Sie sich auf das Kind gefreut?«

      »Nein«, erwiderte sie lakonisch, »aber ich wollte es nicht umbringen lassen. Ich hatte keine finanziellen Sorgen, also frage ich mich nur, warum mir das Kind weggenommen wurde. Das ist es eben, es bleiben zu viele Fragen, auf die ich eine Antwort haben möchte.«

      »Das verstehe ich. Da kann ich Ihnen eigentlich nur den Rat geben, sich einen guten Anwalt zu nehmen und ihm die Aufklärung zu überlassen.«

      »Einem Fremden noch einmal diese Geschichte erzählen? Ich weiß nicht, ob ich das kann. Bei Ihnen ist es etwas anderes.«

      »Ich kann von hier aus leider nichts für Sie tun, aber ich kenne in Madrid einen sehr guten Arzt, den man ins Vertrauen ziehen könnte.«

      Violetta überlegte. »Wie heißt er?« fragte sie.

      »Dr. Nicolas Fernandez. Wenn Sie wollen, rufe ich ihn an.«

      Sie nickte. »Ja, tun Sie das bitte.«

      »Sie müssen sich auf irgendeine Weise Klarheit verschaffen, sonst finden Sie keine Ruhe, Violetta. Ein Muttermal darf nicht ausschlaggebend sein.«

      »Sie meinen die Stimme des Blutes eher? Aber diese Stimme hat sich noch nicht gemeldet. Ich bin wohl zu zornig.«

      »Haben Sie wenigstens ein paar Freunde, mit denen Sie reden können?«

      »Nicht über diese Sache, aber meine Sekretärin und ihr Mann sind sehr zuverlässig. Wir kennen uns bereits vier Jahre, und hier in München wohnen wir auch in einem Haus. Ich habe eins gemietet am Stadtpark.«

      Das war eine sehr exclusive und entsprechend teure Lage, wie Dr. Norden wußte. Geld schien tatsächlich keine Rolle bei Violetta zu spielen.

      »Bleiben Sie länger in München?« fragte er beiläufig.

      »Ich habe hier geschäftlich zu tun und will mich auch mit einer angesehenen Modefirma arrangieren. Es ist noch nicht spruchreif, aber ich denke, diese Liason kann längerfristig werden. Jedenfalls werde ich nur kurze Zeit in Spanien sein, wenn ich mich mit Ihrem Vorschlag anfreunde. Ich muß mir diesen Arzt schon persönlich ansehen, bevor ich mein Privatleben ausbreite. Sie sehen, daß ich sehr vorsichtig geworden bin und nicht von einem Unglück ins andere stolpere.«

      »Das wird auch gut sein, Violetta«, meinte er lächelnd.

      »Ganz herzlichen Dank, daß Sie Zeit für mich hatten. Es hat mir gutgetan, mir einmal alles von der Seele zu reden.«

      War es wirklich alles, dachte er, als sie gegangen war. Hatte sie in diesen Mann doch zuviel Gefühl investiert, um nur Verachtung für ihn zu empfinden?

      Er sah große Probleme auf Violetta zukommen, wenn sie tatsächlich um das Kind kämpfen wollte und es konnten einige Menschen dabei auf der Strecke bleiben, die damit gar nichts zu tun hatten. Allerdings war es auch unverzeihlich, wenn ihr das Kind auf solche Weise genommen worden war, jedoch blieb die Frage, ob sie nicht einer Vision nachjagte wegen eines Muttermals. Er konnte diese Gedanken nicht einfach verbannen und nahm sie mit heim, wo Fee schon unruhig auf ihn wartete.

      *

      Violetta fuhr zu der Villa am Stadtpark, die sie gemietet hatte. Es war ein schönes Haus, und es gefiel ihr so gut, daß sie es gern kaufen wollte, aber in ihrem Leben herrschte jetzt ein solches Durcheinander, daß sie nicht wußte, wo sie überhaupt einmal seßhaft werden wollte.

      Ivi Rowland empfing Violetta mit einem forschenden Ausdruck. »Du siehst müde aus, Viola, ruh dich jetzt erst mal aus. Möchtest du Tee oder Kaffee?«

      »Lieber Kaffee, ich habe noch viel zu tun. Ist Ted da?«

      »Nein, er ist unterwegs, macht eine Reportage von dieser Messe. Hättest du ihn gebraucht?«

      »Es hat Zeit, er kann es auch morgen erledigen.«

      »Die Korrespondenzen liegen auf deinem Schreibtisch. Du brauchst nur zu unterschreiben.«

      »Vielen Dank, Ivi, wenn ich dich nicht hätte«, sagte Violetta mit einem Seufzer.

      »Wenn dir etwas fehlt, sag es mir bitte.«

      »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, es geht mir gut.«

      Ivi glaubte es ihr nicht. »Du solltest doch einmal zum Arzt gehen, Viola«, drängte sie.

      »Ich war gerade bei einem, es fehlt mir wirklich nichts. Ich werde so bald wie möglich nach Madrid fliegen. Traust du dir zu, mich ganz zu vertreten?«

      Ivi sah sie sprachlos an. »Meinst du das im Ernst?« stotterte sie.

      »Du hast doch schon bewiesen, daß du den richtigen Überblick hast. Die Kollektion steht, daran wird nichts mehr geändert. Du mußt natürlich energisch sein, wenn es um die Fertigung geht.«

      »Da brauchst du keine Bedenken zu haben. Du weißt doch, was Ted immer sagt. Im Kommandieren bin ich ganz groß.«

      »Ich weiß, daß ich mich auf dich verlassen kann. Ted weiß auch, worauf es ankommt. Jetzt ruhe ich mich eine halbe Stunde aus. Kein Telefon bitte.«

      Was ist nur mit ihr los, dachte Ivi, aber sie wußte genau, daß diese ungewohnten Stimmungsschwankungen auftraten, seit Violetta in Marbella war. Sie hatte aber nicht über diesen Aufenthalt gesprochen.

      Ted war Werbefachmann, aber für Violetta war er auch als Repräsentant tätig und er war darin sehr erfolgreich.

      Sie hatten durch Violetta viele Vorteile, wohnten praktisch umsonst, hatten Firmenwagen und außerdem ein sehr anständiges Gehalt. Aber wichtig war ihnen vor allem die Freundschaft, die aus der Basis von Ehrlichkeit und Vertrauen erwachsen war. So phantasievoll und kreativ Violetta auch war, so realistisch und weitblickend handelte sie in geschäftlicher Hinsicht. Man bezeichnete sie als genial.

      Ivi ahnte nicht, was es Violetta an Selbstüberwindung gekostet hatte, so weit zu kommen. Es wurde viel über sie geredet und geschrieben, aber selbst der hinterhältigste Klatschreporter konnte ihr nichts andichten. Sie schien wie Phoenix aus der Asche gestiegen zu sein, ohne Vergangenheit, ohne Affären oder gar Skandale, die man gar zu gern Prominenten nachsagte. Es wäre natürlich ein gefundenes Fressen für die Regenbogenpresse gewesen, wenn nur ein winziges Etwas über Santoro und das Kind Pepita an die Öffentlichkeit gedrungen wäre.

      Violetta war heilfroh, daß dem nicht so war. Heimlich hatte sie ein paar Fotos von Pepita geschossen, die sie immer wieder betrachtete, wenn sie allein war. Sie konnte beim besten Willen keine Ähnlichkeit mit sich selbst feststellen,