nicht stabil genug.«
»Machen Sie sich keine Sorgen«, versuchte Schwester Leonie, die Ärztin zu beruhigen. »So ein neues Kniegelenk ist doch ziemlich aufwändig. Das dauert schon seine Ze…« In ihre Worte hinein öffneten sich die Türen zum Operationsbereich, und Dr. Norden kam in Begleitung von Dr. Weigand und einem erfahrenen Orthopäden heraus. Ein Blick in sein angestrengtes Gesicht genügte Fee, um zu wissen, dass es Probleme gegeben hatte. Sofort war sie in Aufruhr. Daran konnte auch das matte Lächeln nichts ändern, das ihr Mann ihr schenkte, als er sie erblickte.
»Fee, was machst du denn hier?«, fragte er sichtlich erschöpft.
»Was ist passiert? Wie geht es Lenni?«, stellte sie statt einer Antwort gleich zwei Gegenfragen.
Um Zeit zu gewinnen, wischte sich Daniel mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn.
»Sie ist noch nicht wieder bei Bewusstsein«, gestand er zurückhaltend.
»Moment mal! Ihr wolltet doch eine Spinalanästhesie machen«, sagte Felicitas ihrem Mann auf den Kopf zu.
Meistens freute sich Daniel darüber, eine so aufmerksame Zuhörerin zu haben. Doch ab und zu wünschte er sich, Fee könnte sich nicht an jedes noch so kleine Detail erinnern, von dem er ihr erzählt hatte.
»Wir mussten sie in ein künstliches Koma versetzen«, musste er schweren Herzens gestehen.
Vor Entsetzen wurden Fees ungewöhnlich violette Augen groß und rund.
»Warum das denn?«
Da er nicht jede Einzelheit der Operation auf dem Flur erörtern wollte, fasste Dr. Norden seine Frau sanft am Ellbogen und führte sie in einen der Aufenthaltsräume, die für die Angehörigen der Patienten bereit standen. Dort gab es stets eine Auswahl an Getränken und Gebäck, woran sich die Besucher stärken konnten. Glücklicherweise war das Zimmer leer. Aus einer Thermoskanne schenkte Daniel zwei Tassen Kaffee ein und reichte eine davon seiner Frau, die neben ihm stand.
»Es handelt sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme«, versuchte er, sie zu beruhigen.
Fees Kehle war trocken vor Aufregung, und sie trank einen Schluck, um überhaupt sprechen zu können.
»Wieso Vorsichtsmaßnahme?«
»Es gab Komplikationen. Lennis Herz hat ausgesetzt, und wir konnten den Eingriff nicht zu Ende bringen«, erwiderte Daniel mit rauer Stimme.
Als er bemerkte, dass alle Farbe aus Fees Gesicht wich, streckte er schnell die Hände aus, um seine Frau zu stützen. Fürsorglich begleitete er sie zu einem der bequemen Stühle und sorgte dafür, dass sie sich setzte.
»Abbrechen?«, wiederholte sie tonlos.
Daniel nickte bekümmert.
»Wir konnten die Knieprothese nicht einsetzen. Dazu hätte die Zeit nicht gereicht. Deshalb haben wir versucht, das Gelenk, so gut es geht ,wieder herzustellen. Bitte mach dir keine allzu großen Sorgen. Lenni geht es den Umständen entsprechend gut. Ich bin mir sicher…«
»Was bedeutet das alles?«, ließ Felicitas ihren Mann nicht aussprechen.
Im Rahmen ihrer Facharztausbildung in Kinder- und Jugendpsychiatrie absolvierte sie ein Praktikum an der Pädiatrie der Behnisch-Klinik und hatte inzwischen selbst genug Erfahrung gesammelt, um diverse Situationen einschätzen zu können.
»Wird sie eine Gehbehinderung zurückbehalten?«
Zutiefst betroffen senkte Dr. Norden den Kopf.
»Das kann ich zum jetzigen Zeitpunkt leider nicht ausschließen«, musste er schweren Herzens gestehen.
Wenn möglich, wurde Fee noch blasser, und um ein Haar wäre ihr der Kaffeebecher aus der Hand gefallen.
»O Dan, stimmt das?«, hauchte sie kraftlos.
»Ich fürchte, davon müssen wir ausgehen.«
*
Wie so oft in der Vergangenheit versammelten sich die Mitglieder der Familie Norden auch an diesem Abend um den großen Esstisch. Doch diesmal war es nicht dasselbe wie sonst. Die Stimmung war gedrückt, und obwohl sich Anneka alle Mühe gegeben und ein Rezept aus Lennis persönlichem Kochbuch zubereitet hatte, hielt sich die Begeisterung der Anwesenden in Grenzen.
»Was soll denn das sein?«, fragte Jan skeptisch und rührte mit dem Löffel in seinem Teller herum.
»Brokkolicremesuppe mit Edelfischnocken«, gab Anneka stolz zurück.
Der junge Mann wollte eben einen lautstarken Protest anstimmen, als er sich daran erinnerte, schon einmal mit Lenni über eben dieses Gericht diskutiert zu haben.
»Richtig, da ist Lachs, Zander und Heilbutt drin«, bemerkte er, während er auf die blassen Klößchen starrte, die in der kräftig grünen Suppe schwammen. »Lenni hat sie mit fein gehackten Karotten, Sellerie und Lauch gemischt.« Als er sich daran erinnerte, wie er mit der geliebten Haushälterin diskutiert und sich schließlich geweigert hatte, die Fischnocken zu essen, stiegen ihm Tränen in die Augen. »Frischkäse ist auch noch drin«, schniefte er.
Auch die anderen Familienmitglieder erinnerten sich an das Gespräch, das aus einem anderen Leben zu stammen schien.
»Du wolltest die Nocken nicht essen, und ich hab sie stattdessen genommen«, sagte Fee leise.
»Damals hast du behauptet, dass du froh bist, dass Lenni mal Abwechslung in unseren Speiseplan bringt.« Danny Norden sah zuerst seine Mutter und dann seine Freundin Tatjana an, die neben ihm am Tisch saß.
In dieser Zeit hatte sie den jungen Arzt zwar schon gekannt, war aber noch nicht ständiger Gast im Hause Norden gewesen.
»Jetzt sagt bloß, dass euch allen die Fischnocken nicht geschmeckt haben«, entfuhr es Anneka, und sie warf einen empörten Blick in die Runde. »Dabei dachte ich, dass ich so eine tolle Idee hatte.«
»Sie schmecken ganz ausgezeichnet«, beeilte sich Daniel zu versichern und schob gleich noch einen Löffel in den Mund.
Eine Weile aß die Familie schweigend, bis Dési plötzlich ihren Stuhl zurück schob und aufstand. Alle zuckten zusammen und sahen sie erschrocken an.
»Mir ist kalt. Ich hol mir schnell einen Pullover!« Sie hatte fast ein schlechtes Gewissen und verließ schnell das Esszimmer. Gleich darauf waren ihre eiligen Schritte auf der Treppe zu hören.
»Die Treppe!«, murmelte Felicitas vor sich hin und wandte sich ihrem Mann zu. Ein schrecklicher Gedanke war ihr in den Sinn gekommen. »Wird Lenni überhaupt noch Treppen steigen können, wenn sie doch kein neues Kniegelenk bekommt?«
Als Daniel aller Augen auf sich ruhen fühlte, schluckte er.
»Wir kriegen das alles hin«, versprach er, und es klang so, als wollte er nicht nur seine Familie, sondern auch sich selbst beruhigen. »Im Augenblick bleibt uns aber nichts anderes übrig als abzuwarten. Es wird noch einige Zeit dauern, bis sich Lenni von dem Eingriff erholt hat.«
»Wie lange?«, kam die Frage aus mehreren Kehlen gleichzeitig und wie aus der Pistole geschossen.
Während Daniel seinen Teller auskratzte, dachte er nach.
»Zwei oder drei Wochen vielleiht. Und dann muss sie auf die Roseninsel zur Reha. Erst danach werden wir wissen, wie beweglich sie sein wird.«
Unwirsch schob Felix seinen Teller von sich. Seit der Unfall passiert war, war er auffallend schweigsam und in sich gekehrt.
»Na prima. Das klingt ja alles schwer nach Pflegefall«, schimpfte er ungehalten.
Erschrocken sog Fee die Luft ein. Auch sie hatte ihren Teller leer gegessen und betupfte sich den Mund mit einer Serviette.
»So ein Unsinn«, machte sie ihren Gefühlen Luft. »Du hast Papi doch gehört.«
»Eben deshalb«, konterte Felix gnadenlos.
Er war mit den Nerven am Ende.
»Lenni