Patricia Vandenberg

Dr. Norden Staffel 5 – Arztroman


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Tatjana und Marianne Seite an Seite arbeiteten und hartnäckig mit der Lösung ihres dringlichsten Problems beschäftigt waren, begutachtete Dr. Daniel Norden in der Klinik die Operationswunde seiner Haushälterin.

      »Das sieht ja ganz gut aus!«, bemerkte er zufrieden.

      Lenni lag im Bett und sah ihrem Chef bei der Arbeit zu.

      »Das heißt, dass ich bald wieder richtig laufen kann?«, fragte sie fast aufgeregt. »Meine Freundin Rita hat nämlich Karten für eine Ausstellung besorgt. Da will ich unbedingt hin.«

      Mit dieser Frage hatte Daniel gerechnet. Trotzdem wurde sein Herz schwer, und er seufzte tief, als er sich auf die Bettkante setzte.

      »Ich muss Ihnen etwas gestehen«, begann er und griff nach Lennis Hand, um sie zwischen die seinen zu nehmen.

      »Hui, das klingt ja gerade so, als ob Sie mir einen Heiratsantrag machen wollen«, alberte sie arglos.

      »Wenn ich nicht schon verheiratet wäre, hätte ich das längst getan«, ging Dr. Norden bereitwillig auf ihren Scherz ein und zwang sich ein Lächeln auf die Lippen, das aber gleich wieder verschwand. »Leider ist das, was ich Ihnen zu sagen habe, nicht ganz so erfreulich wie ein Heiratsantrag. Bei Ihrer Operation gab es Komplikationen. Wir konnten den Eingriff leider nicht wie geplant zu Ende bringen.«

      Unter seinen Worten war das Lächeln nach und nach von Lennis Lippen verschwunden.

      »Was heißt das?« Vor Aufregung war ihre Stimme heiser.

      »Sie wissen ja, dass wir Sie in ein künstliches Koma versetzen mussten. Das lag an Ihren Herzproblemen, die während des Eingriffs wieder aufgetreten sind. Deshalb konnten wir die Prothese nicht einsetzen. Aber wir haben das Gelenk so gut es ging rekonstruiert«, wollte Daniel wenigstens ein bisschen Optimismus verbreiten.

      Inzwischen war Lenni so bleich geworden wir ihr Kopfkissen. Sie ahnte, was die Worte ihres Chefs zu bedeuten hatten, wollte es aber nicht wahrhaben.

      »Was heißt das?« Ohne Daniel aus den Augen zu lassen, entzog sie ihm ihre Hand. »Kann ich je wieder richtig laufen, Doktor? Sagen Sie mir die Wahrheit!«

      Die Sorge in ihrer Stimme schnitt Dr. Norden tief und schmerzhaft in die Seele. Aber es nützte alles nichts. Lenni hatte die Wahrheit verdient.

      »Es ist noch nicht sicher, dass Sie wieder ganz hergestellt werden«, musste er gestehen. Dabei sah er ihr tapfer in die Augen. »Treppensteigen, längeres Stehen, weite Wege… Das alles könnte sehr beschwerlich werden.«

      »Aber wie soll ich denn dann das Haus in Ordnung halten, wenn ich mich nicht mehr bewegen kann?«, entfuhr es der Haushälterin.

      Ihre Miene war verzerrt vor Verzweiflung, als Daniel langsam den Kopf schüttelte.

      »Darüber sollten Sie im Augenblick nicht nachdenken«, bat er inständig. »Jetzt geht es zunächst darum, endlich Ihre Herzprobleme in den Griff zu bekommen. Alles andere wird sich später finden.«

      Doch Lenni schien ihm gar nicht mehr zuzuhören. Ihr Blick wanderte hinüber und aus dem Fenster hinaus in den Garten, den die Klinikchefin Jenny Behnisch nach eigenen Vorstellungen hatte anlegen lassen. Ein echtes Paradies war entstanden, das selbst zu dieser Jahreszeit einen malerischen Anblick bot. Doch Lenni bemerkte nichts von dieser Pracht.

      »Dann ist es jetzt also so weit!«, murmelte sie, und eine einsame Träne rann über ihre faltige Wange, während Dr. Norden hilflos an ihrem Bett saß.

      Es kam selten vor, dass ihm Worte des Trostes fehlten. Doch diesmal wusste er nicht mehr, was er noch sagen sollte.

      *

      »Mario, ich hatte ja keine Ahnung, dass dich Lennis Krankheit so mitnimmt!« Erschrocken betrachtete Felicitas Norden ihren Bruder Mario, als er an diesem Morgen ihr Büro in der Klinik betrat.

      »Wie kommst du denn darauf?«, fragte er zurück und korrigierte sich sofort, als er ihre Irritation bemerkte. »Ich meine, natürlich tut es mir sehr leid, dass es Lenni so schlecht geht. Aber ehrlich gesagt ist sie nicht der Grund für meine schlaflosen Nächte.«

      Felicitas legte den Bericht zur Seite, den sie gerade gelesen hatte und stand auf. Ihr Bruder wirkte so, als ob er einen starken Kaffee und ein Gespräch brauchen konnte, und hilfsbereit, wie sie war, bot sie ihm beides an.

      »Dann mal raus mit der Sprache. Was ist passiert?«, erkundigte sie sich, als sie nebeneinander auf dem Sofa Platz genommen hatten.

      Schweigend rührte Mario Cornelius in seinem Kaffee.

      »Natürlich geht es um eine Frau, was denn sonst?«, seufzte er endlich und trank einen Schluck.

      Dabei sah er seine Schwester über den Rand der Tasse so unglücklich an, dass Fee sofort eine Ahnung hatte, was passiert sein mochte.

      »Lass mich raten: Du hast Ärger mit Marianne?«, erkundigte sie sich mitfühlend.

      »Ich kann nur hoffen, dass es nur Ärger und nicht gleich das Ende ist.«

      »Wie bitte?« Fee konnte es nicht glauben. »Wann immer ich euch zusammen sehe, wirkt ihr wie ein Herz und eine Seele.« Sie hatte sich sehr darüber gefreut, dass Mario nach einigen Episoden und dem unglücklichen Flirt mit Lernschwester Carina endlich eine reife, intelligente und aparte Frau gefunden hatte, die es ernst mit ihm meinte und nicht nur auf seinen Status und sein gutes Aussehen Wert legte. »Wenn ich ehrlich bin, hatte ich gehofft, dass ihr beiden eine Weile zusammen bleibt.«

      Mario lachte freudlos.

      »Stell dir vor, das hatte ich auch gehofft. Aber das hat Carina wieder mal gründlich vermasselt.«

      »Carina? Wieso denn Carina?«, erkundigte sich Fee verständnislos.

      Stockend erzählte Mario Cornelius die ganze Geschichte.

      »Was? Janni hat sich als Köder hergegeben?«, fragte Felicitas, als sie hörte, was ihr Jüngster angerichtet hatte.

      Beschwörend hob ihr Bruder die Hände.

      »Du darfst ihm nicht böse sein«, bat er inständig. »Sicher war es nicht toll, wie das gelaufen ist. Aber haben wir in unserer Jugend nicht alle unbedachte Sachen gemacht, ohne über die Konsequenzen nachzudenken?«

      Natürlich hatte er mit dieser Einschätzung recht. Trotzdem konnte sich Fee über sein Verständnis nur wundern.

      »Du bist meinem Sohnemann nicht böse?«

      Mario schüttelte den Kopf.

      »Carina hätte ihren perfiden Plan so oder so durchgezogen. Menschen wie sie schaffen das.«

      »Du kannst wirklich von Glück sagen, dass das damals nicht geklappt hat mit euch. Es ist sicher kein Spaß, so einen Menschen als Partner zu haben«, seufzte Felicitas aus tiefstem Herzen. Dabei war ihr die quirlige, bildhübsche Lernschwester immer sehr sympathisch gewesen. »Schwer zu glauben, dass wir uns alle so sehr in ihr getäuscht haben.«

      Doch darüber wollte sich Mario keine Gedanken mehr machen. Er leerte seine Tasse in einem letzten, großen Zug. Als er sie auf die Untertasse zurückstellte, klirrte das Porzellan leise.

      »Über Carina denke ich später nach. Was im Augenblick viel wichtiger ist, ist Marianne. Sie will nicht mit mir reden. Dummerweise verstehe ich sie auch noch. Warum musste ich mich auch zu Carina setzen, obwohl ich wusste, dass Marianne damit ein Problem hat?«, bezichtigte er sich selbst.

      »Weil du dir in diesem Augenblick wahrscheinlich nichts dabei gedacht hast«, wollte Felicitas ihren Bruder beruhigen. Ihn leiden zu sehen, tat ihr in der Seele weh, und sie wollte ihm gern helfen.

      »Stimmt. Aber wie soll ich das Marianne beibringen, wenn sie nicht mit mir redet?«, stellte Mario eine berechtigte Frage und stand auf.

      Es wurde Zeit, sich an die Arbeit zu machen, und im Grund seines Herzens war er froh über diese Ablenkung, die er nur in seinem Beruf fand.

      Auch Felicitas erhob sich von ihrem Platz auf dem Besuchersofa und begleitete Mario zur Tür.