Patricia Vandenberg

Dr. Norden Staffel 5 – Arztroman


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in Tatjanas Café? Wenn wir uns woanders getroffen hätten, hätte Marianne nichts davon erfahren. Ich hätte Carina den Kopf gerade rücken können, und alles wäre gut gewesen.« Seine Stimme klang so bitter, dass Jan unwillkürlich den Kopf einzog.

      »Carina wusste nicht, dass Marianne dort arbeitet.« Er wollte noch mehr sagen, aber Mario schnitt ihm das Wort ab.

      »Aber du wusstest es«, sagte er seinem Neffen unbarmherzig auf den Kopf zu und wenn möglich, zog Jan den Kopf noch mehr ein.

      »Jaaa«, antwortete er gedehnt. »Ich fand die Idee irgendwie witzig… Hab nicht nachgedacht, was draus werden kann.«

      »Das Gefühl hab ich allerdings auch«, schimpfte Mario ärgerlich vor sich hin, und schnell fuhr Janni fort: »Außerdem dachte Carina, dass das Café noch im Umbau und deshalb nicht viel los ist.« Janni lauschte dem Nachhall seiner Worte und wusste gleichzeitig, dass es keine Entschuldigung für seine Tat gab, geben konnte. »Aber wie auch immer… Ich bin schuld daran, dass Marianne jetzt wütend auf dich ist.«

      Eine Weile ging Mario mit gesenktem Kopf neben seinem Neffen her. Plötzlich hob er den Arm und legte ihn auf Jans Schulter.

      »Du bist nicht schuld«, erklärte er endlich voller Überzeugung. »Carina hätte ihren perfiden Plan mit oder ohne dich durchgezogen. Jemand, der solche Mittel wählt, findet immer einen Weg.«

      Überrascht blickte Jan zu seinem Onkel auf.

      »Meinst du wirklich?«, fragte er unsicher. »Dann bist du mir nicht böse?«

      »Nein«, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen. »Und jetzt sollten wir Carina nicht mehr den Gefallen tun und ihr so viel Aufmerksamkeit zukommen lassen. Viel wichtiger ist, wie ich die Sache mit Marianne wieder in Ordnung bringen kann.«

      »Wenn ich dir dabei irgendwie helfen kann…«, machte Janni ein Angebot zur Güte.

      Zu seiner großen Erleichterung lachte Mario trotz seines Kummers laut heraus.

      »Lieber nicht. Erstens sieht man ja, was dabei rauskommt, wenn du deine Finger im Spiel hast«, lehnte er grinsend ab und blieb vor seinem Wagen stehen. »Und zweitens gibt es Dinge im Leben eines Mannes, die muss er selbst klären.« Er öffnete die Beifahrertür und machte Janni ein Zeichen einzusteigen. »Und jetzt bringe ich dich nach Hause, bevor sich deine Eltern noch Sorgen machen.«

      *

      Tatsächlich fiel es dem Ehepaar Norden schwer, in dieser Nacht ein Auge zuzutun. Das lag aber mitnichten an Janni, sondern vielmehr an den Sorgen, die sie sich um Lenni machten. So kam es, dass Daniel Norden bereits im Morgengrauen aufstand und schon im Schwesternzimmer auftauchte, bevor die Patienten geweckt wurden.

      »Wie war die Nacht?«, erkundigte er sich bei Schwester Elena, die am Abend zuvor erst ihren Nachtdienst angetreten hatte.

      »Offenbar besser als Ihre!«, bemerkte sie mit einem vielsagenden Blick in sein blasses Gesicht und griff nach Lennis Akte, die auf dem Schreibtisch lag. »Es gab keine besonderen Vorkommnisse. Offenbar geht es Ihrer Lenni wieder viel besser. Dem Kollegen Weigand liegt auch schon ein neues EKG vor.« Sie reichte Daniel die aktuellen Unterlagen, die er interessiert studierte.

      »Das sieht ja wirklich ganz gut aus«, konnte er sich nur über die gute Kondition seiner Haushälterin wundern. »Was ist bei dem Langzeit-EKG rausgekommen?« Er gab Elena die Unterlagen zurück und musterte sie aufmerksam.

      »Sämtliche Werte sind im tole­rablen Bereich.« Ein leises Klopfen an der ohnehin geöffneten Tür lenkte sie ab und sie drehte sich nach ihrem neuen Besucher um.

      Niemand anderer als Daniel Norden junior stand in der Tür.

      »Danny, was machst du denn hier?«, fragte Dr. Norden überrascht.

      »Ich wollte nach Lenni sehen, bevor mich die Praxis wieder mit Haut und Haaren verschlingt«, lächelte der junge Arzt. »Mal abgesehen davon muss ich mit dir über einen Patienten sprechen. Ich bin mir nicht ganz schlüssig, welche Behandlungsmethode die beste ist, und brauche deinen Rat.«

      »Hört, hört! Ich gehöre doch noch nicht ganz zum alten Eisen«, unkte Daniel lächelnd, ehe er wieder ernst wurde. »Das erledigen wir gleich im Anschluss. Zuerst muss ich aber entscheiden, wie es mit Lenni weitergehen soll.«

      Danny hatte zuvor ein paar Gesprächsfetzen aufgeschnappt, und seine Miene wurde kritisch.

      »Ich finde, du solltest den Eingriff verschieben«, tat er seine Meinung kund. »Nach dem Sturz und den Vorkommnissen vom vergangenen Abend ist eine Operation zu gefährlich. Das weißt du selbst am besten.«

      Dr. Nordens nachdenklicher Blick ruhte auf den Unterlagen.

      »Und wenn Sie noch abwarten?«, machte Schwester Elena einen plausiblen Vorschlag.

      »Je länger Lenni bewegungsunfähig im Bett liegt, umso größer ist das Risiko für weitere Komplikationen. Schließlich ist sie nicht mehr die Jüngste«, teilte Daniel Norden seine Befürchtungen mit seinen beiden Zuhörern.

      Danny nickte mit ernster Miene.

      »Stimmt schon. Mit jedem Tag wird es schwerer, dass sie wieder auf die Beine kommt«, wusste auch der junge Arzt um diese Gefahr. »In ihrem Alter führt das unweigerlich zu weiteren gesundheitlichen Problemen.«

      Fragend sah Schwester Elena von einem zum anderen. Eine steile Sorgenfalte stand auf ihrer Stirn.

      »Sie würden auf jeden Fall operieren, nicht wahr?«, sagte sie Dr. Norden auf den Kopf zu.

      Diese Frage beantwortete der Interimschef der Behnisch-Klinik nicht sofort. Zuerst ließ er sich noch einmal sämtliche Argumente und Fakten durch den Kopf gehen.

      »Ja, das würde ich«, sagte er dann so bestimmt, dass auch für Danny keine Fragen mehr offen blieben.

      »Gut, wenn das so ist, bin ich auch einverstanden«, schenkte er seinem Vater sein ganzes Vertrauen.

      Sichtlicher Stolz lag in Daniels Gesicht, als er seinem Sohn zulächelte.

      »Dann müssen wir nur noch Lenni davon überzeugen, dass eine Rückenmarksnarkose in diesem Fall die bessere Wahl ist.«

      Danny, der die Sturheit der Haushälterin kannte, grinste breit.

      »Das könnten wir doch auch Schwester Elena überlassen«, machte Dr. Norden einen nicht ganz ernst gemeinten Vorschlag, den sie mit einem belustigten Lachen quittierte.

      »Tut mir leid, meine Herren, aber ich habe mein Soll erfüllt und trete jetzt meinen wohlverdienten Feierabend an.« Sie lächelte ihrer Kollegin zu, die unbemerkt von den beiden Ärzten das Schwesternzimmer betreten hatte, und stand auf, um ihre Worte umgehend in die Tat umzusetzen.

      *

      Nachdem Danny Norden die beruflichen Fragen mit seinem Vater geklärt hatte, sah er noch bei Lenni vorbei, wünschte ihr viel Glück für den bevorstehenden Eingriff und machte sich dann guten Mutes auf den Weg in die Praxis.

      Gleich im Anschluss bereitete Dr. Norden senior alles für den unmittelbar bevorstehenden Eingriff vor. Er wies sein Operationsteam auf die besonderen Umstände hin und besprach mit dem Anästhesisten jedes noch so kleine Detail, um das Risiko so gering wie möglich zu halten. Überraschend war auch Lenni ohne große Überzeugungsarbeit mit einer Spinalanästhesie einverstanden.

      »Dann muss ich wenigstens keine Angst haben, nicht mehr aus der Narkose aufzuwachen«, erklärte sie sehr zu Daniels Belustigung und Erleichterung.

      So gewappnet machten sich die Ärzte und Schwestern an diesem Vormittag an die Arbeit, während Fee in ihrer Abteilung mitfieberte. Je mehr Zeit verging, umso mehr wunderte sie sich, keinen Anruf von ihrem Mann zu bekommen. So musste sie notgedrungen darauf warten, dass sie sich kurz nach Mittag endlich freimachen konnte. Sie eilte hinauf, um Lenni zum – wie sie meinte – glücklichen Ende der Operation zu gratulieren.

      Der Schrecken war groß, als Fee Norden erfuhr, dass der Eingriff immer noch nicht beendet war.

      »Was?