Patricia Vandenberg

Dr. Norden Staffel 5 – Arztroman


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»Aber danke für die Hilfe.« Damit wollte sie sich an die nächste Kundin wenden, die schon ungeduldig von einem Bein auf das andere trat.

      Doch Marla wollte nicht locker lassen.

      »Ich mach Ihnen ein Angebot. Ich helfe Ihnen jetzt aus der Patsche«, mit dem Kopf nickte sie in Richtung der langen Schlange vor der Vitrine, »dafür bekomme ich den Job als Bäckerin.«

      So viel Dreistigkeit verschlug Tatjana die Sprache.

      »Wie bitte?«, schnappte sie überrascht nach Luft.

      Marla lachte belustigt und eine Spur siegessicher auf.

      »Sie haben schon richtig gehört. Ich hab Ihnen ein Angebot gemacht.«

      »Das klingt eher nach Erpressung!«, stellte die Bäckerin unwillig fest und Marla bemerkte, dass sie ihre Strategie ändern musste, wenn sie ihren Kopf durchsetzen wollte.

      Sie setzte ein Kleinmädchengesicht auf und ihr Mund verzog sich zu einer Schnute.

      »Ich will doch nur eine Chance haben. Mehr nicht.«

      In diesem Augenblick hatten die Kunden hinter Marla genug von der Diskussion.

      »Also entweder geben Sie dem Gör die Stelle oder wir gehen auf den Schlag und kommen nie mehr wieder«, erhob sich einer der Wartenden zum Sprecher der ganzen Gruppe.

      Empört starrte Tatjana über die Vitrine. Sie war feinfühlig genug, um die widersprüchlichen Emotionen aufzufangen, die ihr von ihren Kunden entgegen schlug.

      »Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich mich derart unter Druck setzen lasse«, schimpfte sie aufgebracht. »Außerdem kommt sowieso gleich meine Mitarbeiterin Marian…«

      Sie hielt inne und lauschte. Tatsächlich klingelte in diesem Moment das Telefon, das im Durchgang zur Backstube an der Wand hing. Am liebsten wäre Tatjana in diesem Augenblick in Tränen ausgebrochen. Doch es sah ihr nicht ähnlich, sich eine Blöße zu geben. So wandte sie sich schnell ab, um das Telefonat zu führen. Es dauerte nicht lange und wenn möglich, war ihr Gesicht noch hoffnungsloser, als sie mit einer Schürze in der Hand zurückkam.

      »Das war Marianne. Sie kommt heute nicht mehr«, teilte sie Marla mit Grabesstimme mit und warf ihr die Schürze zu. »Dann zeig mal, was du kannst!«, forderte sie das Mädchen mit den blauen Haaren und dem Piercing im Nasenflügel auf.

      Marlas Gesicht strahlte auf.

      »Ich hab die Stelle?«, fragte sie ungläubig, während sie sich in Windeseile die Kellnerschürze umband. »Ist das Ihr Ernst?«

      »Mein bitterer Ernst«, erklärte Tatjana unheilverkündend. »Die nächsten Brötchen sind gleich fertig. Geh bitte nach hinten und hol sie aus dem Ofen. Und dann hilfst du hier beim Verkauf. Die Preisliste klebt auf der Kasse.«

      Mehr gab es nicht zu sagen, und nachdem Marla in der Backstube verschwunden war, setzte Tatjana Bohde ein freundliches Lächeln auf und wandte sich an den nächsten Kunden.

      *

      Seit Danny Norden die Nachricht von Lennis Herzstillstand ereilt hatte, saß er wie auf Kohlen. Doch er wäre kein Vollprofi gewesen, wenn seine Patienten etwas von seiner Sorge und Ungeduld bemerkt hätten. Sorgfältig wie immer führte er seine Behandlungen durch.

      »Frau Peters war die letzte für heute?«, erkundigte er sich endlich gegen Abend bei Wendy und warf einen prüfenden Blick ins Wartezimmer.

      »Andreas Wagner wäre noch dran gewesen. Aber der hat vorhin abgesagt«, las die langjährige Assistentin aus dem Kalender vor, ehe sie den Kopf hob und Danny ein freundliches Lächeln schickte. »Du kannst jetzt in die Klinik fahren.«

      Das ließ sich der junge Arzt nicht zwei Mal sagen.

      »Hab ich Ihnen eigentlich schon mal gesagt, dass Sie ein Engel sind?«, fragte er, während er hastig den Kittel gegen eine warme Jacke tauschte.

      »Nicht, dass ich wüsste. Allerdings stelle ich mir Engel auch ein wenig anders vor.« Mit einer guten Portion Selbstironie blickte sie kritisch auf ihre rundliche Leibesmitte hinab.

      Danny bemerkte es und lachte.

      »Keine Angst, Sie sind genau richtig, wie Sie sind.«

      »Das versuche ich auch jedes Mal, mir einzureden. Besonders, wenn du wieder irgendwelche leckeren Sachen aus der Bäckerei mitbringst.«

      »Oder Sie und Janine uns mit ihren Kochkünsten verwöhnen«, dachte Danny an die legendären Mittagessen, die die beiden Assistentinnen immer wieder in der Praxis veranstalteten.

      Zu gern wäre der junge Arzt einfach am Tresen stehen geblieben und hätte mit der langjährigen Assistentin gescherzt. Doch da war die nagende Sorge um Lenni, und so machte er sich schweren Herzens auf den Weg in die Klinik, wo seine Eltern schon am Bett der Haushälterin wachten.

      »Wie geht es ihr?«, fragte Danny, nachdem er Fee und Daniel begrüßt hatte.

      Er stand am Bett der Haushälterin und musterte die schlafende Lenni besorgt. Ihr sonst so energisches Gesicht war schlaff und viel faltiger als gewohnt. Der Kopf war leicht zur Seite geneigt und ihr Mund stand ein wenig offen. Sie atmete schwer.

      »Besser. Die Kollegen konnten sie inzwischen wieder extubieren, sie atmet selbständig«, erklärte Fee, ohne den besorgten Blick von der geliebten Haushälterin zu wenden.

      Sie saß auf einem Stuhl neben dem Bett und hielt Lennis Hand. Ihr Mann stand daneben. Tiefe Falten zeichneten seine Stirn.

      »Du hattest recht«, räumte er zutiefst bedrückt in Dannys Richtung ein. »Die Operation kam zu früh. Ich hätte dieses Risiko niemals eingehen dürfen.«

      Selten zuvor hatte der junge Arzt seinen Vater so voller Selbstzweifel erlebt, und spontan legte er ihm die Hand auf die Schulter.

      »Das kann doch kein Mensch sagen«, widersprach er Daniels Ansicht energisch. »Weißt du, was passiert wäre, wenn ihr nicht operiert hättet?«

      »Nein.« Dr. Norden schüttelte den Kopf.

      »Siehst du! Das weiß niemand. Es hätte genauso enden können oder aber noch schlimmer«, fuhr Danny inständig fort. »Was habt ihr denn nun vor? Wie soll es weitergehen?« Optimistisch, wie der junge Arzt war, richteten sich seine Gedanken schon wieder auf die Zukunft.

      Daniel Norden wiegte nachdenklich den Kopf.

      »Das Wichtigste ist, dass jetzt keine akute Lebensgefahr mehr besteht. Jetzt muss sich Lenni erst mal von all diesen Ereignissen erholen. Wenn sie so weit wieder hergestellt ist, bekommt sie einen Herzschrittmacher…«

      »Natürlich nur, wenn sie einverstanden ist«, warf Fee mit trauriger Miene ein. »Allerdings bin ich mir da gar nicht so sicher nach allem, was sie zu Felix gesagt hat.« Ihr Blick hing unverwandt an Lennis Gesicht, und ihre Hände streichelten zärtlich über die weiche Haut des Arms.

      »Jetzt wirf nicht gleich die Flinte ins Korn«, verlangte Danny von seiner Mutter. »Ist doch klar, dass Lenni schlecht drauf war. Aber wer weiß, wenn sie einen Herzschrittmacher bekommt und es ihr besser geht, spricht ja auch nichts dagegen, es nochmal mit einem neuen Kniegelenk zu versuchen, oder?«, wandte er sich fragend an seinen Vater.

      »Nein, eigentlich nicht«, erwiderte Daniel wahrheitsgemäß. Der Optimismus, den sein Sohn verbreitete, wirkte ansteckend und seine Miene war schon nicht mehr so düster wie noch ein paar Minuten zuvor. »Entscheidend ist aber wirklich der Wille des Patienten. Wenn Lenni keinen Sinn mehr in ihrem Leben sieht, wird es schwierig.«

      »Dann ist es eben unsere Aufgabe, ihr diesen Sinn wiederzugeben«, erklärte Danny enthusiastisch, als er bemerkte, dass Lennis Augenlider zu flattern begannen.

      Nach und nach erwachte sie aus ihrem tiefen Schlaf, und es dauerte eine Weile, bis sie die Menschen erkannte, die an ihrem Krankenlager wachten. Leise stöhnend legte sie die Hand auf’s Herz und besorgt beugte sich Felicitas tiefer über sie.

      »Lennilein, Sie Liebe, wie geht es Ihnen?«, fragte die Ärztin mit