um!«
»Komm schon, Bennet, sie werden uns schon nicht kriegen«, hört er da Plumos Stimme hinter sich »Wir reiten über die Grenze, mit den Pferden schaffen wir es. Fünfzig Meilen, was ist das schon? Im Morgengrauen sind wir drüben, dann sieht uns keiner mehr. He, Johns, ich suche die Pferde aus; geh mal zum Wagen und sieh nach, was die Lady so dabei hat.«
Er blickt Johns an, dem die Knie bei dem Blick weich werden. Dann lacht er einmal heiser. Johns läuft es eiskalt über den Rücken.
Auf dem Wagen liegen Handtasche und Reisetasche des Mädels. Johns klappt beide auf, findet eine Geldbörse im mexikanischen Stil, die oben durch ein aus Silber gefertigtes Scherengitter mit einem Klappdeckel verschlossen wird und schwer wiegt.
In der Börse sind über 100 Dollar in zusammengerollten Scheinen und Silbergeld!
Einen Augenblick lang schwankt Johns ob er das Geld für sich einstecken soll; da kommt schon der finstere Plumo um die Ecke und sieht den Geldbeutel in Johns Händen.
»Ah«, sagt er laut und kommt rasch näher. »Willst wohl das Geld für dich behalten, du Taugenichts? Ich werd’ dir gleich was erzählen! Her damit, mach die Tasche richtig auf! So ist’s brav!«
Er sieht sich kurz um und weiß, daß Bennet zu matt ist, um sich hinter dem Stall zu rühren. Plötzlich beugt er sich vor, packt Johns am Hals und sagt zischend
»Du, ich sage dir, dein letztes Stündlein hat geschlagen, wenn du jemals den Mund aufmachst und etwas über die Schießerei sagst, verstanden? Immer schön das tun, was ich bestimme, klar?«
»Ja«, röchelt Johns und bekommt fast keine Luft mehr. »Ich schweige, bin doch dein Freund… Ehrenwort!«
»Vergiß es keine Sekunde, sonst…«
Plumo gibt ihm einen heftigen Stoß und stiert ihn drohend an, als er über die Sitzbank in den Kasten fällt. Dann findet Plumo in der Tasche eine goldene Damenuhr, steckt sie grinsend ein und stülpt den übrigen Inhalt der Tasche einfach um. Er wühlt in ihm, findet noch ein kleines Federmesser mit Perlmuttschalen und stopft es auch in seine Tasche.
»Das Geld kommt gerade richtig«, sagt er schnaufend.
Er treibt ihn an und hat nach kaum fünf Minuten drei der Pferde gesattelt. Da es sechs im Corral sind, hat jeder ein Ersatzpferd. Und es versteht sich ganz von allein, daß er natürlich das eine Reitpferd für sich nimmt.
Wenig später jagen sie alle los.
Bennet schweigsam.
Johns furchtsam.
Und Plumo befriedigt und ohne Furcht.
Sie werden gegen Morgen sicher an der Grenze sein.
*
Meilen, Meilen, Meilen! Die Nacht vergeht, der Morgen graut.
Die Pferde sind müde, abgetrieben.
Im Osten wird der Himmel rot, flammend rot. Das Grau weicht langsam dem Tag und der Farbenpracht der aufgehenden Sonne.
Kakteen, Sträucher, Yucca, Mesquite, Branch-Flower, Ruby-Checked Plants – und die Berge sind da, die Carrizallos.
»Du, Plumo, wie weit noch?«
Plumo wendet den Kopf und hört auf zu fluchen.
»Was, zum Teufel, fragst du so dämlich? Es sind noch vier oder sechs Meilen, genau weiß ich es auch nicht. Woher soll ich mich hier auskennen? Verdammte Sache, es ist hell, wenn wir über die Grenze gehen. Aber – sie werden noch keine Nachricht haben!«
»Bestimmt nicht«, sagt Johns bibbernd.
»Die wissen nichts von uns, wetten? Da gehen wir rüber und sind weg, haha!«
»Idiot, hör auf zu lachen. Lachst ja wie ein Gaul. He, die Gäule sind ziemlich am Ende, was?«
Sie reiten durch das Tal. Rechts und links Kakteen, in der Mitte ein kleiner Reitpfad. Links einige Knochen, seltsam bleich im letzten Licht des Mondes und dem anbrechenden Licht des Tages. Weiter links vor ihnen schlängelt sich der Weg an einem Turmbau von Felsen vorbei. Hier stehen Büsche, hier liegt eine weite Fläche Buschland vor ihnen.
Und dann die Steigung und die jähe Sicht in das Tal.
Plumo, der vorn reitet, reißt sein Pferd mit einem Schlag zur Seite und stößt einen heulenden Laut aus. Es hört sich an, als wenn ein Wolf in ein Fangeisen tritt, der Zahnbügel zuschnappt und seinen Lauf zerquetscht.
»Zurück«, sagt er dann japsend. »Um Gottes willen, zurück! Reiter!«
Seine Worte wirken wie ein Guß eiskalten Quellwassers auf die anderen beiden. Zu ihrem Glück sind sie wegen der Steigung sehr langsam geritten. Und das bewahrt sie – nach einigen heftigen Sätzen, die ihre Pferde zwischen die Büsche machen – vor der Entdeckung.
Aus den Büschen sich reckend, können sie in das Tal sehen und stieren entsetzt auf die Reiter, die dort unten kommen. Es sind vielleicht ein halbes Dutzend, die quer durch das Tal reiten und genau auf den Weg und die Höhe rechts zuhalten.
»Sie reiten in einer Linie«, sagt Plumo keuchend in seinem Schreck. »Das kann nur eines heißen; sie suchen was! Und wen suchen sie?«
»Nicht uns, wollen wir wetten?«
Doch es steckt keine Überzeugungskraft in Johns Stimme.
»Und wenn sie uns nun doch suchen?«
»Bennet, das ist nicht erwiesen. Sie können auch ein paar Pferdediebe suchen.«
»Sind wir keine?« fragt Bennet und ist auf einmal ganz ruhig.
»Wo wollen die hin?« murmelt Plumo. »Da, sie teilen sich, sie reiten nach links und rechts auseinander – die wollen hier auf die Höhen, darum teilen sie sich. Wohin? Von oben sehen sie alles. Da sind wir doch an einem kleinen Tal vorbeigekommen, gerade eben zurück, schnell, zurück, der Weg ist hart, da finden sie keine Spuren!«
»Vielleicht suchen sie nicht uns?« fragt Bennet.
»Ehe ich das nicht weiß, reite ich nicht frei herum, Mensch«, erwidert Plumo schrill. »Entdecken sie uns, dann können wir noch immer sagen, daß wir rasten wollten. Besser ist es, sie entdecken nichts von uns. Los, noch haben wir Zeit. Schnell nach hinten!«
Die Reiter sind noch gute 800 Schritt entfernt, Plumo macht kehrt und jagt hastig zurück. Nach kaum drei Minuten sind sie an dem kleinen Seitental. Die Hufe klappern auf dem felsigen Boden, die Pferde schwenken in das Tal ein, halten sich dann rechts und kommen hinter Buschwerk und einige größere Felstrümmer.
»Hier halten wir«, sagt Plumo schnaufend. »Da sollen sie uns erst mal finden. Runter von den Gäulen und die Nüstern zuhalten, wenn die Burschen in das Tal kommen. Wirf den Packen runter, Johns, schnell! Es muß aussehen, als hätten wir hier eine Rast gemacht. Paßt auf, wenn sie wirklich auf die Höhe reiten, dann werden wir sie wohl sehen können. Hinter die Büsche, richtig hinter und zwischen sie, da entdeckt uns niemand. Ich steig’ mal von hinten auf die Felsen, was?«
Oben duckt er sich, bleibt kaum vier, fünf Minuten ruhig, als er auch schon heiser flucht und nach unten sagt:
»Da halten zwei, sie müssen über den Weg auf dem Höhenzug gejagt sein. Zwei Mann, einer hat ein Glas. Verdammt, es wird immer heller! Er sucht mit dem Glas die Gegend ab.«
Dann duckt er sich und verschwindet wie ein Murmeltier hinter den Felsen.
»Was ist, warum duckst du dich?«
»Weil er hergesehen hat, Idiot! Mensch, wenn Dämlichkeit weh täte, Johns, dann müßtest du den ganzen Tag vor Schmerz brüllen. Mal sehen, ob er noch herblickt!«
Er schiebt sich langsam höher, schüttelt den Kopf und sagt grinsend:
»Sie sind weg. Na, nun würde es mich interessieren, was sie jetzt anstellen. Eigentlich kann es doch gar nicht sein, daß sie etwas von uns wissen. Ich sage euch, die suchen sonst wen, nur nicht uns! Jetzt mal ruhig Blut.