Herbert George Wells

H. G. Wells – Gesammelte Werke


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und ganz blen­dend hell die Öff­nung nach au­ßen, ein Hang von al­pi­ner Steil­heit, der von ei­nem Kamm von Ba­jo­nett­ge­strüpp über­ragt wur­de, das hoch und nie­der­ge­bro­chen, und tro­cken und tot in stach­li­ger Sil­hou­et­te ge­gen die Son­ne stand.

      Und es ist selt­sam, dass wir Men­schen eben die­se Ve­ge­ta­ti­on, die uns noch vor ei­ner klei­nen Wei­le so un­heim­lich und furcht­bar er­schie­nen war, jetzt mit der Be­we­gung an­blick­ten, die ein heim­keh­ren­der Ver­bann­ter beim An­blick sei­nes Hei­mat­lan­des füh­len mag. Wir be­will­komm­ne­ten selbst die Dün­ne der Luft, un­ter der wir im Lau­fen zu keu­chen hat­ten, und bei der das Spre­chen nicht mehr so leicht war, wie es ge­we­sen war, son­dern zu ei­ner An­stren­gung wur­de, um sich ver­nehm­bar zu ma­chen. Grö­ßer wur­de der son­ne­ner­leuch­te­te Kreis über uns und grö­ßer, und der gan­ze nä­he­re Teil des Tun­nels ver­sank in einen Rand von un­un­ter­scheid­ba­rem Schwarz. Wir sa­hen den Ba­jo­nett­strauch nicht mehr mit dem ge­rings­ten An­flug von Grün dar­in, son­dern braun und tro­cken und dick, und der Schat­ten sei­ner obe­ren Zwei­ge, die hoch au­ßer Sicht wa­ren, warf ein dicht ver­schlun­ge­nes Mus­ter auf die krau­sen Fel­sen. Und un­mit­tel­bar an der Mün­dung des Tun­nels lag ein wei­ter nie­der­ge­tre­te­ner Raum, wo die Mond­käl­ber ge­kom­men und ge­gan­gen wa­ren.

      Wir ka­men schließ­lich in ein Licht und in eine Hit­ze auf die­sen Raum hin­aus, die uns be­drück­ten und quäl­ten. Wir gin­gen müh­sam über die kah­le Flä­che und klet­ter­ten zwi­schen den Strauch­stäm­men einen Hang hin­auf, und setz­ten uns schließ­lich atem­los an ei­ner ho­hen Stel­le un­ter dem Schat­ten ei­ner wir­ren La­va­mas­se nie­der. Selbst im Schat­ten fühl­te der Fels sich heiß an.

      Die Luft war in­ten­siv heiß, und wir spür­ten großes phy­si­sches Un­be­ha­gen, aber trotz al­le­dem wa­ren wir nicht mehr in ei­nem Alb. Wir schie­nen wie­der in un­se­re Pro­vinz ge­kom­men zu sein, un­ter die Ster­ne. All die Angst und die An­stren­gung un­se­rer Flucht durch die dunklen Gän­ge und Spal­ten war von uns ge­fal­len. Je­ner letz­te Kampf hat­te uns, so­weit die Se­le­ni­ten in Fra­ge ka­men, mit un­ge­heu­rem Selbst­ver­trau­en er­füllt. Wir blick­ten fast un­gläu­big auf die schwar­ze Öff­nung zu­rück, aus der wir eben auf­ge­taucht wa­ren. Da un­ten war es, in ei­nem blau­en Schein, der uns jetzt in der Erin­ne­rung gleich nach dem ab­so­lu­ten Dun­kel zu kom­men schi­en, dort wa­ren wir We­sen be­geg­net, die wie tol­le Hohn­bil­der auf Men­schen wa­ren, helm­be­häup­te­ten Ge­schöp­fen, und dort wa­ren wir in Angst vor ih­nen ein­her­ge­gan­gen und hat­ten uns ih­nen un­ter­wor­fen, bis wir uns nicht mehr un­ter­wer­fen konn­ten. Und sie­he, sie wa­ren wie Wachs zer­spritzt, wie Spreu ver­weht, wa­ren wie die Ge­schöp­fe ei­nes Trau­mes ge­flo­hen und ge­schwun­den!

      Ich rieb mir die Au­gen und zwei­fel­te, ob wir nicht ge­schla­fen hät­ten und die­se Din­ge in­fol­ge der Pil­ze, die wir ge­ges­sen hat­ten, ge­träumt, und plötz­lich ent­deck­te ich das Blut auf mei­nem Ge­sicht, und dann, dass mir das Hemd schmerz­haft an Arm und Schul­ter kleb­te.

      »Zum Hen­ker!«, sag­te ich und be­maß mei­ne Schä­den mit ei­ner un­ter­su­chen­den Hand; und plötz­lich wur­de die fer­ne Tun­nel­mün­dung gleich­sam ein be­ob­ach­ten­des Auge.

      »Ca­vor!«, sag­te ich, »was wer­den Sie jetzt tun? Und was wol­len wir tun?«

      Er schüt­tel­te den Kopf, die Au­gen auf den Tun­nel ge­hef­tet. »Wie kann man wis­sen, was sie tun wer­den?«

      »Es kommt dar­auf an, was sie von uns den­ken, und ich sehe nicht, wie wir es an­fan­gen kön­nen, das zu er­ra­ten. Und es hängt da­von ab, was sie in Re­ser­ve ha­ben. Es ist, wie Sie sag­ten, Ca­vor, wir ha­ben bloß erst die Au­ßen­sei­te die­ser Welt be­rührt. Selbst schon mit die­sen Schieß­ap­pa­ra­ten könn­ten sie uns die Höl­le heiß ma­chen …«

      »Aber schließ­lich«, sag­te ich, »selbst wenn wir die Sphä­re nicht fin­den, bleibt eine Mög­lich­keit für uns. Wir könn­ten durch­hal­ten, selbst bei Nacht. Wir könn­ten wie­der hin­un­ter­gehn und die Sa­che durch­kämp­fen.«

      Ich blick­te mit spe­ku­la­ti­ven Au­gen um mich. Der Cha­rak­ter der Sze­ne­rie war in­fol­ge des un­ge­heu­ren Wachs­tums und nach­he­ri­gen Ver­trock­nens der Bü­sche völ­lig ver­än­dert. Der Kamm, auf dem wir sa­ßen, war hoch und be­herrsch­te eine wei­te Aus­sicht auf die Kra­ter­land­schaft, und wir sa­hen sie jetzt ganz dürr und tro­cken im spä­ten Herbst des Mond­nach­mit­tags. Hin­ter­ein­an­der er­ho­ben sich lan­ge Fel­der nie­der­ge­stampf­ten Brauns, wo die Mond­käl­ber ge­wei­det hat­ten, und weit­hin sonn­te sich schläf­rig eine Her­de von ih­nen, zer­streu­te Ge­stal­ten, jede mit ei­nem Schat­ten­fleck ne­ben sich, Scha­fen gleich auf ei­nem Dü­nen­hang. Aber kein ein­zi­ges Zei­chen von ei­nem Se­le­ni­ten war zu se­hen. Ob sie bei un­se­rem Auftau­chen aus den in­ne­ren Gän­gen ge­flo­hen wa­ren, oder ob sie ge­wohnt wa­ren, sich zu­rück­zu­zie­hen, wenn sie die Mond­käl­ber hin­aus­ge­trie­ben hat­ten, das kann ich nicht sa­gen. Da­mals glaub­te ich das ers­te­re.

      »Wenn wir all dies Zeug an­zün­de­ten«, sag­te ich, »könn­ten wir die Sphä­re un­ter der Asche fin­den.«

      Ca­vor schi­en mich nicht zu hö­ren. Er blick­te un­ter sei­ner Hand her nach den Ster­nen, die im­mer noch, trotz des in­ten­si­ven Son­nen­scheins, am Him­mel sicht­bar wa­ren. »Wie lan­ge, mei­nen Sie, sind wir hier?«, frag­te er schließ­lich.

      »Wo?«

      »Auf dem Mon­de.«

      »Vi­el­leicht zwei ir­di­sche Tage.«

      »Nä­her an zehn. Wis­sen Sie, die Son­ne ist über den Ze­nith hin­aus und sinkt im Wes­ten. In vier Ta­gen oder noch we­ni­ger wird es Nacht sein.«

      »Aber – wir ha­ben nur ein­mal ge­ges­sen.«

      »Das weiß ich. Und – – Aber da sind die Ster­ne!«

      »Und warum soll­te die Zeit an­ders er­schei­nen, wenn wir auf ei­nem klei­ne­ren Pla­ne­ten sind?«

      »Ich weiß nicht. Es ist so!«

      »Wie zählt man die Zeit?«

      »Hun­ger – Er­mü­dung all das ist an­ders. Al­les ist an­ders – al­les. Mir scheint, seit wir die Sphä­re ver­las­sen ha­ben, das ist nur eine Fra­ge von Stun­den – lan­gen Stun­den – höchs­tens!«

      »Zehn Tage«, sag­te ich, »da blei­ben – –« Ich blick­te einen Mo­ment zur Son­ne auf und sah dann, dass sie vom Ze­nith halb­wegs bis an den west­li­chen Rand der Din­ge ge­sun­ken war. »Vier Tage! … Ca­vor, wir dür­fen nicht hier sit­zen und träu­men! Wie mei­nen Sie, kön­nen wir an­fan­gen?«

      Ich stand auf. »Wir müs­sen einen fes­ten Punkt neh­men, den wir wie­der­er­ken­nen könn­ten – wir könn­ten eine Flag­ge his­sen oder ein Ta­schen­tuch oder ir­gend et­was – den Bo­den vier­tei­len und da­her­um ar­bei­ten.«

      Er stand ne­ben mir auf.

      »Ja«, sag­te er, »es bleibt nichts, als die Sphä­re zu su­chen. Nichts. Wir kön­nen sie fin­den – ge­wiss, wir kön­nen sie fin­den. Und wenn nicht – –«

      »Wir müs­sen fort­wäh­rend aus­schau­en.«

      Er blick­te hier­hin und dort­hin, späh­te zum Him­mel em­por und zum Tun­nel hin­ab und er­staun­te mich durch eine