folgte Kemps gottlosem Beispiel und fluchte gleichfalls.
»Er wird fliehen«, meinte Adye.
»Das wird er nicht!«, erwiderte Kemp.
Der Klang von zerschmettertem Glas ließ sich eben vernehmen. Adye bemerkte, wie Kemp den kleinen Revolver, den er in der Tasche trug, halb zum Vorschein brachte.
»Es ist ein Fenster oben!«, sagte letzterer, während sie hinaufgingen. Als sie noch auf der Stiege waren, vernahmen sie denselben Klang zum zweiten Male. Als sie das Studierzimmer erreichten, fanden sie zwei von den drei Fenstern zerschmettert, das halbe Zimmer mit Glassplittern bedeckt und einen großen Kieselstein auf dem Schreibtisch. Kemp fluchte von neuem. Zugleich wurde das dritte Fenster zerschmettert, und die Stücke flogen ins Zimmer.
»Was soll das bedeuten?«, fragte Adye.
»Das ist der Anfang«, meinte Kemp.
»Es ist unmöglich, hier heraufzuklettern!«
»Keine Katze kommt hier herauf«, sagte Kemp.
»Sind hier keine Fensterläden?«
»Hier nicht. Die Zimmer unten – Hallo!«
Krach! und der Ton von heftig gegen Holz geschleuderten Steinen ließ sich vernehmen. »Verflucht!«, sagte Kemp, »das muss – ja – es ist im Schlafzimmer. Er will das Spiel im ganzen Hause wiederholen. Aber er ist ein Narr. Die Läden sind geschlossen und das Glas fällt nach außen. Er wird sich die Füße zerschneiden.«
Ein anderes Fenster zerbrach. Die beiden Männer standen betroffen auf dem Gang.
»Ich hab’s!«, rief Adye. »Geben Sie mir einen Stock oder etwas Ähnliches; ich gehe zur Polizeistation zurück und hole die Bluthunde. Das wird ihm das Handwerk legen!«
Wieder ging ein Fenster klirrend in Trümmer.
»Haben Sie keinen Revolver?«, fragte Adye.
Kemp steckte die Hand in die Tasche. Dann zögerte er. »Ich habe keinen – wenigstens keinen überflüssigen.«
»Ich bringe ihn zurück«, sagte Adye. »Sie sind ja hier in Sicherheit.«
Kemp fürchtete sich, Angst zu verraten, und übergab ihm die Waffe.
»Jetzt zur Tür«, sagte Adye.
Kemp war ein wenig bleicher als gewöhnlich. »Sie müssen schnell hinausgehen«, sagte er.
Im nächsten Augenblick stand Adye draußen und die Tür wurde hinter ihm verschlossen. Eine Sekunde zögerte er, dann schritt er gerade und entschlossen die Stufen hinunter. Er ging quer über den Rasen und näherte sich dem Gartentor. Ein leiser Hauch schien über das Gras zu streichen. In seiner Nähe bewegte sich etwas.
»Bleiben Sie ein wenig stehen!«, sagte eine Stimme. Adye leistete diesem Befehl augenblicklich Folge, wobei seine Hand den Revolver fest umklammerte.
»Nun?«, sagte Adye, bleich, aber entschlossen, mit Anspannung aller Nerven.
»Haben Sie die Güte, in das Haus zurückzukehren!«, entgegnete eine ebenso entschlossene Stimme.
»Bedaure«, erwiderte Adye ein wenig heiser und befeuchtete die Lippen mit der Zunge. Er glaubte die Stimme von links zu hören; ob er sein Glück mit einem Schuss versuchen sollte?
»Wo gehen Sie hin?«, fragte die Stimme; die beiden machten eine schnelle Bewegung, und in Adyes Tasche sah man etwas glänzen.
Adye überlegte. »Wohin ich gehe«, sagte er langsam, »ist meine Sache.« Die Worte schwebten noch auf seinen Lippen, als sich ein Arm um seinen Hals legte, ein Knie seinen Rücken berührte und er nach rückwärts geworfen wurde. Er feuerte in die leere Luft und erhielt im nächsten Augenblick einen Schlag in das Gesicht, wobei ihm der Revolver entrissen wurde. Vergebens suchte er sich auf den Füßen zu erhalten; er wollte sich aufrichten und fiel zurück. »Verdammt!«, fluchte Adye. Die Stimme lachte. »Ich würde Sie jetzt töten, wenn es mir nicht leid täte, eine Kugel zu verschwenden«, sagte sie. Fünf Fuß von seinem Gesicht entfernt, schwebte der Revolver in der Luft, gerade auf ihn gerichtet.
»Nun?«, fragte Adye, sich halb aufrichtend.
»Stehen Sie auf!«, befahl die Stimme.
Adye gehorchte.
»Achtung!«, sagte die Stimme. Dann fügte sie hinzu: »Versuchen Sie nicht, mit mir zu spielen. Denken Sie daran, dass ich Ihr Gesicht sehe, auch wenn Sie das meine nicht sehen können. Sie müssen in das Haus zurückkehren.«
»Er wird mich nicht einlassen«, sagte Adye.
»Das tut mir leid«, entgegnete der Unsichtbare. »Mit Ihnen habe ich keinen Streit auszufechten.«
Wieder befeuchtete Adye die Lippen. Aber den Revolverlauf hinwegblickend, sah er in der Ferne das Meer in der Mittagsonne dunkelblau erglänzen, sah das zarte Grün der Dünen, die weiße Klippe, die belebte Stadt unten, und plötzlich erkannte er, wie schön das Leben war. Er richtete den Blick wieder auf das kleine metallene Ding, das einige Fuß von ihm entfernt zwischen Himmel und Erde hing. »Was soll ich tun?«, fragte er mürrisch.
»Was soll denn ich tun?«, entgegnete der Unsichtbare. »Sie werden Hilfe erhalten. Sie haben nichts zu tun als umzukehren.«
»Ich will es versuchen. Wollen Sie mir versprechen, den Eingang nicht zu erzwingen, wenn er mich hineinlässt?«
»Mit Ihnen stehe ich nicht im Kampf«, sagte die Stimme.
Nachdem Kemp Adye verlassen hatte, war er die Treppen hinaufgeeilt, hatte sich durch die Glassplitter durchgewunden und sah, vorsichtig hinausspähend, Adye mit dem Unsichtbaren verhandeln. »Warum schießt er nicht?«, flüsterte Kemp vor sich hin. Dann bewegte sich der Revolver ein wenig und Kemps Augen waren geblendet. Er beschattete seine Augen und suchte den Lauf des glitzernden Stahls zu verfolgen.
»Es ist so«, sagte er. »Adye hat den Revolver übergeben.«
»Versprechen Sie mir, den Eingang nicht zu erzwingen«, wiederholte Adye. »Sie sind im Gewinn; treiben Sie das Spiel nicht zu weit. Lassen Sie Ihrem Gegner einen Weg offen.«
»Gehen Sie zurück ins Haus. Ich sage Ihnen ehrlich, dass ich nichts versprechen will.«
Adyes Entschluss schien plötzlich gefasst. Er wandte sich um und schritt langsam, die Hände auf dem Rücken, dem Hause zu. Überrascht beobachtete ihn Kemp. Der Revolver verschwand, wurde wieder sichtbar, verschwand nochmals und erschien bei genauerer Betrachtung als ein kleiner, dunkler Gegenstand, der Adye folgte. Dann überstürzten sich die Ereignisse. Adye sprang zurück, haschte nach dem kleinen