Mannes. Kemp suchte in der Umgebung des Hauses den Revolver zu entdecken, aber er war verschwunden. Sein Blick schweifte zu Adye zurück. – – – Das Spiel hatte schlecht begonnen.
Dann hörte man ein heftiges Läuten und Klopfen an der Haustür, aber den Weisungen Kemps folgend, hatten sich die Dienstboten in ihre Zimmer eingeschlossen. Tiefe Stille folgte. Kemp horchte, dann spähte er vorsichtig durch die drei Fenster; er ging von einem zum anderen. Endlich wandte er sich lauschend zur Treppe und fühlte sich sehr unbehaglich. Er nahm die Feuerzange aus seinem Schlafzimmer, untersuchte nochmals die Fenster im Erdgeschoss und stieg wieder hinauf. Jetzt näherte sich seine Haushälterin in Begleitung zweier Polizeimänner von der Straße her der Villa. Totenstille überall. Die drei Personen schienen eine Ewigkeit zu brauchen. Er hätte gern gewusst, wo sein Gegner war.
Erschreckt fuhr er auf. Von unten hörte man wildes Lärmen. Er zögerte, dann ging er hinab. Plötzlich widerhallte das Haus von schweren Schlägen. Die eisernen Stäbe der Fenstergitter klirrten. Er öffnete die Küchentür. Die Fensterläden waren zertrümmert und die Holzsplitter flogen weit ins Zimmer hinein. Er stand betroffen still. Eine Axt war durch die Fensterläden gedrungen und hieb jetzt mit fürchterlicher Gewalt auf die Holzverkleidung und die Eisenstäbe los. Dann flog sie beiseite und verschwand.
Er sah den Revolver auf dem Wege liegen und dann in die Luft springen. Er wich zurück. Im nächsten Augenblick krachte ein Schuss und verfehlte seinen Kopf um eines Haares Breite. Er schlug die Tür zu und verrammelte sie. Draußen hörte er Griffin rufen und lachen. Dann wurden die Axtschläge wieder vernehmbar.
Kemp stand auf dem Gange und versuchte ruhig nachzudenken. Binnen kurzem musste der Unsichtbare in der Küche sein. Die Tür würde ihn keinen Augenblick aufhalten und dann …
Wieder wurde die Glocke an der Haustür gezogen. Das mussten die Polizisten sein. Er eilte in die Halle, löste die Kette und schob erst, als er die Stimme seiner Haushälterin erkannte, die Riegel zurück. Die drei Leute stürzten zugleich ins Haus und dann schlug er die Tür hinter ihnen zu.
»Der Unsichtbare!«, rief ihnen Kemp zu. »Er hat einen Revolver und es sind noch zwei Schüsse drin. Er hat Adye erschossen. Haben Sie ihn nicht im Garten liegen sehen?«
»Wen?«, fragte der eine der Schutzmänner.
»Adye!«, sagte Kemp.
»Wir kamen von rückwärts«, sagte das Mädchen.
»Was bedeutet der Lärm?«, fragte der eine Polizist.
»Er ist in der Küche oder wird bald drin sein. Er hat irgendwo eine Axt gefunden.«
Plötzlich widerhallte das Haus von Schlägen gegen die Küchentür. Das Mädchen flüchtete sich ins Speisezimmer. Kemp versuchte in abgebrochenen Sätzen die Sachlage zu erklären. Sie hörten die Küchentür nachgeben.
»Hierher!«, rief Kemp in neuerlich erwachter Tatkraft und schob die beiden in die Tür des Speisezimmers.
»Eine Feuerzange!«, rief er und stürzte zum Kamin. Die Feuerzange, die er getragen hatte, händigte er dem einen Schutzmann ein und die aus dem Speisezimmer dem anderen.
Plötzlich wich er zurück. »Achtung!«, rief jetzt einer seiner beiden Begleiter, duckte sich und fing einen Axthieb mit der Feuerzange auf. Der Revolver gab seinen vorletzten Schuss ab und durchlöcherte einen wertvollen Sidney Cooper. Der zweite Schutzmann schlug mit seiner Feuerzange auf die kleine Waffe, die zu Boden fiel.
Voll Todesangst schrie das Mädchen auf und öffnete schnell ein Fenster – offenbar in der Absicht, auf diesem Wege zu entfliehen.
Man hörte den schweren Atem des Unsichtbaren. »Geht weg da, ihr beiden«, rief er, »ich brauche nur Kemp!«
»Wir aber brauchen dich!«, sagte der erste Polizist und schwang seine Feuerzange nach der Richtung, aus welcher die Stimme gekommen war. Der Unsichtbare musste einen Schritt zurückgewichen sein, denn der Schutzmann stolperte in den Schirmständer. Dann zerschmetterte ihm der Unsichtbare den Helm, als ob er aus Papier gewesen wäre, und der Mann stürzte ächzend zu Boden.
Der zweite Schutzmann jedoch zielte mit der Feuerzange hinter die Axt und traf auf etwas Weiches. Man vernahm einen Schmerzensschrei und die Axt fiel zu Boden. Noch einmal zielte der Schutzmann, traf aber ins Leere. Dann stand er still und horchte auf die leiseste Bewegung.
Er hörte das Fenster öffnen und schnelle Tritte im Zimmer. Sein Gefährte richtete sich, aus einer Stirnwunde blutend, auf. »Wo ist er?«, fragte er.
»Ich weiß es nicht, ich habe ihn verwundet. Er steht irgendwo in der Halle, wenn er nicht an Ihnen vorbeigeschlüpft ist. Dr. Kemp – Herr Doktor!«
»Doktor Kemp!«, rief er nochmals.
Der zweite Schutzmann stand auf. Plötzlich hörte man die Schritte unbekleideter Füße auf der Küchen-Treppe. »Halt!«, rief der erste Schutzmann und warf die Feuerzange nach jener Richtung. Sie zerschmetterte eine Gaskrone.
Er machte Miene, den Unsichtbaren bis hinunter zu verfolgen, dann besann er sich eines Besseren und trat ins Speisezimmer.
»Dr. Kemp – –« begann er und hielt plötzlich ein.
»Dr. Kemp ist ein Held!«, sagte er, während ihm sein Gefährte über die Schulter blickte.
Das Speisezimmerfenster stand weit offen und weder das Hausmädchen noch Kemp waren zu sehen.
Auch der zweite Polizist hielt mit seiner schmeichelhaften Meinung über Kemps Heldenmut nicht zurück.
28. Kapitel – Der Jäger wird gejagt
Mr. Heelas, Kemps nächster Nachbar in dem Villenviertel, schlief in seiner Laube, als die Belagerung von Kemps Haus begann. Mr. Heelas gehörte der starrköpfigen Majorität an, die sich weigerte, an all den Unsinn über die Existenz eines unsichtbaren Menschen zu glauben. Er bestand darauf, im Garten spazierenzugehen, als ob nichts geschehen wäre, und nachmittags legte er sich, einer vieljährigen Gewohnheit getreu, dort zu einem Schläfchen nieder. Er schlief, während die Fenster eingeschlagen wurden, dann erwachte er plötzlich mit dem seltsamen Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung sei. Er blickte zu Kemps Haus hinüber; dann rieb er sich die Augen und blickte nochmals hin. Jetzt richtete er sich auf und horchte. Das Haus drüben sah aus, als ob es seit Wochen verlassen wäre. Alle Fenster waren zerbrochen und, mit Ausnahme derjenigen des Studierzimmers im oberen Stockwerk, von innen durch Holzladen verschlossen.
»Ich hätte